DJ Bobo über die Tücken im Showbusiness
«Künstler sind immer nahe am Abgrund»

Er tanzt noch immer seinen eigenen Takt: DJ Bobo. Wie sich der Schweizer Popstar über stille Momente vor dem Start seiner Welttournee freut.
Publiziert: 14.10.2018 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2018 um 07:21 Uhr
Neue Tournee, neue Platte – und neu auf Vinyl
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DJ Bobo im Interview:Neue Tournee, neue Platte – und neu auf Vinyl
Jean-Claude Galli

Es wird eine denkwürdige Dreiviertelstunde an diesem Spätsommernachmittag in Zürich, als SonntagsBlick DJ Bobo (50) zum Interview trifft. Vor zwei Jahren hat er sein 25-Jahr-Bühnenjubiläum gefeiert. Nun ist er mit dem Album «KaleidoLuna» zurück, die Weltpremiere der gleichnamigen Tour findet im Januar 2019 im Europa-Park Rust statt.

Der Schweizer Popstar ist voller Elan, zeigt sich aber auch von einer äusserst nachdenklichen Seite. «Huhn und Ei sind bei uns mittlerweile klar definiert», antwortet er auf die Eingangsfrage, wie seine Alben überhaupt zustande kommen. «Das Huhn ist die Tournee, die Musik ist das Ei.»

Auch mit 50 Jahren ist DJ Bobo ist noch immer voller Elan.
Foto: Florian Ostermann
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Auf Tour mit 120 Leuten

Vor rund 15 Jahren sei der entscheidende Wechsel passiert. «Als wir realisierten, dass es einfacher ist, wenn wir zuerst das Huhn haben und die Musik schreiben, damit sie zum Huhn passt.» Er lungere schon lange nicht mehr in den Discos rum und lasse sich beeinflussen, sondern habe eine fixe Vorstellung, wie etwas ist und schöpfe aus sich selber. «Nicht mehr den Kampf mit der Tanzfläche zu führen, sondern den Rhythmus selber zu bestimmen, das ist es, was mich nun ausmacht. Wie ein Spitzensportler, der für manche Situationen mittlerweile zu langsam ist und sich dafür auf seine Spezialitäten konzentriert.»

Der Tour- und Album-Name «KaleidoLuna» unterliegt einer eigenen Geschichte. «Unser Arbeitstitel war ‹Kaleidoskop›, das gefiel uns. Das hätte vor 1000 Jahren sein können und hörte sich doch zeitlos an.» Doch als er die Namensrechte dafür schützen wollte, merkte er, dass es in Norwegen bereits ein Musical gleichen Namens gab – etwas anderes musste also her. «Ich hatte im Studio diesen Melodiebogen vor mir, ‹laleiloluna›, und so ergab sich ‹Kaleidoluna› ganz natürlich. Was es bedeutet, ist sekundär. Wichtig ist die Zeitlosigkeit; ein spannender Fantasy-Film könnte so heissen.»

Ohne den geschäftlichen Unterbau würde das Künstlerische auch bei DJ Bobo nicht laufen. Im Normalfall verfügt er über sieben Festangestellte. «Auf der Tour werden es dann schon bis zu 120 Leute. Ich bin Arbeitgeber, ein klassisches KMU eigentlich.» Da kommt zwar viel Druck zusammen, schlaflose Nächte kennt er jedoch nicht. «So eine Tournee wird unromantisch geplant. Nach Geografie, Kilometern, nach Hallenverfügbarkeit. Das Finanzielle muss in einem Rahmen sein, dass man es tragen kann, egal, was passiert.»

Dass die neue Tour wieder in Rust beginnt, ist Tradition. «Rust ist eine freundschaftliche Beziehung zur Betreiberfamilie Mack, seit 1998. Ich bewundere ihre Professionalität und Liebe zur Sache und dass dies immer noch ein Familienbetrieb ist. Das alles aufrechtzuerhalten mit 3000 Mitarbeitern, ist ein richtiges Wunder.»

