Abstimmung über Stromgesetz
Gegner wollen Rösti mit Kamikaze-Windrädern wegblasen

Das Stromgesetz führe zu seiner Wind- und Solarkraft-Diktatur, warnen die Gegner. Bund und Kantone widersprechen vehement. Auch die Bildsprache im Kampagnensujet des Nein-Lagers ist zweifelhaft.
Publiziert: 09.04.2024 um 07:39 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2024 um 15:04 Uhr

«Mitbestimmung abschaffen? Nein zum undemokratischen Stromgesetz am 9. Juni!» – Mit dieser Parole tritt das Nein-Komitee gegen das Stromgesetz von Bundesrats Albert Rösti (56) an. 

Das zentrale Argument, das auch von einer jungen Frau auf dem Bild untermauert wird, deren Mund zugeklebt ist: Sagt die Stimmbevölkerung Ja, kann sie nicht mehr mitentscheiden, wenn in ihrer Gemeinde Wind- oder Solarkraftanlagen gebaut werden.

«Bundesrat kann Abstimmungen verbieten»

«Wenn das Gesetz angenommen wird, kann der Bundesrat die Bewilligungsverfahren für den Bau von gewissen Wind- und Solarparks auf der grünen Wiese verkürzen», sagt Elias Vogt (28), Präsident von Freie Landschaft Schweiz und einer der treibenden Köpfe im Referendumskomitee, gegenüber Blick. «Die Landesregierung kann sogar Gemeindeabstimmungen gegen bestimmte einzelne Projekte verbieten.» In der Praxis könne Bern mit einer Verordnung durchregieren. 

Mit diesem Sujet wollen die Gegner des Stromgesetzes die Abstimmung vom 9. Juni gewinnen.
Foto: Zvg
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Der Vorwurf ist nicht neu – und wird vom Bund, aber auch von den Kantonen mit Vehemenz bestritten. So heisst es in einem Faktenblatt von Röstis Umwelt- und Energiedepartements klipp und klar: «Auf Gemeindeebene oder auf kantonaler Ebene können darum weiterhin Volksabstimmungen über neue Solar- und Windparks durchgeführt werden.»

Kantone widersprechen SVP-Kampagne

Das bestätigten bereits im vergangenen Sommer die Bündner und Zürcher Regierung, als eine von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (54) angeführte Kampagne vor der Windkraft-Diktatur warnte: Die Bevölkerung werde das letzte Wort zu konkreten Projekten haben.

Eine Ausnahme, so gibt der Bund zu, seien jene 16 Wasserkraft-Projekte, auf die sich ein runder Tisch aus Bund, Kantonen, Energieunternehmen und Umweltschutzorganisationen geeinigt hatte. Bei diesen Projekten entfällt die Nutzungsplanung – und die damit verbundenen Mitsprachemöglichkeiten.

Doch gegen diese Wasserkraftprojekte haben Vogt und sein Verein nichts auszusetzen. Ihnen geht es um die «Verschandelung» der Landschaft durch Windräder und grosse Solaranlagen in den Alpen. Geht es nach ihm, sollen Hausdächer und Fassaden für die Sonnenstromproduktion eingesetzt werden. «Die einzige Frage, die zählt, ist: Wo wollen wir die erneuerbare Energie produzieren, die wir tatsächlich brauchen? In der freien Natur, mit den bekannten katastrophalen Folgen, oder durch die Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur?»

Italien statt Schweiz

Die Argumente sind nicht das einzig Schiefe im Sujet der Nein-Kampagne. Auch gestalterisch hat man viel Fantasie gezeigt: Schaut man sich die Häuser einmal an, über denen sich die Monster-Windräder drehen, so zeigen diese eher eine italienisch-mediterrane Dorflandschaft als eine alpine. Und die Aufstellung der Windräder würde in Realität wohl zu keiner Kilowattstunde Strom führen – weil sie sich gegenseitig die Rotorblätter absäbeln würden. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Abstimmungssujets zu Reden geben. Erst im vergangenen Sommer, als der Abstimmungskampf über das Klimaschutzgesetz tobte, hatte das SVP-dominierte Nein-Komitee Brückenpfeiler statt Windräder gezeigt und auf den sozialen Medien Spott und Häme geerntet.


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