Abgesetzter Direktor Henrique Schneider will seinen Job zurück
Kommts heute zum Putsch beim Gewerbeverband?

Nach Plagiatsvorwürfen hatte der Gewerbeverband Henrique Schneider als designierten Direktor abberufen. Dieser wehrt sich. Nun tobt im Verband ein Machtkampf. Der Rechtsaussenflügel will seinen Einfluss ausbauen, die Gemässigten halten dagegen.
Publiziert: 28.06.2023 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2023 um 08:44 Uhr
Henrique Schneider (M.) hatte seinen Posten als neuer Direktor des Schweizer Gewerbeverbands eigentlich schon verloren.
Foto: Keystone
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Beim Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) brennt der Baum. Lichterloh. Das zeigt die Abschiedsmail des scheidenden Direktors Hans-Ulrich Bigler (65) an die Mitglieder vom Dienstag. Darin lässt er kein gutes Haar am SGV-Vorstand.

Er schreibt: «Der guten Ordnung halber und um wenigstens meinerseits Anstand und Respekt zu wahren, verabschiede ich mich heute an meinem letzten Arbeitstag von Ihnen als Direktor sgv.» Dass der Präsident und der Vorstand kein Wort des Dankes, geschweige denn der Anerkennung für notwendig hielten, befremde ihn, müsse aber nicht weiter kommentiert werden, so Bigler.

Ausserordentliche Vollversammlung

Es tobt ein schmutziger Machtkampf um die künftige politische Ausrichtung des grössten Dachverbands der Schweizer Wirtschaft.

Am Mittwoch findet eine ausserordentliche Versammlung statt. Dabei geht es für den SGV um nichts weniger als seine Zukunft. Und um die Frage, wer fortan den Laden führen soll.

Auf der einen Seite stehen SGV-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61) und der Vorstand. Sie haben vor zwei Wochen die Wahl von Henrique Schneider (45) zum neuen Direktor widerrufen. Dies, nachdem herausgekommen war, dass Schneider sich mit falschen Titeln geschmückt und wiederholt plagiiert haben soll. Eine vom SGV mit einem Gutachten beauftragte Anwaltskanzlei kam zum Schluss, dass Schneider tatsächlich «serienmässig plagiiert» habe.

Rechtsaussenflügel unterstützt Schneider

Auf der anderen Seite steht Schneider selbst. Er hätte am 1. Juli für den abtretenden Direktor Bigler nachrücken sollen. Schneider hat allerdings nicht im Sinn, kampflos aufzugeben.

In einem Schreiben an die Mitglieder der Gewerbekammer, dem hundertköpfigen Parlament des SGV, schoss er am Montag aus allen Rohren gegen seine Kritiker. Ins Visier gerieten nicht nur die Medien, auch der Vorstand des Gewerbeverbands kam nicht ungeschoren davon.

Und Schneider ist nicht allein. Es hat sich eine regelrechte Gegenbewegung gebildet – bestehend aus dem Rechtsaussenflügel des Verbands. Dieser unterstützt Schneider und will an ihm festhalten. Die Kritik: Der Vorstand habe aufgeschreckt und vorschnell gehandelt. Die Wahl von Schneider sei immerhin einstimmig erfolgt und man sei mit dem Vertrag eine Verbindlichkeit eingegangen.

Ausgang der Abstimmung offen

Am Mittwoch kommt es nun zum Showdown. Es wird unter anderem über den Entscheid des Vorstands zur Abberufung von Schneider abgestimmt. Fragt man Insider, wie das Votum ausfallen wird, kriegt man von allen Seiten nur eine Antwort: alles offen!

Klar ist: Es geht auch um die Zukunft von SGV-Präsident Regazzi. Der Tessiner Mitte-Nationalrat hat im vermehrt rechtsbürgerlich dominierten Verband plötzlich einen schweren Stand. Mitglieder aus dem gemässigten Flügel sprechen gar von einem regelrechten «Putschversuch» gegen Regazzi.

Es ziele alles auf dessen Absetzung ab, damit schliesslich ein «libertärer Rechtsaussenpolitiker» übernehmen könne. Klappe dieser «Putschversuch», so die Befürchtungen, werde ein Grossteil des Vorstands zurücktreten und jemand aus der SVP könne das Zepter übernehmen.

Viel Geschirr zerschlagen

Diverse Verbände stellen sich allerdings einstimmig hinter Regazzi und den SGV-Vorstand, wie deren Vertreter gegenüber Blick bestätigen. Sie sprechen sich gegen die Einsetzung Schneiders als SGV-Direktor aus.

Diese Verbände zeigen sich besorgt über die Entwicklung und den Reputationsschaden, der sich jetzt bereits für den SGV abzeichne. Ebenso irritierend sei, dass sich Henrique Schneider über die Vorstandsbeschlüsse hinwegsetze und dem Vorstand die Legitimität zur Einholung des Gutachtens quasi abspreche. Wichtig sei, dass man jetzt abstimme, um endlich einen Schlussstrich ziehen zu können.

Denn immerhin in einer Sache sind sich beide Parteien einig: Egal, wie es herauskommt, der SGV ist der grosse Verlierer in diesem Machtkampf.

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