Durchzogener Start für die neue SRF-Sex-Serie
Hiebe für die «Seitentriebe»

Gestern Montag startete die neue SRF-Serie «Seitentriebe» von Güzin Kar (jeweils als Doppelfolge ab 20.10 Uhr auf SRF zwei). Noch sind die Figuren nicht in den Herzen der Zuschauer angekommen und manche Charaktere nerven schlicht und einfach.
Publiziert: 26.02.2018 um 23:42 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:00 Uhr
Jean-Claude Galli

Die Messlatte lag hoch. «Ich will im Bett nicht die ‹Dargebotene Hand›. Ich will eine Wildsau, die mich auffrisst», klagte eine Frau im Trailer zur intensiv beworbenen neuen SRF-Serie «Seitentriebe» von Güzin Kar. Gestern Montag liefen die ersten zwei Folgen.

Das erwartete Feuerwerk an Schlüpfrigkeiten blieb jedoch aus. Zur Story: Nele (Vera Bommer) und Gianni (Nicola Mastroberardino) sind seit exakt zehn Jahren verheiratet, im Bett herrscht – hier passts für einmal wunderbar – tote Hose. Ausgerechnet bei der Party zum Ehejubiläum naht die Verführung: Davorka (Anne Haug), eine Arbeitskollegin von Nele, bringt Flyer für ein Seitensprung-Portal mit. Gianni und auch sein «Buddy» Heinz (Leonardo Nigro) sind fasziniert. «Was wollen die Frauen so? Suche Mann mit 25 Zentimeter Humor?», fragt Heinz, der den biederen Schweizer Durchschnittstyp mimt.

Der Paartherapeut ist der Zuschauer

Erfahrene Comedy-Zuschauer ahnen bereits, was folgt. Nele und Gianni melden sich natürlich beide heimlich bei www.siitesgump.ch und werden einander vorgeschlagen. Ebenso natürlich zieht dies einen wüsten Streit nach sich – Gianni flüchtet. In wessen Arme ist klar.

Ruhe vor dem Sturm: Nicola Mastroberardino als Gianni und Vera Bommer als Nele sind seit zehn Jahren verheiratet, Sex haben sie allerdings schon lange keinen mehr.
Foto: Nikkol Rot
1/8

Höchste Zeit für den Besuch beim Paartherapeuten. Der Mann heisst Dr. Bernhard Stocker-Birrer, in Tat und Wahrheit nimmt aber der Zuschauer die Rolle ein, Nele und Gianni sprechen frontal in die Kamera.

Fleischkäse lässt irren Sohn durchdrehen

Das schwerste Handicap von «Seitentriebe»: Vieles ist vorhersehbar. Und wo unsicher ist, ob der Zuschauer begreift, wird völlig übertrieben. Anderes wirkt schlicht unplausibel. Der irre 15-jährige Sohn von Heinz und seiner Gattin Monika (Wanda Wylowa), Timo (Jérôme Humm), macht auf Vegetarier und verletzt seinen Vater mit der Gabel, als er Fleischkäse essen soll. Daneben ist er derart in Nele verliebt, dass er telefonisch eine Bombendrohung durchgibt, damit Nele ihre Arbeit unterbrechen und einen Vorstellungstermin wahrnehmen kann.

Gianni will ein Kind, Nele ist entsetzt

Folge 2 endet auf der Couch von Stocker-Birrer. Gianni will ein Kind, Nele ist entsetzt. Solch starke Gefühle kann «Seitentriebe» beim Zuschauer nicht auslösen, weil sich die Figuren bloss mässig entwickeln und nicht ans Herz wachsen. Steigerungspotenzial ist aber da, besonders beim topbesetzten dritten und ältesten Paar, Clara (Sunnyi Melles) und Anton (Peter Jecklin). Es scheint verliebt wie am ersten Tag, bis klar wird, dass Clara in Bars junge Typen aufreisst. Das ist überraschend und unterhaltend, bitte mehr davon. Geglückt ist auch die Songauswahl, das Titelthema hat der Berner Tobias Jundt komponiert.

