Albert Rösti gilt als umgänglich. Man sollte sich nicht täuschen lassen
Freundlichkeit ist seine Waffe

Albert Rösti gibt den freundlichen Oberländer. Die Nettigkeit in Person zu sein, hat ihn weit gebracht und könnte ihn in den Bundesrat tragen. Doch man sollte nicht den Fehler machen, das misszuverstehen.
Publiziert: 21.11.2022 um 00:43 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 08:20 Uhr
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Sermîn FakiPolitikchefin

Plötzlich sagt Albert Rösti (55) einen bemerkenswerten Satz: «Uneigennützig bin ich nicht.»

Rösti sitzt in seinem Büro mitten in Uetendorf BE, wo er Gemeindepräsident ist. Nicht mehr lange, wenn es nach ihm geht. Der SVP-Nationalrat strebt nach dem höchsten Amt im Staat, in den Bundesrat.

Und das entschlossener, als man es ihm zutraut. «Politik ist eine Art Berufung», sagt er. «Ich wollte schon mit 18 Politiker werden.» Natürlich gehöre es dazu, dem Land dienen zu wollen, zu dessen Wohlstand beizutragen. «Aber uneigennützig, das bin ich nicht. Mir gibt es ganz persönlich eine Befriedigung, wenn ich diene und etwas bewirke.»

Freundlich, umgänglich, gmögig: So kennt die Schweiz SVP-Bundesratskandidat Albert Rösti.
Foto: ANDREA SOLTERMANN
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Kein Bundesrats-Ego – oder?

Nachdem Bundesrat Ueli Maurer (71) Ende September seinen Rücktritt auf Ende Jahr bekannt gegeben hatte, hiess es sofort: «Den wird der Albert beerben.» Der umgängliche Albert musste es sein, der freundliche Berner, der überparteilich anerkannt ist als dossierfester Brückenbauer, zuverlässiger Mehrheitsbeschaffer und, eben, die Nettigkeit in Person.

Ehrgeiz, Machtstreben, Durchsetzungskraft, ein grosses Ego – Eigenschaften, die man Bundesräten gemeinhin zuschreibt – auf Rösti wollen sie nicht so recht passen. Er ist niemand, der sich vordrängelt, ellböglet oder durch Brillanz auffällt. Kann so jemand Bundesrat? Erst recht für jene Partei, die die grösste im Land, vor allem seine oppositionellste Kraft ist?

«Ich habe genug bewiesen, dass ich trotz dieser Art – die ich als Stärke sehe – nicht von der SVP-Linie abweiche. Das will ich auch in Zukunft nicht tun», sagt er. Die freundlichen blauen Augen blitzen kurz stahlhart, als er klarstellt, er werde einer Annäherung an die EU nie zustimmen und immer dafür kämpfen, dass die Zuwanderung begrenzt wird. Er könne, sagt er, auch auf den Tisch hauen. Nur versteckt er das lieber vor der Öffentlichkeit. Weil dies das Bild von ihm beschädigen würde?

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Ein Nesthäkchen in Kandersteg

Rösti, Jahrgang 1967, ist in Kandersteg BE aufgewachsen, als Nachzügler einer Bauernfamilie auf einem Milchwirtschaftsbetrieb. Seine drei Geschwister, acht bis zwölf Jahre älter als das Nesthäkchen, sagen, er sei der Verwöhnte. Was Rösti bestreitet. Die Eltern seien lieb, aber auch streng gewesen, nach der Schule habe er wie alle anderen im Stall geholfen.

Eine Kindheit voller Entbehrungen – wie es sie auch in den 70ern in Bergbauernfamilien noch gab – war es nicht. «Es ist uns gut gegangen, wir hatten immer von allem genug», sagt Rösti. «Aber nur, weil hart gearbeitet wurde.» Seine Mutter, erzählt er, würde noch heute schauen, ob sie die Teigwaren irgendwo 20 Rappen günstiger bekomme, obwohl sie das gar nicht nötig habe.

