Das meint SonntagsBlick zum SRG-Problem
Am 4. März sitzen noch einmal die Senioren am Drücker

Publiziert: 07.01.2018 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:47 Uhr
Während die Jungen lieber auf Youtube sind, bleiben die Senioren vor dem TV sitzen. (Symbolbild)
Foto: GETTY IMAGES
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Die Wohnwand in der guten Stube war der Stolz meiner Eltern. Eichenholz massiv. Darin, zwischen Nippes und Büchern, in seiner eigenen Nische: der Röhrenfernseher, diskretes Zentrum jeder helvetischen Familien-Idylle in den Siebziger-, Achtziger-, Neunzigerjahren.

Später dann kauften meine Eltern ein gewaltiges Gerät mit Flachbildschirm – viel zu gross für die alte Nische. Das Ungetüm wurde neben die Wohnwand gehängt, mitten in eine Sammlung historischer Kupferstiche. In der einstigen Fernseh-Ecke wiederum staubt seither eine Handvoll Hans-Erni-Kunstbände vor sich hin.

Kurz: Der Riesen-TV hat die Stube meiner Eltern zerstört.

Dieses kleine private Drama spiegelt die Geschichte des Mediums Fernsehen ganz generell. Ein jüngeres Publikum sieht in den herkömmlichen TV-Stationen nur noch Dinosaurier, die nicht mehr so richtig in unser Leben passen.

Meine eigenen Kinder wissen kaum noch, was das ist: Fernsehen. Sie greifen zum Tablet und schauen sich auf Netflix einen Cartoon an.

Am 4. März aber hat noch einmal die Generation meiner Eltern den Drücker in der Hand. Weil die Stimmbeteiligung der heutigen Rentner in aller Regel sehr viel höher liegt als die der jüngeren Semester, dürfte die Volksinitiative No Billag abgelehnt werden.

Dennoch kann es sich die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft nicht auf der Couch bequem machen. Die SRG muss alles daransetzen, um auch die Köpfe und Herzen der Jüngeren wieder für sich zu gewinnen.

Das wahre Problem unserer Fernsehmacher sind die sinkenden Zuschauerzahlen bei den Jungen. Setzt sich der Trend fort, ist die nächste Abstimmung über die SRG eine Frage der Zeit.

Dabei geht es um sehr viel mehr als um die SRG an sich. Sie ist nämlich in besonderem Masse zuständig für das minutiöse Funktionieren der Demokratie, für den  fein austarierten Abgleich zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und Regionen. Ohne diesen Abgleich kann unser Kleinstaat über kurz oder lang aus der Balance geraten.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, wie laut die Promotoren von No Billag für Netflix schwärmen. Gegen eine Jahresgebühr von 142 Franken können Netflix-Kunden Filme und Serien direkt übers Internet anschauen. Auf seiner Homepage schreibt Olivier Kessler, Co-Präsident von No Billag: «Netflix macht vor, wie es geht. Ganz ohne Zwangsgebühren behauptet es sich äusserst erfolgreich am Markt und erfreut sich steigender Beliebtheit.»

Hinter dieser Liebeserklärung steckt mehr als nur Kritik an den SRG-Gebühren. Selbstverständlich verfolgt Netflix im Prinzip nur legitime wirtschaftliche Interessen. Allerdings transportiert auch der Streamingdienst – wie jedes Medium – seine eigene Ideologie und beeinflusst damit unweigerlich das Weltbild seiner Zuschauer.

Ein augenfälliges Beispiel: Derzeit pusht Netflix einen Dokumentarfilm über die Kryptowährung Bitcoin. «Banking of Bitcoin» ist technisch gut gemacht und von grosser Erzählkraft. Der Film aber ist vor allem eines: Werbespot für das digitale Zahlungsmittel sowie für die Ideologie dahinter.

Inzwischen scheint die Spekulation mit Bitcoin ja zum Volkssport avanciert zu sein. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um ein genuin libertäres Projekt, initiiert von Anhängern einer Ideologie, die auf die Abschaffung des Staats zielt. Der amerikanische Autor Don Tapscott sagt es so: Nicht jeder Bitcoin-Fan ist ein Libertärer – aber jeder Libertäre liebt Bitcoin.

Libertäres Gedankengut steckt auch hinter No Billag. Der Schriftsteller Lukas Bärfuss hat diesen Zusammenhang im SonntagsBlick vor einer Woche aufgezeigt.

Wenn also meine Söhne auf ihren Tablets auch in zehn Jahren SRG-Inhalte schauen können, wäre das in jedem Fall eine wichtige Ergänzung zu ihrem Netflix-Konsum.

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