Serie Teil 3 – Transmenschen, die in der Schweiz für mehr Akzeptanz kämpfen
Sie machten aus anders normal

Alecs Recher, Nadia Brönimann, Claudia Sabine Meier, Rebecca Burkhardt, Jil Lüscher und viele andere setzen sich für eine Sensibilisierung der Gesellschaft in Sachen Transgender ein. Mit beträchtlichen Erfolgserlebnissen.
Publiziert: 23.01.2018 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:15 Uhr
Patricia Broder und Jean-Claude Galli

Die landesweit bekannte Transfrau Eve-Claudine Lorétan alias Coco (†29), die sich 1998 das Leben nahm, ist auch am damaligen Zeitgeist zerbrochen (BLICK berichtete gestern). Global betrachtet ist die Situation heute noch verheerend. Seit 2008 sind in Europa 87 Transmenschen ermordet worden. 21 Länder erzwingen Sterilisierungen, damit der offizielle Geschlechtseintrag geändert werden kann. In der Schweiz ist die Akzeptanz in den letzten 20 Jahren gestiegen. Alecs Recher, Leiter der Rechtsberatung vom Transgender Network Switzerland und bis vor kurzem auch Co-Präsident von Transgender Europe: «Transmenschen sind heute nicht mehr allein und isoliert. Die Community ist gewachsen und hat sich in den letzten Jahren immer mehr organisiert. Es gibt zudem spezialisierte Beratungen, die wirklich unterstützend sind. Dadurch hat auch die Sichtbarkeit der Transgender-Community zugenommen. Und diese Sichtbarkeit verbessert wiederum die gesellschaftliche Akzeptanz.»

«Transmenschen haben mit Gewalt zu kämpfen»

Die rechtliche Lage schätzt Recher so ein: «Vor allem die Änderung des Namens und des amtlichen Geschlechts wurde in den letzten Jahren vereinfacht. 2010 haben fast alle Gerichte in der Schweiz noch eine operative Sterilisation vorausgesetzt für die Änderung des amtlichen Geschlechts, heute wird das meistens nicht mehr verlangt.» Zum täglichen Leben sagt Recher: «Das Erleben im Alltag ist sehr individuell und hängt oft vom eigenen Umfeld ab. Transmenschen, denen man ansieht, dass sie Trans sind, haben im Alltag meistens mehr mit Gewalt zu kämpfen, vor allem auch im öffentlichen Raum. Sie erfahren körperliche Gewalt, werden angespuckt und diskriminiert. Deshalb ist für viele eben auch die Änderung des Namens und des amtlichen Geschlechts so wichtig.» 

Engagements auf medialer und politischer Ebene 

Nadia Brönimann (48) setzt sich ebenfalls öffentlich für die Sache ein. Sie hat an zwei Büchern über ihr Leben mitgewirkt, 2004 erschien der Film «Wie Christian zu Nadia wurde». Claudia Sabine Meier (49) führte 12 Jahre lang das Resort-Hotel Schwefelbergbad BE. Sie erwirkte 2011 eine einfachere Namensänderung im Kanton Bern. 2012 setzte sie sich für den Präzedenzfall ein, die Geschlechteränderung auf gutachterlichen Ebene vollziehen zu können. Rebecca Burkhardt (59) und Jil Lüscher (60) engagieren sich politisch. CVP-Mitglied Burkhardt kandidierte 2016 für das Basler Kantonsparlament. Zwischen 2009 und 2011 war sie als Basil Burkhardt Synodalpräsident und somit oberster Basler Katholik. Die parteilose Jil Lüscher aus Zofingen kandidierte ebenfalls 2016 für den Aargauer Regierungsrat.

Transmann Alecs Recher (42) kämpft als promovierter Jurist für die Rechte von Transmenschen.
Foto: Siggi Bucher
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«Transmenschen haben den gleichen Respekt und die gleichen Rechte verdient» 

Auf die Frage, welche Veränderungen noch dringend nötig seien, sagt Alecs Recher: «Am wichtigsten ist, dass sich die Einstellung in den Köpfen der Menschen zum Thema Transgender ändert. Transmenschen sind einfach Menschen, die den gleichen Respekt und die gleichen Menschenrechte verdient haben. Transmenschen sollen nicht den Job verlieren, die Familie soll sich nicht abwenden und Ärzte sollen nicht mehr die Genitalien anschauen wollen, wenn ein Transmensch sich ein Bein bricht.» 

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Transmenschen in der Schweiz

In der Schweiz leben heute rund 40'000 Menschen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Diese Hochrechnung basiert auf einer holländischen Studie. Rund 20 Prozent der Transmenschen in der Schweiz sind arbeitslos, 40 Prozent selbständig Erwerbende. Dieser und weitere Faktoren führen dazu, dass Transmenschen häufiger als andere an Suizid denken. In einer schottischen Studie waren dies 84 Prozent, die Hälfte von ihnen hatte gar schon einen Suizidversuch hinter sich. 

In der Schweiz leben heute rund 40'000 Menschen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Diese Hochrechnung basiert auf einer holländischen Studie. Rund 20 Prozent der Transmenschen in der Schweiz sind arbeitslos, 40 Prozent selbständig Erwerbende. Dieser und weitere Faktoren führen dazu, dass Transmenschen häufiger als andere an Suizid denken. In einer schottischen Studie waren dies 84 Prozent, die Hälfte von ihnen hatte gar schon einen Suizidversuch hinter sich. 

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