Irina Beller über Günther Tschanun
«Dass ein Killer so geschützt wird, ist Justizversagen!»

Baulöwe Walter Beller (†71) entkam 1986 dem Amoklauf von Günther Tschanun nur knapp. Nun ist Witwe Irina entsetzt, dass der Vierfachmörder eine neue Identität bekam und im Tessin sorglos leben durfte – jenem Kanton, in dem auch die Bellers einen Zweitwohnsitz hatten.
Publiziert: 14.04.2021 um 12:28 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 15:37 Uhr
Society-Lady Irina Beller ist ausser sich, dass Günther Tschanun ein anonymes Leben im Tessin geniessen durfte.
Foto: Thomas Meier
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Flavia Schlittler

Irina Beller (48) ist ausser sich. Dass der Vierfachmörder Günther Tschanun (†73) unter falschem Namen ein Rentnerleben im Tessin genoss, findet sie «eine absolute Schweinerei». «Er hätte für immer eingesperrt gehört oder mit seinem richtigen Namen leben müssen. Dass ein Killer so geschützt wird, ist das Versagen der Schweizer Justiz.»

Dass Beller so tobt, kommt nicht von ungefähr. Ihr Ehemann, der einstige Zürcher Baulöwe Walter Beller (†71), hat den Amoklauf vom 16. April 1986 im Amtshaus IV hautnah mit- und überlebt. «Es hat ihn stets gequält. Walter hat es nie mehr ertragen, wenn es knallte oder sehr laut war», erzählt sie. Feuerwerke seien für ihn ein Graus gewesen. Wenn jemand von hinten seine Schultern berührte oder seinen Namen rief, sei er zusammengezuckt. «Walter konnte lange keinen Krimi mehr sehen.» Auch sei er nachts immer mal wieder schweissgebadet aufgewacht. «Walter hatte Albträume wegen dem Blutbad.»

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Irina Beller wäre ihm an die Gurgel gesprungen

Es hätte jederzeit passieren können, dass die Bellers, die im Tessin ihren Zweitwohnsitz haben, Tschanun in einem Restaurant oder auf einem Spaziergang begegnet wären. «Für mich ist nicht auszudenken, wie das für Walter gewesen wäre. Es war zwar seine Überlebensstrategie, alles zu verdrängen und zu vergessen – auch Menschen, die ihm nicht gutgetan haben. Doch vielleicht hätte er ihn doch erkannt. Den Mann, der einem anderen vor Walters Augen in den Kopf schoss und die Waffe dann auf Walter richtete.» Wäre es zu einer Konfrontation gekommen, «dann wäre ich diesem Killer an die Gurgel gesprungen», sagt sie.

Als Irina Beller ihren Mann kennenlernte, war der Tschanun-Amoklauf zehn Jahre her. Doch sie ist sich sicher: «Es hat in ihm einen Knacks ausgelöst. Er hat zwar das Leben umso intensiver genossen, weil er wusste, wie schnell es vorbei sein kann. Doch litt Walter bis zum Schluss unter Todesangst.»

Dass Günther Tschanun tot ist, sei für sie ein kleiner Trost. «Er wurde zwei Jahre älter als mein Specki. Diese Zeit hätte ich Walter gegönnt, nicht einem Mörder.»

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