Diskussion um No Billag bei BLICK on tour – Leuthard kämpferisch wie nie
«Was für ein Bockmist!»

Die beiden Hauptkontrahenten der No-Billag-Abstimmung, Doris Leuthard und Olivier Kessler, lieferten sich bei Blick on Tour ein scharfes Wortgefecht.
Publiziert: 17.01.2018 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:20 Uhr
Andrea Willimann und Nico Menzato

Unterhaltsam, unverzichtbar, informativ, ausgewogen: Genau so wie sich Bundesrätin Doris Leuthard (54) das öffentlich-rechtliche  Fernsehen und Radio wünscht, war gestern Abend die No-Billag-Diskussion  im Hotel Schweizerhof in Luzern. Über 300 Personen verfolgten  den äusserst emotionalen Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der  Volksinitiative, die am 4. März zur Abstimmung kommt. 

Leuthard lief beim  ersten  Aufeinandertreffen  gegen den Kopf der Initiative, Olivier Kessler (31), zur Hochform auf, nannte die Initiative  «Bockmist».  Der französischsprachige   SRG-Generaldirektor  Gilles Marchand  (54) brach mit seinem sprachlichen Bemühen auf Deutsch und sachlichen Argumenten eine Lanze für das Vielfaltsgebot der SRG . 

Die beiden Mitglieder des Initiativkomitees wiederum, Kessler und der St. Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann (35), führten gnadenlos vor, dass die SRG viele Hausaufgaben nicht gemacht hat, die sie sowohl bei einem Ja wie auch bei einem Nein einholen.

«Nur im Raum Zürich würden noch ein paar Privat-TV überleben»

Je länger die Diskussion dauerte, die vom Chefredaktor der BLICK-Gruppe Christian Dorer lanciert und vom Ringier-Publizisten Hannes Britschgi weitergeführt wurde, umso mehr wurde sie zu einem Duell Leuthard-Kessler.

Für Bundesrätin Leuthard ist klar: Die SRG gehe unter bei einem Ja zu No Billag. Der Initiativtext sei klar formuliert und enthalte zwei Verbote, die unumgänglich seien. Keine Empfangsgebühren mehr, keine staatlich finanzierten Sender. Der Schweizerische Gewerbeverband «schummle», wenn er in seinem Plan B behaupte, irgendso eine halbe SRG würde es dann schon geben.

Allein mit Werbegeldern sei der Leistungsauftrag der SRG nicht umzusetzen, Bezahlmodelle setzten sich in der Regel nicht durch, zeigte sich die Bundesrätin überzeugt. «Es gäbe vielleicht noch eine kleine Auswahl von Privaten, die vielleicht in Zürich überleben könnte.» Sonst sei mit einer Verarmung der Medienlandschaft zu rechnen.

Olivier Kessler hingegen freut sich dank No Billag auf mehr Freiheit. «Die Bürger sind mündig genug zu entscheiden, welche Medien sie konsumieren und unterstützen wollen.» Er wehrte sich dagegen, dass die Initiative ein Lausbubenstreich sei. Zehntausende stünden hinter No Billag, für die 450 Franken sehr viel Geld seien, das sie lieber anders einsetzen wollten.

«Reine Panikmacherei!»

Rund um die Bedeutung der SRG für die sprachlichen Minderheiten, die Randregionen und die kulturellen Spartenprogramme entspann sich ein weiterer Zweikampf zwischen Leuthard und Kessler. Letzterer stellte sich auf den Standpunkt, dass der Bund auch bei einer Annahme der Initiative künftig angehalten sei, in diesen Bereichen zu investieren. «Es geht nicht alles den Bach runter an Film- und Kultursendungen.» Auch die Rätoromanen beispielsweise hätten nichts zu befürchten. «Wenn kein freier Markt, dann könnte der Kanton Graubünden einspringen und diese Programme garantieren», kam ihm Reimann zu Hilfe.

Leuthard gestand: «Es gibt eine gewisse Arroganz bei der SRG.» Sie verteidigte aber die Bedeutung des Radio und Fernsehens; diese Aufgaben könnten nicht einfach an den privaten Markt übertragen oder gar aus den bestehenden staatlichen Mitteln bezahlt werden. «Wir reden von 1,3 Milliarden und nicht von ein paar Milliönchen.» All diese Gegenargumente brachten Olivier Kessler schliesslich gänzlich in Rage: «Das ist eine reine Panikmacherei!» Worauf Leuthard konterte: «Ich weiss nicht, in welcher Welt Sie leben.»

Einstecken musste aber vor allem der SRG-Generaldirektor. Heftige Vorwürfe gingen von den No-Billag-Initianten an die Adresse von Gilles Marchand, der sich weigere, einen Plan B auszuarbeiten. «Sie sollten besser einen Plan B ausarbeiten, statt durch die Schweiz zu tingeln und für ein Nein zu werben.» Dieser bestätigte, dass es einen solchen nicht gebe. Er sprach aber von einem Plan L wie Liquidation. Bei einem Ja am 4. März ginge alles sehr, sehr schnell zu Ende. 

Sophia Müller (20), Studentin, Kriens LU: «Ohne Gebühren wird die Medienvielfalt verkleinert. Die Bevölkerung konsumiert dadurch nur noch jene Medien, die ihrer Einstellung entsprechen.»
Foto: Thomas Meier
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Was das Publikum von Leuthard & Co wissen wollte

Nach der Debatte waren die über 300 Zuschauer im prall gefüllten Saal an der Reihe. Diese nagelten die vier Podiumsteilnehmer mit hartnäckigen Fragen. Die SRG berichte nicht objektiv, etwa aus dem Iran oder Syrien, so ein Mann aus dem Publikum. SRG-Direktor Gilles Marchand antwortete, man versuche stets, ausgewogen zu sein. Dies gelinge nicht immer. «Wir können immer besser werden.» Wer die SRF für einzelne Beiträge kritisieren wolle, könne dies den entsprechenden Stellen melden.

Eine No-Billag-Gegnerin wollte von Kessler wissen, was der Gewinn für die ärmeren Personen in der Schweiz sei, wenn sie nach einem Ja zu No Billag für einzelne Sendungen bezahlen müssten. Dieser antwortete, jeder könne dann mit den 450 Franken das tun, was er wolle. «Ein Zeitungsabo kaufen etwa. Oder das Geld für eine Weiterbildung ausgeben.»

Ein Zuschauer warf Lukas Reimann an den Kopf, das SRF hätte seine Karriere befeuert. Niemand im Saal würde ohne die SRG seinen Namen kennen. Über die SVP berichte SRF immer negativ, entgegnete der SVP-Nationalrat. «Ich bin nicht dank, sondern trotz der SRG nach Bern gewählt worden.»

Zum Schluss kritisierte ein BLICK-on-tour-Gast, Bundesbern führe bei No Billag eine Angstkampagne und übertreibe völlig, weil vom Untergang der Demokratie gesprochen werde. Die Antwort Leuthards kam wie aus der Kanone geschossen: Politik sei eine ernste Sache. «Was man in der Verfassung schreibt, das zählt. Das ist die Richtlinie für die Regierung.»

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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