Allianz von links bis rechts will Waffenexport-Regelung des Bundesrats stoppen
«Unterschriften wären in Rekordzeit gesammelt»

Eine Allianz von über 40 Organisationen will den Bundesrat in Sachen Waffenexporte in die Schranken weisen. Eine Initiative dazu ist in der Pipeline. Doch hat das Anliegen eine Chance?
Publiziert: 11.09.2018 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 17:30 Uhr
Zeigen die rote Karte: Die Nationalräte Beat Flach (GLP/AG), Lisa Mazzone (Grüne/GE) und Martin Landolt (BDP/GL).
Foto: Keystone
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Lea Hartmann und Martina Tomaschett

Es war ein seltenes Bild, das sich den Journalisten gestern bot. Ein bürgerlicher Parteipräsident, ein Armeeabschaffer, ein katholischer Theologe und eine SP-Nationalrätin: Sie und weitere Vertreter aus Politik und Gesellschaft sassen am selben Tisch, um sich gemeinsam gegen die vom Bundesrat beschlossene Lockerung der Waffenexporte zu wehren. Über 40 Organisationen haben sich zur «Allianz gegen Waffenexporte» zusammengefunden.

Noch ist die Korrektur-Initiative, wie das Volksbegehren getauft wurde, nicht lanciert. Sie dient vielmehr als Drohkulisse. Sollte der Bundesrat nicht doch noch zurückkrebsen und sich im Parlament keine Mehrheit auflehnen, will die bunte Allianz dem Volk das letzte Wort geben. Wenn es das denn will. So soll die Initiative nur lanciert werden, wenn innert zwei Wochen 25'000 Menschen online ihren Support zusichern. Gestern Abend waren bereits 10'000 Unterschriften zusammen. 

GSoA wirft Bundesrat Wortbruch vor

Der Inhalt der Initiative ist schon jetzt klar: Die Allianz will, dass der Bundesrat nicht nur die jüngst beschlossene Lockerung der Waffenexporte in Bürgerkriegsländer wieder rückgängig macht, sondern auch diejenige von 2014. Damals hatte die Regierung grünes Licht für Waffenexporte in Staaten erlaubt, welche die Menschenrechte verletzen. Und das, obwohl der Bundesrat fünf Jahre zuvor versprochen hatte, die Export-Bestimmungen nicht weiter aufzuweichen. 

«Der Bundesrat hat die Totalausfuhr mit Argumenten bekämpft, die nun nichts mehr wert sind», wettert GSoA-Sekretär Lewin Lempert (22). Und SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (50) stellt zudem das Kontrollregime des Bundes in Frage: «Niemand kann garantieren, dass Schweizer Kriegsmaterial nicht in bewaffneten Konflikten eingesetzt wird», sagt sie. Tatsächlich hat der SonntagsBlick jüngst mehrfach Schweizer Waffen in Syrien und Libyen gefunden.

«Viele Leute sind entsetzt»
1:46
SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf:«Viele Leute sind entsetzt»

«Es wird an den Menschen vorbeipolitisiert»

Doch die Initianten wollen nicht nur die Zeit zurückdrehen. Sie wollen auch vorsorgen: Der Bundesrat soll Waffenexport-Lockerungen künftig nicht mehr im Alleingang beschliessen dürfen. Damit nimmt die Initiative eine bereits im Parlament platzierte Forderung von BDP-Chef Martin Landolt (50) auf. «In dieser Frage wird massiv an den Menschen in der Schweiz vorbeipolitisiert», kritisiert er. Beim Thema Waffenexporte gehe es um die Werte der Schweiz. «Sie zu definieren, ist nicht Aufgabe des Bundesrats allein.»

Dank des breiten Supports von ganz links über die Mitte bis rechts hat die Korrektur-Initiative so grosse Chancen wie vor ihr keine andere Initiative zur Einschränkung der Waffenexporte. «Ich gehe davon aus, dass die Unterschriften in Rekordzeit gesammelt wären», ist Landolt überzeugt. Denn die Forderung nach stärkerer demokratischer Legitimation und der Appell an christliche Werte verfangen auch in konservativen Kreisen.

