Wut im SRF-Newsroom: oben zuviele Chefs, unten Angst um die Stelle
Aufstand am Leutschenbach geht weiter

Es brodelt am Leutschenbach. In einem Protestschreiben äussert die SRF-Inlandredaktion ihren Unmut über die Zustände im Newsroom. Gegenüber BLICK berichten Mitarbeitende von einem «vergifteten Arbeitsklima». Die publizistische Effizienz sei «akut infrage gestellt».
Publiziert: 14.09.2020 um 23:13 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2020 um 07:50 Uhr
Jean-Claude Galli, Dominik Hug und Manuel Kellerhals

Die Unruhe im SRF-Newsroom ist gross. Wie BLICK gestern berichtete, hat sich die Inlandredaktion in einem Protestschreiben geschlossen an Chefredaktor Tristan Brenn (54) und SRF-Direktorin Nathalie Wappler (52) gewandt und eine Analyse gefordert, um die problematischen Arbeitszustände zu verbessern. Diese sind offenbar inakzeptabel. Im Schreiben heisst es: «Zu oft fühlen wir uns von übergeordnet getroffenen Entscheidungen als kritische JournalistInnen beschnitten, als engagierte RedaktorInnen übergangen und als leistungsbereite Mitarbeitende eingeschränkt.» Dies führe im Newsroom zu «einem Gefühl von Fremdbestimmung und fehlendem Gestaltungsraum». Die schlechte Stimmung sei auch der Grund für Abgänge, «gerade von talentierten und teamfähigen KollegInnen».

Eine Mitarbeiter-Information von letztem Wochenende konnte die Wogen nicht glätten – im Gegenteil! Gegenüber BLICK sprechen direkt involvierte Personen, die alle anonym bleiben wollen, Missstände an, die weit über die im Mail geschilderten Details hinausgehen. Moniert werden zum Beispiel «undurchsichtige Strukturen, die zu einem erbitterten Grabenkampf zwischen der alten Garde und jüngeren, online-affinen Kollegen führen».

«Überhang an Leuten in Führungspositionen»

Grundsätzlich kritisiert wird zudem ein «Überhang an Leuten in Pseudo-Führungspositionen, die sich mit der Planung und Koordination beschäftigen». Das Resultat seien «viel zu viele Sitzungen und zeitraubende Absprachen». Dadurch komme das eigentliche journalistische Handwerk zu kurz und es fehle die Zeit für Recherche und Hintergrund. Dringend für das Kerngeschäft benötigte Ressourcen würden vermehrt «in fragwürdige Social-Media-Aktivitäten abwandern», von denen niemand auch nur einigermassen den Nutzen abschätzen könne.

Der SRF-Newsroom aus der Vogelperspektive.
Foto: SRF/Gian Vaitl
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Schuld daran sei das «Aufbrechen der bisher gewohnten Strukturen». Viele der einzelnen Formate hätten keine fixen Teams mehr. Dafür gebe es Fachredaktionen, die mehrere Kanäle und Sendungen bespielen müssten, was den Überblick schwer mache und Doubletten Vorschub leiste. Das Resultat sei ein «genereller Stimmungswandel und ein permanentes Gefühl der Verunsicherung».

«Ein vergiftetes Arbeitsklima»

Der strukturelle Umbruch habe das Gefüge «ins Wanken gebracht und den früheren Zusammenhalt im Team aufgeweicht». Zusammen mit dem für diesen Herbst angekündigten Stellenabbau sei ein Arbeitsklima entstanden, das als «vergiftet» bezeichnet wird. Es sorge dafür, dass viele Ideen verhindert würden, die publizistische Effizienz sei infrage gestellt.

In ihrem als «Appell» überschriebenen Protest fordert die Redaktion, dass das SRF eine «sach- und kostengerechte Analyse» durchführt. Diese soll «die heutigen Newsroom-Strukturen evidenzbasiert, funktions- und personenunabhängig beurteilen».

29 Angestellte haben das Schreiben unterzeichnet, darunter bekannte Moderationsgesichter wie Andrea Vetsch (45), Bigna Silberschmidt (35), Katharina Locher (33) oder Michael Weinmann (38).

Die Mediengewerkschaft SSM ist alarmiert

Über die Unruhen sorgt sich auch die Mediengewerkschaft SSM. «Wir arbeiten eng mit den Mitarbeitenden zusammen und haben mitbekommen, dass im Newsroom grosse Unzufriedenheit herrscht», bestätigt eine Sprecherin. «Schon länger fühlen sich viele Mitarbeitende übergangen und nicht ernst genommen. Während der Monate im Homeoffice rückten diese Probleme etwas in den Hintergrund. Dass die Situation jetzt aber wieder hochkocht, ist kein Wunder.»

Um die Situation zu erfassen, führte die Gewerkschaft eine Umfrage durch, bei der 190 der rund 200 Newsroom-Mitarbeitenden mitmachten. «Dabei stellten wir unter anderem fest, dass 75 Prozent der Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass ihre Standpunkte wenig bis gar nicht beachtet werden. Das ist eine enorme Zahl.» Ein Gespräch mit der Personalabteilung sei vor zwei Wochen erfolgt. «Auch das SRF ist an einer Lösung interessiert und war sehr offen für unsere Vorschläge.»

