Krimikolumne Tatort
Zu früh 
gegähnt

Schauspielerin Katharina Marie Schubert läuft im Stuttgarter Tatort zum Schluss zu Hochform auf - und rettet so die oft allzulange Chose.
Publiziert: 19.05.2019 um 19:13 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:05 Uhr
Silvia Tschui

Gäähn, denkt man am Anfang 
des Stuttgarter «Tatorts». Da sitzt eine biedere Mutter, wohl so Ende 40, im Verhör, mit mausigem Haarschnitt und unförmigem wein­rotem Pulli, und das Verhör ist erst noch zähflüssig. Zwei pflegebedürftige alte Männer sind unter ungeklärten Umständen gestorben. Beider Pflegerin: das biedere Mami im weinroten Pulli.

Ui nei, denkt man weiter, weil so klar gezeigt wird, wie schnell das Leben einer stinknormalen Frau aus dem Ruder laufen kann: Kind vom falschen Mann, überfordert allein erzogenes Kind wird zum missratenen Teenager, missratener Teenager klaut Geld, das später fehlt, überfordertes Mami muss irgendwie über die Runden kommen – und hätte doch so gern, dass aus dem Spross doch noch etwas wird. Und natürlich auch, dass die Nachbarn von der ganzen Missratenheit nichts mitbekommen.

Wääh, denkt man gegen Ende, und: wie ungerecht doch die Welt ist und wie ausgeliefert Frauen 
in der Pflege ihren Patienten sein können. Und wie verstrickt in ­Abgründe und Fallstricke sich jemand überaus Korrektes plötzlich finden kann, der nichts wollte, als krampfhaft den Schein zu wahren.

Die Stuttgarter Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, li.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) nehmen Anne Werner (Katharina-Marie Schubert) in die Mangel.
Foto: SWR/Maor Waisburd
1/6

Und: Boah, denkt man zuletzt, also wirklich in den letzten fünf Minuten, als sich das biedere Mami im Moment der völligen Nieder­lage mit unmenschlicher Kraft ­einen letzten Funken an Würde ­bewahrt. Man denkt das in Bezug auf die schauspielerische Leistung von Katharina Marie Schubert, welche die titelgebende Mutti Anne spielt. Und man schämt sich ein bisschen dafür, dass man zuvor so oft ans Ausschalten gedacht und gegähnt hat. 

Tatort «Anne und der Tod», 
20.05 Uhr, SRF 1
Drei Sterne von fünf.

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