Nathalie Wappler über die geplante SVP-Initiative
«Die Auswirkungen aufs Programm wären einschneidend»

SRF sei zu links, findet die SVP. Und will nun eine Initiative lancieren. Das hätte massive Konsequenzen, kontert SRF-Chefin Nathalie Wappler (53) im Interview mit Blick.
Publiziert: 12.06.2021 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2021 um 06:41 Uhr
Interview: Peter Padrutt und Dominik Hug

Sie macht schwierige Zeiten durch: Nathalie Wappler (53) muss bei SRF immer öfter prominente Abgänge hinnehmen, ausserdem plant die SVP, eine neue Volksinitiative gegen SRF zu lancieren. Wappler erklärt, wie sie mit dem neusten Polit-Angriff umgeht.

Frau Wappler, die SVP kündigt eine Volksinitiative gegen SRF an. Vermiest Ihnen die Volkspartei die Sommerferien?
Nathalie Wappler: Ich respektiere unser demokratisches System. Und die Sommerferien, die müssen warten, es steht noch viel Arbeit an.

SRF sei zu links, lautet der Vorwurf. Berechtigt?
Nein. Linke Parteien werden Ihnen sagen, SRF gebe den rechten Positionen zu viel Raum. Wir sind zu Ausgewogenheit und Sachgerechtigkeit verpflichtet, haben verbindliche publizistische Leitlinien und wir diskutieren unsere Sendungen im internen Feedback durchaus auch kritisch.

Seit 2019 Chefin von SRF: Die Ostschweizerin Nathalie Wappler.
Foto: SRG/Mirco Rederlechner
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Wie wollen Sie die Berichterstattung ausgewogener machen?
Unsere Berichterstattung ist ausgewogen. Das wird uns regelmässig von unabhängigen Stellen wie der Ombudsstelle attestiert. 2020 sind nur gerade 3,5 Prozent aller Beanstandungen vollumfänglich gutgeheissen worden.

Wo müssten Sie sparen, falls Schweizerinnen und Schweizer künftig nur noch 200 Franken Radio- und Fernsehgebühren bezahlen würden?
Unseren Auftrag, wie er in der Konzession steht, könnten wir nicht mehr wahrnehmen. Heisst: Wir müssten weitere drastische Einschnitte im Programm vornehmen. Aber: Wir leben in einer direkten Demokratie, da ist es legitim, eine Volksinitiative zu lancieren. Ich möchte aber daran erinnern, dass das Stimmvolk vor drei Jahren mit über 70 Prozent Nein zu «No Billag» und damit Ja zu einem starken medialen Service public gesagt hat.

Welche Sendungen würden da noch übrig bleiben?
Die Auswirkungen aufs Programm wären einschneidend, so viel ist sicher. Wir müssten auf vieles verzichten, was das Publikum heute schätzt.

Wäre dann Schluss mit teuren Serien oder Unterhaltungssendungen wie «Darf ich bitten?» oder «Happy Day»?
Ich kann Ihnen nicht sagen, worauf wir verzichten müssten. Aber die Auswirkungen wären einschneidend.

Und bei den News-Formaten: Worauf müssten wir da verzichten?
Ich kann mich nur wiederholen: Die Auswirkungen aufs Programm wären einschneidend. Wir könnten unseren Auftrag nicht mehr wahrnehmen.

Die Gefahr, dass das Volk diesmal einer Senkung der Gebühren zustimmt, ist nicht zu unterschätzen. Bewegte News bringen inzwischen auch Sender wie Blick TV. Heisst doch: SRF ist nicht mehr unverzichtbar.
Und täglich werden es mehr Angebote. Was nur wir als Service-public-Medium garantieren können, ist die komplette Unabhängigkeit von politischen und kommerziellen Interessen. Und diese Unabhängigkeit ist unser höchstes Gut, das es im Interesse der Gesellschaft zu schützen gilt. Nicht nur bei uns, auch im Ausland. Schauen Sie, wie Parteien überall in Europa versuchen, auf die öffentlichen Sender Einfluss zu nehmen. Schauen Sie sich die Diskussionen in England, Deutschland oder Italien an. Bei uns gibt es die Möglichkeit einer Volksinitiative.

Falls an den alten Gebühren festgehalten wird, fordert die Initiative, dass der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung, die UBI sowie die Redaktionen aller politischen Sendungen künftig die politische Landschaft abbilden sollen. Was halten Sie davon?
Als gebührenfinanziertes Medienhaus wird uns von Gegnern oft Staatsnähe vorgeworfen – jetzt die Forderung der SVP nach direktem Einfluss auf die Besetzung von wichtigen Posten, um so Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen. Das geht für mich nicht auf.

Verlangen Sie jetzt Einsicht ins Partbeibüchlein Ihrer Mitarbeitenden?
Sicher nicht. Wir wählen jeweils die fähigsten Leute aus, unabhängig vom Parteibuch.

Direkt gefragt: Wo stehen Sie politisch persönlich?
Das spielt keine Rolle.

