Chris von Rohr nimmt Abschied von Udo Jürgens
«Das Leben ist ein flüchtiger Vogel»

Sie waren seit Jahren befreundet, der Grand Seigneur des Chansons half ihm sogar über eine Liebeskrise hinweg. Rockmusiker Chris von Rohr trauert um seinen gestern verstorbenen Freund Udo Jürgens.
Publiziert: 22.12.2014 um 09:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:05 Uhr

Udo Jürgens tot! Das Leben zeigt sein anderes Gesicht, der Tod steht in keinem Organizer, er kommt wann, wo und wie er will.

Udo und ich lernten uns kennen, als Freddy Burger zu seinem 60. Geburtstag ein Fest der Superlative im österreichischen Innsbruck organisierte. Wir waren die ganze Nacht nach der Show unterwegs, und wir Rocker mussten schauen, dass wir mit dem Grand Seigneur des Chansons mithalten konnten. Der Mann wusste, wie feiern.

Beeindruckt hat mich jedoch ein Treffen in seiner Zürcher Wohnung. Udo war ein Philosoph und ein tiefschürfender Wahrheitssucher. Wir gingen in die Tiefe und sprachen die ganze Nacht über Liebe und Musik. Da lernte ich auch einen hilfs­bereiten Menschen kennen. Damals hatte ich grosse Probleme mit meiner Liebe. Ich erzählte ihm das, und er griff kurzerhand zum Telefon und probierte mit meiner Freundin die Wogen zu glätten. Danach spielte er den wunderschönen Jazzstandard «There Will Never Be Another One Like You.» Ein magischer Moment, der für mich unvergesslich bleibt.

Später trafen wir uns in Los Angeles, wo er mir im Studio half. Danach gingen wir am berühmten Sunset Strip abhängen. Udo wollte mit allen Fasern seines Körpers und seines Geistes leben, und er hatte ein reiches, spannendes Leben. Er wusste aber auch, dass das Glück, der Erfolg und das Leben flüchtige Vögel sind und dieser Beruf vor allem von Erinnerungen lebt.

Von allen Musikern, die ich kenne, war er der einsamste Wolf. Er zog seine Kreise oft alleine, ohne aber wirklich ein Einzelgänger zu sein. Extrem beeindruckt hat mich letzthin seine schonungslose Selbstreflexion. Er sagte: «Im Sinne von wirklich Liebe weitergeben und anderen helfen, muss ich zugeben: Da habe ich wahrscheinlich nicht genug geliebt.»

Dieses Geständnis hat mich tief berührt. Er war direkt, schonungslos, auch mit sich selbst. Menschen aus diesem Holz gibt es nur wenige. Wir werden ihn vermissen.»

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