Der Barbie-Film läuft an
Was die Farbe Pink mit Sex zu tun hat

Endlich läuft in der Schweiz der Barbie-Film an und damit eine Orgie in Pink. Warum Pink eine vielschichtig verwendbare Farbe ist, an der sich gesellschaftliche Trends ablesen lassen, und was das alles mit Sex zu tun hat.
Publiziert: 19.07.2023 um 11:20 Uhr
|
Aktualisiert: 19.07.2023 um 14:38 Uhr
tschuiquer.jpg
Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Am 20. Juli startet in der Schweiz der «Barbie»-Film. Sie wissen schon: die Plastikpuppe mit den blonden Haaren, blauen Augen, einer anatomisch unmöglichen Figur und vornehmlich pinken Outfits, pinken Inneneinrichtungen, Häusern und pinken Plastikautos. Pink, pink, pink – bei den Dreharbeiten wurde fürs Set derart viel pinke Farbe der Schattierung «Fluoreszentes Fuchsia» gebraucht, dass, wie das Architektur-Fachmaganzin «Architectural Digest» berichtete, eine weltweite Knappheit entstand.

Es ist eine seltsame Sache mit dieser Farbe. Zum einen steht sie für mädchenhafte Unschuld, zumindest, wenn man den Verkaufs- und Marketingabteilungen global tätiger Kinderbekleidungs- und Spielwarenfirmen glaubt. Wer in den letzten, sagen wir, 15 Jahren Kinder grossgezogen hat oder es jetzt tut, weiss, wie sehr kleine Mädchen auf pink und rosarot in allen Schattierungen konditioniert werden (und wie sehr kleinen Jungs damit ausgeredet wird, diese Farbe vielleicht auch toll zu finden).

Auf der einen Seite Unschuld – auf der anderen Seite: Sex

Pink ist aber auch eine Farbe, die für Sexualität steht. Nicht im übertragenen, metaphorischen Sinne, sondern ganz konkret: Pink sind unsere Lippen, die sich bei sexueller Erregung stärker durchbluten und somit etwas röter werden, pink sind weibliche (und manchmal auch männliche) Genitalien, pink sind im angelsächsisch-nordisch geprägten Kulturkreis von Europa, USA, Kanada und Australien auch die Brustwarzen der meisten Frauen.

Barbie (Margot Robbie) wird im Film mit Ken (Ryan Gosling) aus der pinken Barbiewelt geworfen …
Foto: Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
1/8

Man kann sich nun eine rosa Brille aufsetzen und sich darüber wundern, dass kleine Mädchen in unserer Gesellschaft so aggressiv darauf konditioniert werden, ausgerechnet diese Farbe das Nonplusultra zu finden. Oder man kann die rosa Brille absetzen und sich angesichts der Durchpornografisierung und Frauenfeindlichkeit unserer Gesellschaft – auf Pornoseiten werden jüngste Mädchen standardmässig als Schlampen bezeichnet – auch nicht darüber wundern, sondern einen Zusammenhang vermuten. Das Aufkommen des Internets, mit dem Pornografie allzeit verfügbar wurde, und der Trend, dass die Farbe pink und rosarot von Marketingfirmen zunehmend als das Nonplusultra für kleine Mädchen verkauft wird, hat jedenfalls ziemlich gleichzeitig begonnen: vor rund fünfzehn bis zwanzig Jahren.

Rebellen kleiden sich in pink, harte Kerle auch

Pink steht aber auch für Rebellentum, zumindest was Kleidung betrifft. Schon im US-Kultfilm Grease aus dem Jahr 1978 sind die «Pink Ladies», eine Gruppe von High-School-Studentinnen, die sich in ihrem «Club» mit rosa Jacken gegen andere Studentinnen abgrenzen, weit davon entfernt, Unschuld zu verkörpern. Im Gegenteil: «Pink-Ladies»-Anführerin Rizzo (Stockard Channing) hat sogar Sex mit ihrem Freund und befürchtet, schwanger zu werden – und das Ganze spielt Ende der 1950er-Jahre.

Die Farbe wird trotz oder vielleicht wegen aller Assoziation mit mädchenhafter Unschuld in jüngerer Zeit auch wieder männlich vereinnahmt, um eine ultrakrasse Männlichkeit zu demonstrieren. In jüngerer Zeit tragen Rapper, die ambivalente Farbe Pink als Statement – und performen gleichzeitig ultrasexuelle oder frauenfeindliche Lyrics, die in einem Familien-Sonntags-Magazin nicht wiedergegeben werden können.

Exemplarisch steht wohl auch Rammstein-Sänger Till Lindemann (60) mit seiner teilweise faschistoiden Ästhetik für diese seltsame Art ultrahart zelebrierter Männlichkeit, die sich in zartes Pink hüllt. Singen tut er von Rohypnol im Glas, das eine Frau ausknockt, damit man ihr ungestört beischlafen, respektive sie vergewaltigen kann, hüllen tut er sich auch schon mal in vollem Ekel-Make-up in einen kuschlig-pinken Flauschemantel. Als wolle er sagen: Ich bin so krass ultrahart, dass ich sogar was Mädchenhaftes anziehen kann und immer noch der härteste Kerl im Universum bin.

Eine vielschichtige Farbe für einen vielschichtigen Film

Pink ist also weit entfernt davon, Unschuld zu verkörpern. Damit passt es wiederum sehr gut zum neuen Barbie-Film. Denn der soll ziemlich vielschichtig sein. Erste Kritiker sind begeistert vom Film, der nicht nur eine lustige Komödie, tolles Setdesign und glänzende schauspielerische Leistungen von Margot Robbie (32) als Barbie und Ryan Gosling (42) als Ken vereinen soll, sondern gleichzeitig auch als intelligente Kulturkritik funktionieren soll.


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?