Pfarrer Ernst Sieber malt und malt und malt
«Ich spüre, dass mich der Herrgott bald zu sich ruft»

Seit fast 60 Jahren setzt sich der Seelsorger landesweit für benachteiligte Menschen ein. Aktuell steht er stundenlang an der Staffelei, malt Bilder. Der Erlös geht in seine Stiftung.
Publiziert: 27.08.2015 um 17:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:02 Uhr
Malt für seine Schützlinge: Ernst Sieber...
Foto: Philippe Rossier
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Von Silvana Guanziroli (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Es ist ruhiger geworden um Pfarrer Ernst Sieber (88). Doch untätig ist der Zürcher Geistliche deshalb noch lange nicht. BLICK trifft den ehemaligen EVP-Nationalrat in dessen Atelier in Euthal SZ. Hier steht er oft stundenlang an der Staffelei, malt seine Bilder auf die Leinwand aus Jute. «Das ist eine wichtige Arbeit», so Sieber. «Der Erlös kommt zum Teil meinen Schützlingen zugute.»

Seit fast 60 Jahren setzt sich der Seelsorger landesweit für benachteiligte Menschen ein. Er gründete die Stiftung Sozialwerke Pfarrer Sieber und holt in kalten Wintern mit dem Pfuusbus und seinem Team Obdachlose von der Strasse – und rettet damit Leben. Auch diesen Winter will er seine «Brüder und Schwestern», wie er sagt, wo immer möglich auf der Strasse besuchen. «Damit höre ich bis zu meinem letzten Atemzug nicht auf», sagt er. Für sein gesellschaftliches Engagement ehrte ihn Zürich 2013 mit der höchsten Auszeichnung: dem Staatssiegel.

Als Pfarrer war Sieber schon immer mit dem Tod konfrontiert. «Abdankungen sind ein wichtiger Teil meiner Aufgabe.» In letzter Zeit mache er sich zunehmend Gedanken über sein eigenes Ende. «Ich spüre, dass mich der Herrgott bald zu sich holt», sagt Sieber offen. Das Alter mache sich bemerkbar. «Das ängstigt mich aber nicht. Warum auch? Meine Nachfolge ist geregelt, mein Werk wird weiterbestehen», sagt er. «Darum wird sich insbesondere meine Frau Sonja kümmern.»

Bevor er abtrete, habe er aber noch einen Wunsch. «Ich will ein christusbezogenes, solidargemeinschaftliches Dorf bauen», sagt er. Ein Dorf, in dem Obdachlose ein Dach über dem Kopf haben, sich selber versorgen können und damit endlich eine langfristige Heimat finden. «Unsere Gesellschaft lässt sich am Wohl der Armen messen, und das will ich verbessern.»

Bereits 2012 eröffnete er in Zürich-Affoltern eine solche Siedlung. «Das neue Projekt soll aber noch grösser werden.

Erste Gespräche laufen», so Sieber.

Sorgen macht dem Pfarrer die weltweite aktuelle Lage. Besonders die Flüchtlingsströme. «Unser Sozialwerk stellt fest, dass mehr Menschen kommen. Aus dem Balkan oder Syrien. Wir geben uns Mühe, allen Bedürfnissen gerecht zu werden.» Dafür brauche es aber deutlich mehr Unterstützung. Sieber ruft deshalb zur Solidarität auf.

Privat geniesst der Seelsorger die Zeit mit seiner Familie. Mit seiner Frau, der Sängerin Sonja Sieber-Vassalli, hat er acht Kinder aufgezogen. Zurzeit sind seine jüngste Tochter Jasmine (49) und Enkelin Angelina (18) zu Besuch. Sie leben in Kanada und haben Sieber letztmals vor drei Jahren gesehen. «Dieser Besuch freut mich so sehr», sagt Sieber. «Es gibt nichts Schöneres, als mit seinen Liebsten beisammen zu sein.»

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