Rainer Maria Salzgeber (48) moderiert die Nati-Spiele
«Bei der russischen Hymne bekomme ich Hühnerhaut»

Im Interview mit SonntagsBlick spricht SRF-Moderator Rainer Maria Salzgeber über die WM-Chancen der Schweiz und den künftigen Weltmeister.
Publiziert: 14.06.2018 um 17:06 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:02 Uhr
Bereits zum sechsten Mal für SRF bei einer Weltmeisterschaft dabei: Rainer Maria Salzgeber.
Foto: SRF/Oscar Alessio
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Jean-Claude Galli

In einer Woche geht es für die Nati mit dem Spiel gegen Brasilien los. SRF-Moderator der Schweizer Spiele vor Ort ist Rainer Maria Salzgeber (48). SonntagsBlick hat sich mit dem Walliser vor dessen Abflug nach Russland über das fehlende WM-Fieber, Putin, Patriotismus und perfekte Fussball-Songs unterhalten.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Aufgebot von Vladimir Petkovic, Herr Salzgeber?
Rainer Maria Salzgeber:
Ich denke, er hat die richtigen Leute dabei. Es ist absolut logisch, wie er ausgewählt hat. Er hat eine Idee und eine Philosophie im Kopf, von der er sich nicht abbringen lässt. Im modernen Fussball sind die Leute physisch und taktisch so nahe beieinander. Du kannst nur Grosses vollbringen, wenn du ein Team bist, wenn du einen Spirit hast. Fussballerisch ist es das talentierteste Team, das wir je hatten. Das mag stimmen, aber die Nati hatte resultatmässig noch nie einen Exploit. Einen solchen kannst du nur schaffen, wenn du Leute hast, die zusammenpassen und füreinander durchs Feuer gehen. Mit elf Ich-AGs kannst man nicht Weltmeister werden.

Was heisst das konkret für ­unser Team?
Petkovic nimmt beispielsweise Haris Seferovic nicht einfach so mit, weil er ein guter Typ ist, sondern weil er in sein Puzzle passt. Warum verzichtet er auf Kevin Mbabu? Weil er schon drei Spieler auf dieser Position hat und Mbabu die internen Strömungen nicht kennt. Auch an einer WM brauchst du nicht 23 Spieler auf dem Feld, spielen werden nur 15 oder 16. Trotzdem sind alle wichtig, jeder hat seine Rolle im Kollektiv. Wenn du dich zum Beispiel bloss 20 Sekunden lang mit Gelson Fernandes unterhalten hast, weisst du ganz genau, was er dieser Mannschaft als Persönlichkeit auch abseits des Platzes bringen kann.

In der Schweiz beklagen viele das fehlende WM-Fieber. Wie sehen Sie das?
Wenn man schöne Dinge immer wieder erlebt, werden sie zur Gewohnheit. Die Schweiz ist als so kleines Land zum vierten Mal in Folge an einer WM-Endrunde dabei, das ist gigantisch. Spätestens wenn die Schweiz gegen Brasi­lien spielt, sind alle Fans der Nati. Und der Kalender ist so eng. YB-Fans etwa sind im Kopf immer noch bei der Meisterschaft. Schliesslich kommt dazu, dass die WM in Russland stattfindet. Das lässt sich schwieriger vermitteln als eine WM in Brasilien.

Auch weil die Politik eine Rolle spielt?
In den Stadien wird alles perfekt organisiert sein, farbenfroh, stimmungsvoll, da bin ich mir sicher. Es macht für mich persönlich keinen Sinn, mich in der Öffentlichkeit über andere Dinge wie die Situation rund um Putin zu äussern. Dafür gibt es Korrespondenten, die Russland viel besser kennen, in unserem Fall Christof Franzen. Meine Aufgabe ist es, das Fussballerische einzuschätzen.

Ist es als Moderator ­einfacher, die Nati zu ­beurteilen, als den Klubfussball?
Ich bin ein Spezialfall. Ich habe mein Klubherz vor langer Zeit an einen Spieler verloren, an den Torhüter Erich Burgener. Der kommt aus dem gleichen Dorf wie ich, ist verwandt mit mir. Er war mein Idol, und es ist unbezahlbar für einen kleinen Buben, wenn ein Idol nicht bloss ein Poster an der Wand ist, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Bei der Moderation der Nati darfst du schon auch ein wenig mitfiebern, aber nicht ein Wir-Gefühl entstehen lassen. Ich muss eine distanzierte Nähe haben, damit ich fachliche Kritik üben kann. Auf anständige Art und Weise. Ich kritisiere nie Menschen, sondern Leistungen. Ein Journalist ist kein Freund der Spieler, er muss Fragen stellen.

Fussball funktioniert über Emotionen, die Musik gehört auch dazu. Ihr liebster Fussball-Song
«Football’s Coming Home» für die EM 1996. «Bring en hei» von Baschi finde ich auch toll. Und es gab 1998 in Frankreich den Titel «Carnaval de Paris» von Dario G. Was aber über allem steht, ist «You’ll Never Walk Alone».

Und was halten Sie von DJ Antoines Lied?
Viele Songs tönen heute so. Aber lassen Sie mich punkto Musik noch etwas zur russischen Nationalhymne sagen. Wenn die bei Sportanlässen abgespielt wird, drehe ich stets den Fernseher lauter. Das ist die traurigste und schönste Hymne zugleich, ich bekomme gleich ein wenig Hühnerhaut (zeigt auf seinen Arm). Diese Melodie widerspiegelt meinen Eindruck vom Land. Die ganze Bandbreite von Enthusiasmus bis ­Melancholie. Ich freue mich sehr, diese Hymne in Russland erleben zu dürfen. Haben Sie sie im Kopf (beginnt zu singen)?

Jetzt konkret: Wie weit kommt die Nati – und wer wird Weltmeister?
Die Achtelfinal-Quali muss der Anspruch sein. Gegen Brasilien ist alles möglich, von 0:6 bis 1:0. Die Serben sind schwierig, sie sind eine extreme Stimmungsmannschaft. Costa Rica kennt man nicht so genau. Was ich zum Weltmeister sagen kann: Ich glaube nicht an eine Überraschung, es wird einer aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen, einer der grossen Namen. Gewettet oder getippt habe ich übrigens nicht.

Das Panini-Album haben Sie aber schon voll...
Mir fehlen noch genau 17 Bilder.

Rainer Maria Salzgeber

Rainer Maria Salzgeber wurde 1969 geboren und ist in Raron VS aufgewachsen. Als Fussballer stand er während zwei Saisons beim FC Brig im Tor. «Ich wäre zwar lieber Nati-Goalie statt Nati-Moderator geworden, es hat aber nicht gereicht.» Er habe dennoch einen Traumjob. Die kommende WM ist bereits seine sechste fürs SRF. Salzgeber ist Mitbesitzer des Restaurants Baracca Zermatt in Kloten ZH. Mit Ehefrau Chantal hat er zwei Kinder: Cloé und Jascha.

Valeriano Di Domenico

Rainer Maria Salzgeber wurde 1969 geboren und ist in Raron VS aufgewachsen. Als Fussballer stand er während zwei Saisons beim FC Brig im Tor. «Ich wäre zwar lieber Nati-Goalie statt Nati-Moderator geworden, es hat aber nicht gereicht.» Er habe dennoch einen Traumjob. Die kommende WM ist bereits seine sechste fürs SRF. Salzgeber ist Mitbesitzer des Restaurants Baracca Zermatt in Kloten ZH. Mit Ehefrau Chantal hat er zwei Kinder: Cloé und Jascha.

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