Warum wollen Sie es nicht verraten?
Weil es für meinen Job als SRF-Direktorin nicht wichtig ist, wo ich politisch stehe. Unsere Unabhängigkeit ist nicht verhandelbar. Es gehört zu meinen Aufgaben, für diese Unabhängigkeit geradezustehen – in alle Richtungen.

Sind Sie bei «Club» oder «Arena» schon damit vorstellig geworden, dass die Rechte mehr eingebunden wird?
Aber warum denn? Wer diese Sendungen regelmässig schaut, weiss: Die Rechte ist alles andere als untervertreten. Zum «Club», den die SVP kritisiert: Thema war unter anderem, ob der Abbruch der Verhandlungen bei einigen grossen Parteien zu Zerreissproben führt. Also waren FDP und SP zu Gast, deren Mitglieder bei der Vorlage gespalten sind. In der Sendung kamen also Argumente für und gegen das Rahmenabkommen vor. Dieser Punkt ist für die Meinungsbildung zentral.

Parallel zur Initiative verlieren Sie immer mehr Aushängeschilder wie kürzlich Sportmoderator Jann Billeter. Warum können Sie die Stars nicht mehr halten?
Den Weggang von Jann Billeter bedaure ich. Wenn jemand nach fast 25 Jahren den Arbeitgeber wechselt, habe ich aber auch Verständnis. Künftig kann er sich ausschliesslich um seine grosse Leidenschaft Eishockey kümmern. Diese Möglichkeit gibts bei uns nicht. Aber klar, es gibt in der Schweiz einen funktionierenden Fernsehmarkt. Unsere Konkurrenz macht einen guten Job, dadurch sind Wechsel häufiger geworden. Was nicht weniger bemerkenswert ist: Viele Moderatorinnen und Moderatoren entscheiden sich bewusst, bei SRF zu bleiben, auch wenn sie vielleicht ein Angebot bekommen haben. Das freut mich besonders.

Braucht das SRF überhaupt noch Aushängeschilder?
Unbedingt. Und die haben wir auch. Ich bin nicht sicher, wie viel Platz Sie mir geben, damit ich hier all unsere Aushängeschilder bei Radio, Fernsehen und dem Online-Angebot aufzählen kann. Die Liste ist lang.

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Blick-Sport-Chefin Steffi Buchli sagt, dass «Senior-Moderatoren» mehr Aufmerksamkeit erhalten müssen. Sind Sie zu wenig nett zu Ihren bewährten Stars?
Unsere Moderatorinnen und Moderatoren sind mir sehr wichtig. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsleitung und ich geben regelmässig Rückmeldung, sind in Kontakt mit ihnen, begleiten sie auf ihrem Weg. Zudem: Ich bin verantwortlich für 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im schwierigen letzten Jahr war deren Gesundheit unsere oberste Priorität. Persönliche, auch spontane Begegnungen oder Sendungsbesuche werden hoffentlich bald wieder einfacher.

Wie wollen Sie Rainer Maria Salzgeber und Sascha Ruefer behalten – gab es schon Gespräche mit Ihnen?
Wie gesagt, im letzten Jahr gab es weniger Möglichkeiten für Gespräche. Sobald sich die Situation normalisiert hat, will ich unbedingt wieder bei Produktionen dabei sein. Für den «Donnschtig-Jass» wirds wohl wegen Corona noch nicht reichen.

Mehr Lohn für die Stars, dafür anderswo noch mehr sparen. Wäre das eine Option?
Nein. Wir müssen regelmässig über unsere Finanzen Rechenschaft ablegen. Da kann ich nicht einzelnen Personen aufgrund ihrer Bekanntheit mehr Geld zahlen. Das liesse sich nicht rechtfertigen. Auch das gehört zu einem Service-public-Unternehmen dazu.

Sie sind zur Spardirektorin geworden. Tut das nicht weh?
Bei meinem Amtsantritt wusste ich, dass wir sparen müssen. Insofern beklage ich mich nicht.

Seit 2019 SRF-Direktorin

Nathalie Wappler (53) ist in Kreuzlingen TG aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete sie bei 3sat und ZDF. 2005 kam sie zum Schweizer Fernsehen, ab 2011 war sie Kulturchefin. Eine ihrer ersten Amtshandlungen: Sie schoss die erste Folge seit zehn Jahren des Schweizer «Tatorts» ab, weil er zu viele «plumpe Schweizer Klischees» enthielt. 2016 wechselte die Hobby-Pianistin zum MDR. 2019 kehrte sie als neue SRF-Direktorin in die Schweiz zurück. Sie ist seit 2009 mit Radiomann Wolfgang Hagen (71) verheiratet.