SVP-Bertschi kann Lockerung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren

Bestes Beispiel dafür ist SVP-Grossrätin Karin Bertschi (28). Die gläubige Aargauerin will sich zwar nicht explizit zur geplanten Initiative äussern. Sie sagt aber: «Die Lockerung der Waffenexporte ist mit meinem Gewissen und Glauben nicht vereinbar.» Sie könne es nicht verantworten, «dass wegen der Lockerung unschuldige Zivilisten, darunter Kinder, umgebracht werden». 

Diese Initiativen zu Waffenexporten gab es schon

2018

Die Kriegsgeschäfte-Initiative von GSoA und Jungen Grünen will der Nationalbank, den Pensionskassen und Stiftungen verbieten, Produzenten von Kriegsmaterial zu finanzieren – zum Beispiel durch Kredite oder Darlehen. Betroffen wären Unternehmen, die mindestens 5 Prozent ihres Umsatzes mit Kriegsmaterial erwirtschaften. Die Ruag wäre laut Initianten vom Verbot allerdings ausgenommen, da sie durch den Bund finanziert wird. Die Initiative wurde diesen Sommer eingereicht.

2009

Die erste Initiative der GSoA zum Thema Waffenexporte fordert, diese komplett zu verbieten. Der Bund solle zudem internationale Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle unterstützen. Im Vorfeld der Abstimmung verschärft der Bundesrat die Ausfuhrbestimmungen: Fortan sind Exporte in Länder, «welche in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind», verboten. Die Initiative der GSoA wird mit 68,2 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

1997

Nachdem bekannt wird, dass in Mexiko Schweizer Flugzeuge gegen aufständische Bauern eingesetzt wurden, verlangen linke Kreise in einer Initiative ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial. Das Parlament reagiert mit einem direkten Gegenvorschlag und verschärfte das Kriegsmaterialgesetz. Das Stimmvolk lehnt die Initiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» mit 77,5 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab.

1972

Die Volksinitiative «für vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» wird mit 50,3 Prozent knapp abgelehnt. Kurz zuvor beschloss das Parlament, dass kein Kriegsmaterial in Gebiete geliefert werden darf, «in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstwie gefährliche Spannungen bestehen». Die Initiative ist eine Reaktion auf den Bührle-Skandal, wo im nigerianischen Bürgerkrieg mit Schweizer Kanonen auf IKRK-Flugzeuge geschossen wurde.

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2018

Die Kriegsgeschäfte-Initiative von GSoA und Jungen Grünen will der Nationalbank, den Pensionskassen und Stiftungen verbieten, Produzenten von Kriegsmaterial zu finanzieren – zum Beispiel durch Kredite oder Darlehen. Betroffen wären Unternehmen, die mindestens 5 Prozent ihres Umsatzes mit Kriegsmaterial erwirtschaften. Die Ruag wäre laut Initianten vom Verbot allerdings ausgenommen, da sie durch den Bund finanziert wird. Die Initiative wurde diesen Sommer eingereicht.

2009

Die erste Initiative der GSoA zum Thema Waffenexporte fordert, diese komplett zu verbieten. Der Bund solle zudem internationale Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle unterstützen. Im Vorfeld der Abstimmung verschärft der Bundesrat die Ausfuhrbestimmungen: Fortan sind Exporte in Länder, «welche in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind», verboten. Die Initiative der GSoA wird mit 68,2 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

1997

Nachdem bekannt wird, dass in Mexiko Schweizer Flugzeuge gegen aufständische Bauern eingesetzt wurden, verlangen linke Kreise in einer Initiative ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial. Das Parlament reagiert mit einem direkten Gegenvorschlag und verschärfte das Kriegsmaterialgesetz. Das Stimmvolk lehnt die Initiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» mit 77,5 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab.

1972

Die Volksinitiative «für vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» wird mit 50,3 Prozent knapp abgelehnt. Kurz zuvor beschloss das Parlament, dass kein Kriegsmaterial in Gebiete geliefert werden darf, «in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstwie gefährliche Spannungen bestehen». Die Initiative ist eine Reaktion auf den Bührle-Skandal, wo im nigerianischen Bürgerkrieg mit Schweizer Kanonen auf IKRK-Flugzeuge geschossen wurde.

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