Auf Anfrage von BLICK gibt sich die SRF-Medienstelle zurückhaltend, meint lediglich: «Die Chefredaktion macht sich zurzeit Gedanken über die zukünftigen Strukturen. Dazu werden bereits in den kommenden Wochen wichtige Leitplanken und Rahmenbedingungen definiert. Die detaillierte Ausarbeitung und Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Newsroom-Mitarbeitenden.»

Das sind Wapplers grösste Baustellen

Die Unruhen im Newsroom sind nicht die einzigen akuten Probleme, die sich SRF-Direktorin Nathalie Wappler (52) stellen. Das sind ihre anderen grossen Baustellen:

Erste Sendungen aus dem neuen und teuren News- und Sportcenter kommen frühestens ab Mitte 2021, wie das SRF Anfang September mitteilte. Schon einmal wurde die Inbetriebnahme der Studios verschoben: von Herbst 2019 auf Frühling 2020. Das Center sei «das technisch komplexeste Projekt, das das SRF je umgesetzt habe».

Gelingt die digitale Transformation? Können die jungen Zuschauer wieder erreicht werden? Das diesen August vorgestellte Transformationsprojekt «SRF 2024», das 100 Mitarbeitende einbindet, beinhaltet eine verstärkte Präsenz eigener Angebote auf Drittplattformen wie Instagram und Youtube und generell eine intensivere Information über digitale Kanäle.

Was passiert mit dem Samstagabend? Auf ein neues, regelmässig wiederkehrendes Unterhaltungsformat warten die Zuschauer schon länger. Eisern hält Quotengarant Röbi Koller (62) mit «Happy Day» die Stellung. Die Reihe «Es geschah am ...» konnte sich noch nicht wirklich festsetzen.

Seit rund 100 Tage ist Susanne Wille (46) Kulturchefin. Sie muss für valablen Seriennachschub sorgen. Die durch die Einstellung des «Bestatters» entstandene Lücke ist noch nicht wirklich gefüllt. Und wie lange der Hype um «Wilder» mit Sarah Spale (40) und Marcus Signer (56) anhält, ist offen.

Wann kommt endlich die schon länger angekündigte überarbeitete Ausgabe der People-Sendung «Glanz & Gloria»? Nach ihrem Amtsantritt versprach Wappler dort mehr Tiefe und Themen abseits von Champagner und Lachsbrötchen.

Die Sportrechte sind ein steiniges Feld. Das SRF ist finanziell limitiert und kann nicht jeden Bieterwettkampf mitgehen, siehe Beispiel «Champions League».

Stars sind am Leutschenbach Mangelware geworden, der Absprung von Publikumslieblingen wie Nik Hartmann (48) schmerzt doppelt. Nun forciert das SRF Aufsteigerinnen wie Fabienne Bamert (32) oder die «Divertimento»-Quereinsteiger Jonny Fischer (40) und Manu Burkart (42).

Die Unruhen im Newsroom sind nicht die einzigen akuten Probleme, die sich SRF-Direktorin Nathalie Wappler (52) stellen. Das sind ihre anderen grossen Baustellen:

Erste Sendungen aus dem neuen und teuren News- und Sportcenter kommen frühestens ab Mitte 2021, wie das SRF Anfang September mitteilte. Schon einmal wurde die Inbetriebnahme der Studios verschoben: von Herbst 2019 auf Frühling 2020. Das Center sei «das technisch komplexeste Projekt, das das SRF je umgesetzt habe».

Gelingt die digitale Transformation? Können die jungen Zuschauer wieder erreicht werden? Das diesen August vorgestellte Transformationsprojekt «SRF 2024», das 100 Mitarbeitende einbindet, beinhaltet eine verstärkte Präsenz eigener Angebote auf Drittplattformen wie Instagram und Youtube und generell eine intensivere Information über digitale Kanäle.

Was passiert mit dem Samstagabend? Auf ein neues, regelmässig wiederkehrendes Unterhaltungsformat warten die Zuschauer schon länger. Eisern hält Quotengarant Röbi Koller (62) mit «Happy Day» die Stellung. Die Reihe «Es geschah am ...» konnte sich noch nicht wirklich festsetzen.

Seit rund 100 Tage ist Susanne Wille (46) Kulturchefin. Sie muss für valablen Seriennachschub sorgen. Die durch die Einstellung des «Bestatters» entstandene Lücke ist noch nicht wirklich gefüllt. Und wie lange der Hype um «Wilder» mit Sarah Spale (40) und Marcus Signer (56) anhält, ist offen.

Wann kommt endlich die schon länger angekündigte überarbeitete Ausgabe der People-Sendung «Glanz & Gloria»? Nach ihrem Amtsantritt versprach Wappler dort mehr Tiefe und Themen abseits von Champagner und Lachsbrötchen.

Die Sportrechte sind ein steiniges Feld. Das SRF ist finanziell limitiert und kann nicht jeden Bieterwettkampf mitgehen, siehe Beispiel «Champions League».

Stars sind am Leutschenbach Mangelware geworden, der Absprung von Publikumslieblingen wie Nik Hartmann (48) schmerzt doppelt. Nun forciert das SRF Aufsteigerinnen wie Fabienne Bamert (32) oder die «Divertimento»-Quereinsteiger Jonny Fischer (40) und Manu Burkart (42).

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