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Sex ohne Risiko

Kommentar von People-Redaktor Jean-Claude Galli

Was will die neue SRF-Serie «Seitentriebe»?

«Sie beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Liebesleben in Langzeitbeziehungen», sagt der Pressetext. Nennen wir es doch beim Namen: Es geht um Sex, die Trumpfkarte, wenn es darum geht, Quote zu machen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Neugierde zu wecken. Das Publikum folgt seinem Trieb, erwartet explizite Handlungen und will wissen, wer sie sich weshalb ausgedacht hat.

Die Urheberin, Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Güzin Kar, hält sich dazu in Interviews bedeckt. Das ist ihr gutes Recht. Doch gleichzeitig ist es irritierend, weil sie vermutlich weiss, dass ein Spitz nervös wird, wenn der Metzger mit der Wurst wedelt. Natürlich muss ein Krimischreiber nicht Mörder sein, um zu reüssieren. Doch starke Filme wie der für fünf Oscars nominierte «Lady Bird» von Greta Gerwig strotzen vor autobiografischen Bezügen.

Als der Sendetermin der Serie feststand, wurden die Aufmerksamen hellhörig. Ist es für das SRF nicht riskant, fragten sie sich, eine knappe Woche vor der No-Billag-Abstimmung Schlüpfrigkeiten zu servieren? Sie vermuteten, zarte Gemüter könnten sich darüber aufregen und doch noch ein Ja in die Urne legen. Die Antwort ist eindeutig Nein, zumal die «Seitentriebe» (absichtlich?) der vollen Aufmerksamkeit entzogen und auf SRF zwei «parkiert» wurden.

Der Reihe fehlt schlicht die Härte, um viele gegen sich aufzubringen. Und es mangelt ihr an Freizügigem, um Voyeuristen anzulocken. Formate wie «Naked Attraction» auf RTL II sind da ehrlicher. Aber plumper und bei einem öffentlich-rechtlichen Sender fehl am Platz.

Kommentar von People-Redaktor Jean-Claude Galli

Was will die neue SRF-Serie «Seitentriebe»?

«Sie beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Liebesleben in Langzeitbeziehungen», sagt der Pressetext. Nennen wir es doch beim Namen: Es geht um Sex, die Trumpfkarte, wenn es darum geht, Quote zu machen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Neugierde zu wecken. Das Publikum folgt seinem Trieb, erwartet explizite Handlungen und will wissen, wer sie sich weshalb ausgedacht hat.

Die Urheberin, Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Güzin Kar, hält sich dazu in Interviews bedeckt. Das ist ihr gutes Recht. Doch gleichzeitig ist es irritierend, weil sie vermutlich weiss, dass ein Spitz nervös wird, wenn der Metzger mit der Wurst wedelt. Natürlich muss ein Krimischreiber nicht Mörder sein, um zu reüssieren. Doch starke Filme wie der für fünf Oscars nominierte «Lady Bird» von Greta Gerwig strotzen vor autobiografischen Bezügen.

Als der Sendetermin der Serie feststand, wurden die Aufmerksamen hellhörig. Ist es für das SRF nicht riskant, fragten sie sich, eine knappe Woche vor der No-Billag-Abstimmung Schlüpfrigkeiten zu servieren? Sie vermuteten, zarte Gemüter könnten sich darüber aufregen und doch noch ein Ja in die Urne legen. Die Antwort ist eindeutig Nein, zumal die «Seitentriebe» (absichtlich?) der vollen Aufmerksamkeit entzogen und auf SRF zwei «parkiert» wurden.

Der Reihe fehlt schlicht die Härte, um viele gegen sich aufzubringen. Und es mangelt ihr an Freizügigem, um Voyeuristen anzulocken. Formate wie «Naked Attraction» auf RTL II sind da ehrlicher. Aber plumper und bei einem öffentlich-rechtlichen Sender fehl am Platz.

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