Die Lektionen aus der Kindheit

Auch wenn Rösti später an der ETH doktorierte, in den USA studierte und heute als Vollzeitpolitiker und -lobbyist weit weg ist vom bäuerlichen Leben – die Werte seiner Kindheit haben ihn geprägt. Sie lassen sich in zwei Kernsätzen zusammenfassen:

  1. Jeden Franken, den man ausgibt, muss man zuerst verdienen.
  2. Man erreicht nur etwas, wenn man arbeitet.

Rösti hat viel erreicht. Vom Landwirtschaftslehrer an der Bergbauernschule Hondrich über den Generalsekretärsposten der Berner Volkswirtschaftsdirektion zum Nationalrat und Präsidenten der grössten Partei im Land führte sein Weg stets bergauf. Auch privat lachte die Sonne: Rösti ist glücklich verheiratet mit seiner Gymi-Liebe Theres (54) und Vater von André (26) und Sarina (22).

2019 kam er ins Straucheln

Doch 2019 kam der Aufstieg ins Stocken. Die SVP unter seiner Leitung verlor die eidgenössischen Wahlen – obwohl man alles versucht hatte und auch zu unappetitlichen Methoden griff. Rösti selbst hiess das umstrittene Apfel-Sujet gut, in dem die SVP alle anderen Parteien als Maden verunglimpfte. Und sich damit bei Nazi-Propaganda bediente.

Er habe das nicht gewusst, sagt Rösti, und übernehme die volle Verantwortung. Bereut habe er nur eins: Dass die Diskussion darüber nur zwei Wochen anhielt und nicht zwei Monate bis zu den Wahlen. Denn dann wäre es vielleicht möglich gewesen, mehr SVP-Wähler an die Urne zu bringen.

Bundesratskandidat Albert Rösti.
ANDREA SOLTERMANN
Zwölf sehr persönliche Fragen

Sind Sie ein Morgen- oder Nachtmensch?
Ein Abendmensch.

Wo haben Sie die besten Ideen?
Im Bett vor dem Einschlafen. Das wird dann gleich notiert, damit ich ruhig schlafen kann.

Wie erholen Sie sich von einem nervigen Tag?
Auf dem Sofa mit dem Blick auf die schönen Oberländer Alpen. Da denke ich jeweils: Die waren vor mir da und werden auch nach mir noch da sein, egal, was heute war.

Was wollten Sie als Kind werden?
Kranführer. Aber dann habe ich mal gesehen, wie einer hochsteigen musste. Das sah gefährlich aus, da habe ich dann wieder Abstand davon genommen.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit 16 als Handlanger in der Schleifmaschinenfabrik Studer in Steffisburg.

Was ist Ihre Superkraft?
Die Welt von der positiven Seite zu sehen.

Welche Aufgabe im Haushalt erledigen Sie?
Ums Haus herum und die Fensterbänkli putzen. Da wir in einem landwirtschaftlichen Weiler wohnen, hat es viele Vögel und Fliegen, deshalb ist das regelmässig nötig.

Was können Sie besser als Ihre Frau?
Schlagzeug spielen.

Woran scheitern Sie immer?
Diszipliniert zu arbeiten, wenn ich für eine Aufgabe noch viel Zeit habe.

Was ist Ihr Lieblingsessen?
Härdöpfelgratin mit Schweinssteak.

Was ist Ihr geheimes Laster?
Ungesunde Ernährung. Ich trinke zu viel Cola und esse zu wenig Gemüse.

Wo, ausser in der Schweiz, würden Sie gern leben?
Am ehesten in Kalifornien mit seiner Weite.

Bundesratskandidat Albert Rösti.
ANDREA SOLTERMANN

Sind Sie ein Morgen- oder Nachtmensch?
Ein Abendmensch.

Wo haben Sie die besten Ideen?
Im Bett vor dem Einschlafen. Das wird dann gleich notiert, damit ich ruhig schlafen kann.

Wie erholen Sie sich von einem nervigen Tag?
Auf dem Sofa mit dem Blick auf die schönen Oberländer Alpen. Da denke ich jeweils: Die waren vor mir da und werden auch nach mir noch da sein, egal, was heute war.

Was wollten Sie als Kind werden?
Kranführer. Aber dann habe ich mal gesehen, wie einer hochsteigen musste. Das sah gefährlich aus, da habe ich dann wieder Abstand davon genommen.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit 16 als Handlanger in der Schleifmaschinenfabrik Studer in Steffisburg.