Nathalie Wappler (53) ist in Kreuzlingen TG aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete sie bei 3sat und ZDF. 2005 kam sie zum Schweizer Fernsehen, ab 2011 war sie Kulturchefin. Eine ihrer ersten Amtshandlungen: Sie schoss die erste Folge seit zehn Jahren des Schweizer «Tatorts» ab, weil er zu viele «plumpe Schweizer Klischees» enthielt. 2016 wechselte die Hobby-Pianistin zum MDR. 2019 kehrte sie als neue SRF-Direktorin in die Schweiz zurück. Sie ist seit 2009 mit Radiomann Wolfgang Hagen (71) verheiratet.

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Wenn Sie das Geld dazu hätten: Was für Sendungen würden Sie ins Programm hieven?
Diese Frage stellt sich für mich nicht. Unsere finanzielle Situation ist, wie sie ist. Meine Aufgabe ist es, SRF auf stabile finanzielle Beine zu stellen, damit es keine jährlichen Sparrunden mehr braucht. Daran arbeiten wir.

Wo muss SRF noch stärker werden?
Heute erreichen wir unter 45-Jährige zu wenig gut. Aktuell entwickeln wir Angebote für Jüngere. Erste Beispiele zeigen, dass es funktioniert. Den Instagram-Kanal «We, Myself and Why» von und für junge Frauen nutzen vor allem 18- bis 35-jährige Frauen. Sie erreichten wir bislang zu wenig.

Sind Samstagabend-Event-Shows Vergangenheit?
Der Samstagabend und damit auch Shows wie «Happy Day» bleiben wichtig. Aber wir verzichten auf internationale Lizenzformate, setzen dafür auf Eigenentwicklungen wie «Game of Switzerland» oder «Stadt Land Talent». Und auch dokumentarische Formate kommen beim Publikum an. Die nächste Folge von «Es geschah am …» behandelt das Attentat von Zug.

SRF verliert Zuschauer, leidet auch an überalterten Zuschauern. Wie können Sie das verbleibende Publikum halten?
Wir haben ein treues Stammpublikum, das unsere Sendungen sehr schätzt. Aber sie haben recht: Die Anzahl der Menschen, die überhaupt noch lineares Fernsehen schauen, nimmt Jahr für Jahr ab. Heisst: Wir müssen einerseits dem TV Sorge tragen, aber gleichzeitig müssen wir auch neue Angebote entwickeln, die der veränderten Mediennutzung Rechnung tragen.

Wie können Sie vielleicht sogar neues Publikum gewinnen?
Die Mediennutzung hat sich verändert. Zu glauben, dass wir junge Menschen wieder vor den Fernseher holen, ist unrealistisch. Wir müssen dorthin, wo Jüngere die Medien nutzen. Das sind Youtube, Instagram oder unsere Apps. Da sind wir dran. Um die Frage vorwegzunehmen, die mir dazu am häufigsten gestellt wird: Ja, das dürfen und müssen wir machen. Es ist in Artikel 13 der Konzession so festgeschrieben.

Sieht man sich das Programm von SRF heute an, gibt es kaum grosse Neuerungen bzw. Entwicklungen im Vergleich zu beispielsweise vor fünf Jahren. Warum eigentlich nicht?
Da muss ich widersprechen. «Game of Switzerland», die actionreiche Schnitzeljagd durch die Schweiz, war gerade bei Jüngeren sehr erfolgreich. Im Herbst folgt «Stadt Land Talent», auch eine Eigenentwicklung. Mit «Neumatt» und «Tschugger» haben wir zwei neue Serien am Start. Und auch wenns in der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen wird: Im Netz machen wir heute schon viel für die Jungen – und zunehmend erfolgreich.

Worauf müssen Sie bei der Programmierung den Fokus richten?
Wir brauchen neue Angebote für Jüngere, insbesondere im Web. Viele der Formate werden im Anschluss auch im TV oder Radio ausgestrahlt. Das Publikum, das nach wie vor gern zu festen Sendezeiten Radio hört oder Fernsehen schaut, vergessen wir dabei nicht. 80 Prozent unserer Gelder bleiben im klassischen Radio- und Fernsehangebot, 20 Prozent gehen zu Online.

Wo haben Sie Fehler gemacht?
Lange haben wir Online-Angebote obendrauf gepackt: da eine kürzere Version fürs Web, hier noch eine Insta-Story neben der klassischen TV-Produktion. Dadurch haben wir den Webformaten nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet. Das ändern wir. Wenn wir online etwas machen, braucht es entsprechend Geld und Personal.

Was für ausländische Formate gefallen Ihnen?
«ZDF Royal» mit Jan Böhmermann oder Klassik, Pop etc. beim Deutschlandfunk mag ich sehr. Auf die Neuauflage von «Wetten, dass ..?» freue ich mich.

Zum Schluss: Wo verbringen Sie die Sommerferien?
Das kommt auf die Corona-Situation an. Mein Mann und ich verreisen mit dem Camper. Wohin genau, entscheiden wir spontan.

Werden Sie dabei auch ein paar EM-Spiele schauen?
Ich hoffe, dass die Schweiz noch im Turnier ist, wenn wir unterwegs sind. Wir reisen nämlich pünktlich zum Finalwochenende los.

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