Auf dem Bildschirm übernehmen Frauen die Ermittungen, in der Realität sind sie eine kleine Minderheit
Der «Tatort»-Schwindel

Carol Schuler und Anna Pieri Zuercher ersetzen Stefan Gubser und Delia Mayer beim Schweizer «Tatort». Dass zwei Kommissarinnen zusammen Verbrechen aufklären, ist ein Fantasiekonstrukt. In der Realität sind sie eine kleine Minderheit.
Publiziert: 27.05.2019 um 14:42 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2019 um 16:09 Uhr
Patricia Broder und Jean-Claude Galli

Schweizer «Tatort»-Fans reiben sich immer noch verwundert die Augen. Vorgestern Mittwoch präsentierte SRF das neue Ermittler-Duo, welches aus zwei Frauen besteht. Die Winterthurerin Carol Schuler (32) und die welsche Anna Pieri Zuercher (40) gehen ab 2020 als Tessa Ott und Isabelle Grandjean auf Verbrecherjagd und ersetzen Stefan Gubser (61) und Delia Mayer (52). Diese erstaunliche Umbesetzung passt zum harten Schnitt, der mit dem schon länger kommunizierten Schauplatzwechsel von Luzern nach Zürich einhergeht. «Wir wollen ein modernes Zürich zeigen», erklärt SRF-Fiktionsleiter Urs Fitze (61) die einschneidenden Veränderungen. «Wir möchten nicht mehr so stark an der Realität kleben, sondern uns mehr Freiheiten nehmen und dem fiktionalen Erzählen grösseren Platz einräumen.»

Die aktuelle Situation bei der Kantonspolizei Zürich zeigt denn auch: Mit der Wirklichkeit hat ein rein weibliches Duo wenig zu tun. Weibliche Ermittler seien in Zürich in der Minderheit, bestätigen die Behörden: «Die rund 20 Mitarbeiter, die bei der Kapo Zürich in Tötungsdelikten ermitteln, wie das die Kommissarinnen im ‹Tatort› tun, sind Feldweibel mit besonderen Aufgaben», sagt deren Mediensprecherin Rebecca Tilen (37). «Davon sind ein Fünftel Frauen. Generell arbeiten bei der Kapo Zürich zirka 20 Prozent Frauen.»

«Zwei Frauen sind unwahrscheinlich»

Der Zürcher Detektiv Patrick Kurtz (29) weiss: «Ich habe in meiner ganzen Tätigkeit noch nie ein Ermittlerteam gesehen, das aus zwei Frauen bestand. Meistens sind zwei Männer zusammen im Einsatz, ab und zu ein Mann und eine Frau, aber zwei Frauen sind sehr unwahrscheinlich.»

Das neue «Tatort»-Duo: Carol Schuler (l.) und Anna Pieri Zuercher gehen ab 2020 in Zürich als Tessa Ott und Isabelle Grandjean auf Verbrecherjagd.
Foto: Pius Kollery
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Dasselbe gelte übrigens in der Privatdetektiv-Branche, so Kurtz. Aus triftigem Grund: «Die beiden Branchen bauen aufeinander auf. Viele Ermittler der Privatwirtschaft waren vorher bei der Polizei. Hat man dort eine hohe Männer-Quote, bedeutet das automatisch auch eine hohe Männer-Quote bei den Detektiv-Büros.»

Quote ist König

Warum aber setzt SRF nun dennoch auf dieses eigentlich realitätsferne Modell? Ganz einfach: Die Quote ist König. «Die Kommissarinnen sind bei den Zuschauern sehr erfolgreich», heisst es auf der «Tatort»-Seite der ARD auf die Frage, warum es so viele weibliche Ermittlerinnen gibt. Die Fernbedienung hat immer recht.

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