Serien-Wahnsinn bei der SRG – Produktionsverdoppelung bis 2023
Jetzt kommt auch noch das Tessiner «Wilder»

Die Schweiz im Serienfieber: Trotz Spardruck will SRG-Generaldirektor Gilles Marchand jetzt auch noch eine aufwendige Tessiner Serie lancieren. Langsam wird es zu viel, finden Insider.
Publiziert: 01.12.2019 um 19:01 Uhr
Trotz Spardruck will der SRG-Generaldirektor Gilles Marchand auf eine aufwendige Tessiner Serie setzen.
Foto: Thomas Meier
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von Peter Padrutt und Jean-Claude Galli

Der SRF-Serienwahn erreicht die Sonnenstube: Eigentlich müsste Gilles (57) Marchand massiv sparen. Einerseits dünnt er beim Programm und beim Personal aus. Doch bei Serien kennt der SRG-Chef gar nichts. Bis 2023 will er die Herstellung solcher teurer fiktionaler Inhalte von vier auf acht Produktionen jährlich glatt verdoppeln. Sein neuster Coup: «Wir wollen auch im Tessin eine Serie produzieren und haben dazu aufgerufen, Projekte einzureichen», kündigte er neulich in einem Tamedia-Interview an.

BLICK-Recherchen ergaben jetzt: Fünf Projekte wurden im Tessin zur Weiterentwicklung ausgewählt. In der Jury sassen Leute von RSI, aber auch vom staatlichen italienischen Fernsehen RAI. Ziel ist eine sechsteilige Serie, die das Leben im Tessin und die Realität widerspiegelt. Sie soll linear und online im Tessiner Fernsehen RSI ausgestrahlt werden. Insider sagen, die Serie soll neben schönen Landschaftsbildern à la «Wilder» auch aktuelle Themen wie Grenzgänger-Problematik, Schmuggel, Glücksspiel oder Tourismus behandeln. Eben das, was typisch fürs Tessin ist.

Oft floppen Serien auch

Dabei hat die SRG ein ganz und gar nicht fiktionales Problem: Nach No Billag musste Gilles Marchand 100 Millionen Franken sparen – und für 2020 muss er nochmals 50 Millionen kürzen. Inzwischen wird bei TV-Profis Kritik laut, der Geldhahn stehe bei der SRG in Sparzeiten zu weit offen und das Geld sprudle nur so in Serien.

Bei gut laufenden Reihen wie dem «Bestatter», die 714'000 Franken pro Folge kostete, mochte das noch Sinn machen. Bei der im Januar wieder startenden Serie «Wilder» (750'000 Franken pro Episode) ebenfalls. In die Nachkriegsserie «Frieden», die bereits abgedreht wurde, setzt man grosse Hoffnungen. Andere Serien dagegen waren weniger erfolgreich, wie das Web-Produkt «Nr. 47» oder Güzin Kars «Seitentriebe» (rund 273'000 Franken pro Folge), die das grosse Publikum nicht fanden.

Serien sind der letzte Schrei

Nur: Marchand glaubt, dass man mit Serien das Publikum nahe an sich binden kann – trotz enormer ausländischer Konkurrenz der Streaming-Dienste. Man könne sie auch in anderen Sprachregionen ausstrahlen. Das soll die Sprachregionen verbinden. Überhaupt, so wird überall postuliert, ist der serielle Konsum von Fiktion der letzte Schrei.

«Ich schätze, dass es zwischen 2021 und 2023 noch weitere 50 Millionen Franken sind, die die SRG möglicherweise einsparen muss», sagte Marchand im Interview ebenfalls. «Die SRG ist nicht mehr, wie sie einmal war, und sie wird sich noch weiter verändern. Sie befindet sich in einem nie da gewesenen Reformprozess», meinte Marchand.

Die Frage ist, ob die Serien-Junkies der SRG bald auf Entzug gesetzt werden müssen. Früher zeigte SRF alle paar Jahre eine fiktionale Reihe. Jetzt kommen sie inflationär. Dabei kann man auch mit 90-Minuten-Filmen durchaus noch erfolgreich sein. Den Zweiteiler «Dynastie Knie – 100 Jahre National-Circus» schauten sich 618'000 respektive 561'000 Zuschauer an. Vielleicht wäre es sinnvoller, mehr auf kürzere Produktionen zu setzen als Salto Mortale zu betreiben.

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