Bobo will gefordert werden

DJ Bobo ist mit Jahrgang 1968 ins digitale Zeitalter reingerutscht. Den Generationenunterschied sieht er bei seinen Teenager-Kindern Jamiro und Kayley beispielsweise an ihrem Umgang mit dem Smartphone. «So oft habe ich schon gesagt: Handy weg. Gerade am Esstisch. Ich komme mir fast schon vor wie meine Eltern früher mit dem Fernseher. Damals hiess es auch: Der läuft nicht. Selbst wenn die Lauberhorn-Abfahrt kam. Und wir dachten: Seid ihr nicht ganz dicht? Meinen Kindern geht es wohl ähnlich.»

Doch was ist denn nun das Geheimnis seines Erfolgs? «Künstler haben grundsätzlich das Problem, dass sie jeden glücklich machen wollen, der ihnen über den Weg läuft. Sie wollen jeden bekehren. Negatives Feedback mögen sie nicht. Mir ist das egal», sagt DJ Bobo überzeugt. «Mir war das am Anfang egal und heute noch egaler als egal. Früher habe ich Musik für Leute gemacht, die tanzten. Und wer tanzte, fand das gut. Vielleicht hatte ich damals weniger Berührungsängste. Mir war es einfach wurst, was die Leute dachten.»

Entscheidend sei, dass er bloss einen Teil des Ganzen ausmache. «Beim Fussball wäre ich wohl der Captain. Ich versuche, an jeder Position jemanden zu platzieren, der besser ist als ich. Weil es mich langweilt, von Leuten umgeben zu sein, die mich nicht fordern.»

Dann kommt er auf seine Zukunft zu sprechen. «Lustigerweise kommt mir dabei nicht etwa mein Beruf in den Sinn, sondern als Erstes meine Kinder. Das ist es, was meinen Rhythmus bestimmt. Das Wohl der Familie gibt mir den Takt vor. Ich hatte in dieser Hinsicht auch ein paar Schlüsselerlebnisse: Branchenkollegen, die zu mir sagten: ‹Ich habe einen 20-jährigen Sohn, den ich kaum kenne. Ich habe alles verpasst, weil ich immer unterwegs war während meiner erfolgreichen Jahre.› Wenn ich solche Geschichten höre, denke ich: Bleib lieber wach.»

Die Schizophrenie der Künstler

DJ Bobo ist sich der Gefahren des Ruhms bewusst: «Künstler geben sich normalerweise zu 100 Prozent ihrer Arbeit hin und wollen gefallen. Darum ‹verreisst› es auch viele so oft. Wenn die Blase platzt, haben sie gar kein richtiges Leben. Wenn ich schon nur an jene denke, die gestorben sind, viele in meinem Alter, George Michael, Michael Jackson, Prince, alle völlig unnötig.» Weshalb so viele Menschen im Rampenlicht gefährdet sind, möchten wir von ihm wissen. «Künstler neigen zu einer gewissen Schizophrenie, sind Grenzgänger, immer nahe am Abgrund. Andererseits ist mir auch klar, dass sie dadurch ihre Inspiration holen.»

Er habe das neulich bei Lady Gaga während einer Show in Miami gesehen. «Die lief die ganze Zeit auf diesem schmalen Grat (zeigt es an der Tischkante vor). Ich fragte mich: Wie sehen wohl ihre ganzen Stunden nach der Show aus? Muss das nicht das tiefste Elend sein? Auf der Bühne kehrt sie ihr Innerstes nach aussen – was bleibt dann hinter den Kulissen noch?»

Doch DJ Bobo sieht auch ein: «Gerade solche Eigenschaften machen Menschen wie sie genial und einzigartig. Das ist eben diese Schizophrenie, nicht nur der Künstler, sondern auch der Fans. Wir wollen Leute sehen, die alles geben und sterben für uns. Wie in einer Gladiatorenarena. Künstler wie Lady Gaga sind keine kontrollierten Kämpfer wie ich. Ich verlasse mit meiner Band die Bühne, und wir sprechen über unsere Leistung. So kommen wir gemeinsam und langsam auf den Boden zurück. Während sie ans Extreme geht. Und der Mensch wird vergessen dabei.»

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