Tochter Jenny spricht über Udo Jürgens
«Der schnelle Tod war ein Geschenk für Papa»

Zum zweiten Todestag von Udo Jürgens (†80) gibt es eine grosse TV-Show. Im Interview mit BLICK verrät Tochter Jenny (49), wie der legendäre Entertainer als Vater war. Und wovor er sich am meisten fürchtete.
Publiziert: 21.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:41 Uhr
Jenny ist die Tochter von Udo Jürgens und seiner ersten Frau Erika «Panja» Meier, mit der er von 1964 bis 1989 verheiratet war. Jenny Jürgens ist Schauspielerin («Rote Rosen») und seit 2015 mit einem spanischen Regisseur verheiratet.
Foto: ZVG
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Interview: Dominik Hug

BLICK: Vor zwei Jahren starb Udo Jürgens (†80). Wie präsent ist er als Vater geblieben?
Jenny Jürgens: Sehr präsent. Gestern beispielsweise habe ich mir ein Schinkenbrot mit Essiggurke gemacht. Da dachte ich plötzlich an ihn, weil er das auch so gerne gegessen hatte.

Wann vermissen Sie ihn am meisten?
Da gibt es ganz viele Momente. Udo war ein leidenschaftlicher Restaurantgänger. Wir haben unzählige Abende in Lokalen verbracht, Rotwein getrunken und uns unterhalten. Diese Abende vermisse ich. Oder wenn grosse Ereignisse die Welt durchschüttelten. Dann haben wir stundenlang telefoniert. Die vielen Gespräche waren eine ganz hohe Qualität unserer Beziehung. Papa philosophierte gerne über das «Leben und seine schweren Folgen», wie er es nannte.

Haben Sie mit ihm auch über den Tod gesprochen?
Ja. Aber das war ein sehr sensibles Thema. Ich glaube, dass Kinder generell nicht gerne mit den Eltern übers Sterben reden. Udo hatte in den letzten Jahren eine starke Alterssentimentalität entwickelt. Er merkte ganz klar, dass der Blick nach vorne kürzer wird. Und das stimmte ihn sehr traurig.

Stand er deshalb bis zum Schluss auf der Bühne, weil er sich eben bis zuletzt ans Leben klammerte?
Die Musik, die Konzerte – das war sein Lebenselixier. Aber er wollte nicht als Tattergreis im Scheinwerferlicht enden. Er sagte oft, dass er sofort aufhören würde, wenn es peinlich werden sollte. Ich glaube nicht, dass er gewusst hat, dass er so schnell sterben wird. Aber er hat wohl geahnt, dass er diese riesigen Tourneen nicht mehr lange so würde meistern können.

Sein Tod am 21. Dezember 2014 kam dennoch überraschend.
Oh ja. Und ich denke, dass dieser schnelle Tod ein Geschenk für ihn war. Udo durfte gehen, ohne zu leiden. Seine grösste Angst war es, einen Schlaganfall zu haben und dann noch jahrelang unwürdig dahinzusiechen. Als Kind beobachten zu müssen, wie ein Elternteil immer mehr verschwindet, ist einfach nur entsetzlich.

Was kommt nach dem Tod?
Nichts. Udo war Atheist. Ich bin es ebenfalls. Da hat seine Erziehung hundertprozentig Früchte getragen. Ich habe meinen Vater auf dem Totenbett gesehen. Da war nichts mehr. Das Licht war erloschen. Aber Udo lebt trotzdem weiter. In unseren Herzen. In unseren Erinnerungen. Zum Glück haben wir sein unfassbar grosses Werk zum Andenken. Das ist so viel mehr, als von den meisten Menschen bleibt. Was mich mit grosser Dankbarkeit erfüllt.

Welche anderen Eigenschaften haben Sie von ihm mitbekommen?
Ein hohes Mass an Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Diese drei Dinge sind bei mir schon fast schmerzlich ausgeprägt.

Wo ticken Sie anders?
Ich bin sehr handfest und alltagstauglich. Ich marschiere gerne durch den Matsch. Udo hingegen hatte einen Grossteil seines Lebens in Hotels verbracht. Glühbirnen zu wechseln, war nicht sein Ding.

Er sagte einst, dass er kein guter Vater gewesen sei. Wie beurteilen Sie seine Vaterqualitäten?
Was bedeutet es denn, ein guter Vater zu sein? Ist das einer, der sich durch viel Präsenz auszeichnet? Ich will darüber nicht richten. Natürlich hat Udo viele wesentliche Momente unseres Lebens verpasst. Er war nicht die Art Vater, der uns jeden Morgen den Schoppen gab und die Windeln wechselte.

Sondern?
Wir lebten ständig in einem Zyklus: Papa geht auf Tournee, dann macht er eine Platte. Dann geht er wieder auf Tournee. Das alles hatte für ihn oberste Priorität. Wir kannten ihn auch nie anders. Aber die Zeit, die wir dann doch zusammen verbracht haben, war überaus intensiv, sein Umgang mit uns Kindern liebevoll. Wir konnten uns auf ihn verlassen. Er war eine ruhige und sichere Instanz. Wenn wir ihn brauchten, war er für uns da. Und das ist doch das Wichtigste. Ich glaube nicht, dass ein Mann so erfolgreich sein kann wie er, wenn er gleichzeitig ständig zu Hause auf die Kinder aufpassen muss. Das ist einfach nicht möglich.

War er streng?
Im Gegenteil! Er führte uns nicht mit Verboten, sondern mit Verständnis. Udo war ja selbst sehr antiautoritär. Und das war für uns Kinder natürlich toll. Auch wenn uns etwas Strenge bisweilen gutgetan hätte. Doch mein Vater war kein konfliktfähiger Mann.

Haben Sie nie unter seinem Ruhm gelitten?
Ach, das wäre doch Jammern auf hohem Niveau. Natürlich ist der Schatten meines Vaters riesig, ich werde ihn nie hinter mir lassen können. Und das habe ich schon sehr früh erkannt und akzeptiert. Nur schon wegen meines eigenen Seelenheils. Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch.

Das heisst?
Auch wenn ich mir meine eigene Karriere aufgebaut habe, wusste ich immer, dass mein Vater ein wesentlicher Grund dafür ist, weshalb man mich kennt. Und dass ich ihn bisweilen auch benutzt habe, um bekannt zu werden. Ich hätte mich ja auch Hösendödel nennen und durch Kleintheater tingeln können. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte Jenny Jürgens heissen, also muss ich auch die Konsequenzen tragen.

Welches ist eigentlich Ihr Lieblingslied von Udo?
«In allen Dingen lebt ein Lied» berührt mich noch immer sehr. «10 nach 11» finde ich ebenfalls wahnsinnig schön. «Einfach ich» treibt mir jeweils das Wasser in die Augen. Die kann ich nur hören, wenn ich in wirklich guter Verfassung bin.

Verraten Sie uns Ihre Lieblingserinnerung?
Diese Nacht vor zwölf Jahren, als er in Köln den Deutschen Fernsehpreis bekam. Nach der Show hatte er einen Riesenhunger. Wir fuhren im Taxi zu einer Wurstbude irgendwo am Stadtrand. Papa trug einen Smoking, ich ein Abendkleid. Der Chef dort ist fast umgekippt, als wir um zwei Uhr früh reinkamen. Ich muss heute noch lachen, wenn ich so unbedeutende Promis mit Bodyguards sehe. Die hatte mein Vater nie gebraucht. Er war sehr nahbar. Er war nie arrogant mit Leuten. Und das haben sie an ihm auch so geliebt.

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