25 Jahre Ja zur Alpen-Initiative
Tanzender Landammann hofft auf die Jungen

Am 20. Februar 1994 tanzte der Urner Landammann Hansruedi Stadler an der Siegesfeier zur Alpen-Initiative. Heute gilt sein «Jüpelidü» den Jungen, die sich für mehr Klimaschutz einsetzen, und allen Politikern, die noch mehr LKW von der Strasse auf die Schiene holen.
Publiziert: 19.02.2019 um 06:55 Uhr
Am 20. Februar 1994 mussten der damalige SVP-Verkehrsminister Adolf Ogi (76, links) und der frühere FDP-Wirtschaftsminister Jean-Pascal Delamuraz (†62) eine herbe Niederlage einstecken.
Foto: Keystone
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Andrea Willimann
Andrea WillimannBundeshaus-Redaktorin

«Zoge am Boge de Landamme tanzäd»: Morgen sind es 25 Jahre her, seit der damalige Urner Landammann und spätere Ständerat Hansruedi Stadler (CVP, 65) mit seinem legendären Tanz den Sieg der Alpen-Initiative feierte und «wie dr Tiifel d’Tili dure gschwanzäd isch». Er löste damals das Versprechen ein, dass er das Tanzbein schwingt, wenn es zu aller Überraschung zu einem Volks-Ja kommt.

Dem Bild vom Hauptplatz in Altdorf ist ein fester Platz in der Schweizergeschichte sicher. Es steht für die Freude über die 52-Prozent-Ja-Stimmen zum Alpenschutz-Artikel, mit dem das Stimmvolk eine verkehrspolitische Weiche in der Bundesverfassung stellte: «Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene.»

Eine zweite Tanzeinlage zum Jubiläum gibt es aber nicht, wie der fitte Urner zu BLICK sagt: «Sicher nicht! Jeder Kopie fehlt die Seele des Originals.» Seine Frau Esther und er tanzten aber weiterhin im privaten Kreis: «Wir üben jede Woche, damit es beim Salsa-Tanzen noch etwas besser klappt!»

«Tanzä und schwitzä»

Haderte Stadler früher damit, dass seine 22 Jahre als Regierungs- und Ständerat oft auf den Freudentanz von 1994 reduziert wurden, nimmt er die Kollektiv-Erinnerung heute gelassen: «Wir in den Bergen wissen, dass nur etwas in den Kopf geht, wenn es auch in die Beine geht.»

Aber auch politisch gesehen blickt der Urner, der in Altdorf eine Anwaltspraxis betreibt, zufrieden zurück. «Die Alpen-Initiative und der Alpenschutz-Artikel sind eine Erfolgsgeschichte. Ohne sie hätten wir heute am Gotthard exakt die genau gleiche Schwerverkehrsflut wie am Brenner, nämlich jährlich 2 Millionen Lastwagen», so Stadler.

Als ebenso wichtig beurteilt der damalige Gegner des populären Verkehrsministers Adolf Ogi (SVP, 76) die politische Wirkung: «Damals hat man gesagt, dies ist alles eine Utopie und die EU würde dies nie schlucken – sie schluckte es.»

Nach der Verankerung der Verlagerungspolitik in der Verfassung habe die Schweiz Schritt für Schritt die Eckpfeiler für die Umsetzung gesetzt. Mit der Neat seien wichtige Bahnkapazitäten für den Gütertransport geschaffen worden, und mit der Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und den verstärkten Kontrollen gebe es einen wichtigen Hebel für die Verlagerung.

«Nur immer scheen de Wände na»

Dass das Verlagerungsziel 2018 zahlenmässig noch nicht erreicht wurde, ist für das frühere Mitglied der Neat-Aufsichtsdelegation kein Grund zur Sorge. Mit der Erhöhung der LSVA für stark schadstoffausstossende Lastwagen etwa könne man den Schwerverkehr noch effizienter auf die Schiene zwingen.

Ganz zentral ist jedoch für Stadler: «Alpenschutz ist Klimaschutz, und Klimaschutz heisst auch Alpenschutz!» Der Alpenraum sei ein sehr verletzlicher Lebensraum, wenn man an die extremen Wetterlagen oder das Schmelzen des ewigen Eises denke. «Es ist völlig verantwortungslos, wie der Nationalrat in der letzten Session das CO2-Gesetz versenkt und damit einen klimapolitischen Scherbenhaufen erzeugt hat», kritisiert er.

Ebenso fehlt Stadler das Verständnis für den weiteren Strassenausbau: Mit Wettrüsten würden keine Probleme gelöst. «Wir brauchen nicht mehr Mobilität auf der Strasse, sondern ab und zu mehr Mobilität im Kopf der Politikerinnen und Politiker.»

«Hitä tanzäd dr Jung und dr Alt»

Einen Hoffnungsschimmer aber sieht der Urner: «Die Zivilgesellschaft akzeptiert von der Politik nicht mehr alles.» Die Lancierung der Gletscher-Initiative sei ein Lichtblick. Auch das Engagement der klimastreikenden Jugendlichen freut Stadler sehr. «Ihnen allen vertraue ich heute mehr als all jenen Politikerinnen und Politikern, die sich noch schnell vor den Wahlen auch ein Anstrich von etwas grün geben wollen.»

Ein klarer Seitenhieb gegen FDP-Chefin Petra Gössi (43), die am Wochenende ankündigte, ihre Partei klimafreundlicher ausrichten zu wollen. Denn auch 2019 gilt: «Hit wird tanzäd, hit gahts rüüch.»

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