«Gotthard» zum Finale noch emotionaler
Grosses Kino des kleinen Schweizer Fernsehens

TV-Checker Padrutt über den zweiten Teil des «Gotthard»-Zweiteilers: Spannender, dichter, gefühlsvoller. Ob die Millionenquote nochmals toppt?
Publiziert: 13.12.2016 um 08:06 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 18:55 Uhr
Grosse Bilder, starke Quoten: Gestern wurde der zweite Teil des historischen Zweiteilers «Gotthard» ausgestrahlt.
Foto: SRF
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Peter Padrutt

Grosse Bilder, starke Quoten: Gestern ging es weiter mit dem historischen Zweiteiler «Gotthard» – dem diesjährigen Prestigestreifen der SRG. Unglaublich: Eine Million Zuschauer litt schon in der ersten Folge mit. Und die Fortsetzung war gestern noch dichter. Ingenieur Max (Maxim Mehmet, 41) kehrte nach Göschenen UR zurück, wo die Zustände auf der Baustelle desaströs sind. Täglich werden Tote aus dem Tunnel gekarrt, die Luft im Stollen ist vom Rauch der Lokomotiven verpestet. Die Mineure, deren Lungen vom Staub gefüllt sind, rebellieren.

Da wird gehungert, gehustet und gestorben

Selten ist es am TV gelungen, die Qualen der Arbeiter aus sozialpolitischer Perspektive so schonungslos zu zeigen. Da wird gehungert, gehustet und gestorben. Und damit all diese Szenen ein bisschen erträglich waren, gab es doch noch romantische Momente: Die Fuhrhaltertocher Anna (Miriam Stein, 28) und Max liebten sich endlich vor verstaubter Kulisse. Darauf hat man lange warten müssen.

Historisch ein bisschen frei

Klar ist: Hier wurde kein Heldenepos erzählt. Die Geschichte nicht an Politikern und Bauunternehmern aufgerollt – sondern an den einfachen Menschen. Das ist lobenswert. Dennoch zeigte «Gotthard» auch, wie schwierig es ist, historische Fakten und filmisches Erzählen zu bündeln. Der deutsche Drehbuchautor Stefan Dähnert (55), der unter anderem Filme für Til Schweiger (52) schreibt, erzählte die Geschichte ziemlich frei. Er will historisch nicht permanent zitieren, wie er sagt. Aber: «Gotthard» wurde von der öffentlich-rechtlichen SRG mit sechs Millionen Franken mitproduziert – da muss man die Frage nach der Exaktheit stellen.

Fakt ist: Der deutsche Ingenieur, die Fuhrmannstocher und der italienische Mineur (Pasquale Aleardi, 45, im zweiten Teil kurzhaariger und knorriger) werden in diesem Film zu einer Art Heldentrio von unten stilisiert. Sie sollen den Tunnelbau geprägt haben. Aber das ist Fiktion. Absurd wird es, wenn der Deutsche beim Schiessbefehl auf die streikenden Arbeiter eine zentrale Rolle spielt. Und dass Louis Favre erst kurz vor der Vollendung gesagt haben soll: «Der Teufel hat uns einen Streich gespielt» und stirbt – das ist nochmals Dynamit zum Finale. Tatsächlich ist Favre früher gestorben, an einem Riss in der Bauch-Aorta bei einem Kontrollgang im Tunnel.

«Gotthard» war grosses Kino des kleinen Schweizer Fernsehens. Unterhaltsam, emotional und sozialkritisch. Aber neue historische Zusammenhänge hat der Zweiteiler keine aufgezeigt.

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