Was ist Ihre Superkraft?
Die Welt von der positiven Seite zu sehen.

Welche Aufgabe im Haushalt erledigen Sie?
Ums Haus herum und die Fensterbänkli putzen. Da wir in einem landwirtschaftlichen Weiler wohnen, hat es viele Vögel und Fliegen, deshalb ist das regelmässig nötig.

Was können Sie besser als Ihre Frau?
Schlagzeug spielen.

Woran scheitern Sie immer?
Diszipliniert zu arbeiten, wenn ich für eine Aufgabe noch viel Zeit habe.

Was ist Ihr Lieblingsessen?
Härdöpfelgratin mit Schweinssteak.

Was ist Ihr geheimes Laster?
Ungesunde Ernährung. Ich trinke zu viel Cola und esse zu wenig Gemüse.

Wo, ausser in der Schweiz, würden Sie gern leben?
Am ehesten in Kalifornien mit seiner Weite.

Es gelang nicht – und Rösti musste den Posten räumen, sonst hätte ihn Übervater Christoph Blocher (82) persönlich abgesetzt. Eine Darstellung, die sich bis heute in Bundesbern hält, die Rösti aber bis heute bestreitet. «Hätte ich die Wahlen 2019 gewonnen, wäre ich vielleicht noch immer Präsident», sagt er zwar. Aber auch: «Es ist wie bei einem Fussballtrainer. Man kann nicht zu viel verlieren.»

Und wenn man wie die SVP 2019 ganze 3,8 Prozent verliert? Dann müsse man sich fragen, wie viele Niederlagen es noch vertrage. Rösti wusste: Mit der Begrenzungs-Initiative, die die Personenfreizügigkeit abschaffen wollte, stand die nächste schon vor der Tür.

Zu weich für den Bundesrat?

Eine andere Darstellung, die sich bis heute hält: Rösti habe den Druck, der aus Herrliberg auf ihm lastete, nicht ausgehalten. Wem er damals über den Weg lief, erschrak: Gehetzt sah er aus, mit tiefen Augenringen, eingezogenen Schultern, ein gequälter Mann.

Kann so jemand Bundesrat? Oder droht er zu zerbrechen am Druck, wenn es dereinst heissen sollte, mit seiner konzilianten Art sei er nur ein halber Bundesrat?

Rösti weiss um diesen Eindruck, er hört ihn nicht zum ersten Mal. «Ich habe nicht viel geschlafen in dieser Zeit, war viel unterwegs. Aber ich war immer motiviert und hatte Freude an der Arbeit.»

Mehr Taktiker, als man meint

Der Mann, so scheint es, hat einen breiteren Rücken als gedacht. Aber er verbirgt das gut. Denn die Nettigkeit in Person zu sein, war und ist sein Erfolgsrezept, hinter dem sich Ehrgeiz und Machtwille gut verstecken lassen. Clever: Denn lieber als das sieht man in Bern eine gutschweizerische Durchschnittlichkeit. Rösti hat das verstanden und zur Perfektion gebracht.

Nach seinem Rücktritt vom Parteipräsidium verlegte er seine Aktivitäten, kämpfte dafür, in die wichtigen Energie- und Gesundheitskommissionen zu kommen und brachte sich als konstruktiver Sachpolitiker in Stellung. Ein geschickter Schachzug. Durch den Wandel vom Madenplakat-Scharfmacher zum Brückenbauer erhöhte er seine Chancen auf einen Bundesratssitz – schlechthin die Krönung einer politischen Karriere in der Schweiz.

«Dann können Sie sich fast alles leisten»

Diese Krönung ist nun in greifbare Nähe gerückt. Die Meinungsführer der anderen Parteien machen jedenfalls keinen Hehl daraus, dass sie Rösti wollen – sogar dann, wenn er das Umwelt- und Energiedepartement übernehmen würde und dann das AKW-Verbot aufheben lassen will.

Er ist eben so freundlich, verlässlich, zugänglich. «Das ist interessant, nicht wahr», sinniert Rösti in seinem Büro in Uetendorf. «Wenn Sie diesen Ruf haben, können Sie sich fast alles leisten und noch so hart sein – das ändert nichts am Ruf.»

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