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Locarno Film Festival 2020
Die Piazza Grande ist verwaist

Das 73. Locarno Film Festival findet seit dem 5. und noch bis zum 15. August in hybrider Form statt. Nebst der digitalen Form werden in den örtlichen Lichtspielhäusern rund 100 Filme gezeigt. Das grösste Freilichtkino Europas auf der Piazza Grande entfällt hingegen.
Publiziert: 08.08.2020 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2020 um 15:52 Uhr
Jean-Claude Galli

Oscarpreisträgerin Susan Sarandon (73) steht auf der Piazza Grande in Locarno TI und strahlt. Allerdings nur als Teil einer Fotoausstellung – Sarandon war 2005 Stargast. Hollywood-Grössen sind dieses Jahr keine im Tessin, und die 73. Ausgabe des Film Festivals findet unter dem Titel «Locarno 2020: For the Future of Film» in hybrider Form statt – teils digital, teils physisch. Das temporär grösste Freilichtkino Europas, das jeweils von bis zu 8000 Cineasten bevölkert wird, bleibt zu. Leinwand wurde keine aufgebaut, der imposante Projektor und die charakteristischen Stuhlreihen fehlen.

«Die Piazza als Seele des Festivals lebt dieses Jahr von unserer Vorstellungskraft», sagt Festivalpräsident Marco Solari (75), der sich nach überstandener Corona-Erkrankung wieder in gewohnt leidenschaftlicher Art für den Grossanlass ins Zeug legt. «Die Stimmung findet für einmal vornehmlich in unseren Köpfen statt, gespeist von schönen Erinnerungen und mit dem unerschütterlichen Glauben an die Zukunft», pflichtet die künstlerische Leiterin Lili Hinstin (43) bei, die letztes Jahr als Nachfolgerin des neuen Berlinale-Chefs Carlo Chatrian (48) ihre Premiere erlebte.

Eröffnung auf Youtube statt auf der Piazza

Statt eines feierlichen Akts auf der Piazza waren die Reden zum Start am Mittwoch auf Youtube zu sehen. Eröffnet wurde das Festival mit dem Drama «First Cow» der US-Regisseurin Kelly Reichardt (56). Eine Wahl mit tieferer Bedeutung: Der Film lief im Februar auch auf der Berlinale, direkt vor dem Lockdown. «Das Werk steht für einen der letzten Momente, in denen man an Grossanlässen noch die kollektive Erfahrung des gemeinsamen Kinobesuchs machen konnte», sagt Hinstin.

Lili Hinstin, künstlerische Leiterin, und Marco Solari, Festivalpräsident, am Eröffnungsabend vom Mittwoch, 5. August, in Locarno.
Foto: keystone-sda.ch
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Sonderfall Locarno

Kelly Reichardt ist auch Teil der dreiköpfigen Jury, die die zehn internationalen Filme von «The Films After Tomorrow» beurteilt und über die Vergabe des Goldenen Leoparden 2020, den Preis Campari und den Preis Swatch entscheidet. «The Films After Tomorrow» ist ein Festivalprojekt, das die Produktion von Kinofilmen unterstützt, deren Vollendung durch die Corona-Krise gefährdet sind. Im physischen Teil des Festivals laufen in drei örtlichen Kinos in Locarno und Muralto TI rund 100 Filme. An potenziellen Besuchern mangelt es dank der Touristen nicht.

Unter den rund 6000 Filmfestivals nimmt Locarno eine Sonderstellung ein und wird weltweit wahrgenommen und gewürdigt. Marco Solari spricht von einer «Ausnahmeerscheinung im wahrsten Sinne des Wortes». Deshalb sei es auch eminent wichtig gewesen, die Fahne hochzuhalten und mit der ganzen Crew vollen Einsatz zu zeigen. «Das sind wir allen treuen Partnern schuldig.»

Das Festival dauert noch bis zum 15. August.

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