So begründet Ueli Maurer seinen Rücktritt
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Bundesrat hört auf:So begründet Ueli Maurer seinen Rücktritt

44 Jahre Politik
Ein Leben im Dienst der Schweiz

44 Jahre Politik sind genug. Ueli Maurer blieb auch als Bundesrat stets bodenständig – und war doch eine schillernde Persönlichkeit. Eine, die schon immer gern provozierte.
Publiziert: 30.09.2022 um 12:39 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2022 um 13:56 Uhr
2008 wird Ueli Maurer in den Bundesrat gewählt. Die SVP schenkt ihm ein Ferkel zur Wahl.
Foto: Sobli
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Ruedi Studer

Es war ein denkwürdiger Moment, als Ueli Maurer (71) 2008 mit 122 Stimmen in den Bundesrat gewählt wurde. Seine Wahl markierte die Rückkehr der SVP in die Landesregierung und beruhigte die Gemüter nach den monatelangen Wirren, die nach der Abwahl von Christoph Blocher (80) ein Jahr zuvor und dem Rauswurf von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (65) aus der SVP entstanden waren.

Auch Maurers Wahl wurde zur Zitterpartie. Die SVP trat mit einem Doppelticket Blocher/Maurer an. Blocher galt für das Parlament als unwählbar. Maurer, der zuvor als SVP-Präsident die anderen Parteien jahrelang mit Attacken, Provokationen und Wahlerfolgen vor sich her getrieben hatte, als kleineres Übel.

Ein erneuter Coup von links mit Bauernpräsident Hansjörg Walter (79) scheiterte knapp: Mit nur einer einzigen Stimme Unterschied wurde Maurer gewählt – ausgerechnet dank Walters Stimme, der dafür später mit dem Nationalratspräsidium belohnt wurde.

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Politische Ochsentour

Maurer ist in Hinwil ZH aufgewachsen und erwarb nach der obligatorischen Schule das Buchhalterdiplom, was ihm als Finanzminister bis heute zugutegekommen sein dürfte. 14 Jahre lang war er Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes, anschliessend Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten.

Der Zürcher hat eine politische Ochsentour hinter sich. Sie startete schon in den 1970er-Jahren als Gemeinderat von Hinwil. Von dort stieg er Sprosse um Sprosse auf der Politleiter auf: über den Zürcher Kantonsrat ging es weiter in den Nationalrat. Ein Anlauf für die Zürcher Regierung hingegen scheiterte – gegen alt Bundesrat Moritz Leuenberger (75).

Dann das SVP-Präsidium. In seiner Amtszeit wurden zwölf neue Kantonalparteien sowie 600 lokale Sektionen gegründet. Es war der Aufstieg zur heute grössten Partei im Land.

Glücklos als Verteidigungsminister

Bundesrat Ueli Maurer – für Linke und Grüne war das damals ein Schreckensszenario. Ausgerechnet Maurer, der als SVP-Präsident Messerstecher-Inserate und die Schwarze-Schafe-Kampagne zu verantworten hatte. Maurer, der seine politischen Gegner als «Linke und Nette» oder als «Weichsinnige» verhöhnt hatte. Maurer, der Eveline Widmer-Schlumpf als «Verräterin» beschimpft und seinen Vorgänger Samuel Schmid (74) als «klinisch tot» und als «Blinddarm», den man entfernen müsse, bezeichnet hatte.

Doch gerade zu Beginn seiner Amtszeit hielt sich Maurer auffällig zurück und emanzipierte sich immer stärker von Parteiübervater Blocher. Als Verteidigungsminister leistete der Zürcher solide, wenn auch etwas glücklose Arbeit. Er fabulierte von der «besten Armee der Welt», setze sich massiv für die Fusstruppen ein und erkämpfte sich hartnäckig ein höheres Armeebudget. Mit dem Gripen-Nein erlebte er 2014 aber einen Absturz. Sein Image war angeschlagen.

Zwischen Staatsmann und Parteisoldat

Als er Anfang 2016 ins Finanzdepartement wechselte, merkte man ihm eine gewisse Erleichterung an. Fast Jahr für Jahr konnte er Überschüsse präsentieren. Und im ersten Corona-Jahr gleiste er zusammen mit den Banken in Windeseile ein milliardenschweres Finanzpaket für Überbrückungskredite auf.

In den vergangenen Jahren musste er an der Urne aber mehrere herbe Schlappen verkraften. Unternehmensreform III, Stempelsteuer und jüngst die Verrechnungssteuer: Die Linken machten dem Säckelmeister mehrmals einen dicken Strich durch die Rechnung. Zuletzt war er zudem der einsame Rufer, der das Parlament immer wieder eindringlich davor warnte, zu grosszügig Million um Million auszugeben.

Provokationen gehören dazu

Was die Person Maurer betrifft: So richtig schlau wurde man nie aus ihm. Immer wieder fiel er ins parteipolitische Fahrwasser zurück, mäandrierte zwischen seiner Rolle als Staatsmann und seiner Herkunft als Parteisoldat. Mal wirkte er mimosenhaft, etwa mit seinem legendären «kä Luscht», welches er einem Journalisten ins Mikrofon diktierte. Mal zeigte er sich von seiner humorvollen Seite: «Zwei Stimmen mehr, und die SVP hätte mir ihr Vertrauen entzogen, weil ich so viele Stimmen aus anderen Parteien erhalten habe», scherzte er im Dezember 2012 nach seiner mit 148 Stimmen miserablen Wahl zum Bundespräsidenten.

Schwer tat sich Maurer immer wieder mit dem Kollegialitätsprinzip. Meist wusste man, wo Maurer mit seiner Meinung steht, auch wenn er gegen aussen eine andere Haltung zu vertreten hatte. Manchmal tat er dies offenkundig – etwa bei der Abstimmung über die Begrenzungs-Initiative der SVP. Oder in der Pandemie immer wieder mit seiner Kritik an der Corona-Politik des Bundesrats, wobei er mit seinem Auftritt im Trychlerhemd für einen Eklat sorgte.

Maurer ohne Provokationen? Das geht nicht. Das kann er nicht. Für ihn ist sie Teil des politischen Geschäfts. Ganz nach dem Motto, mit dem er sich als abtretender SVP-Präsident zitieren liess: «Die Erfahrung zeigt, dass man mit einer gewissen Provokation am raschesten zum Ziel kommt.» Wie erklärte er doch einst seine Vorgehensweise? «Solange ich Neger sage, bleibt die Kamera bei mir.»

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