Angriff auf Vertragszwang
Bürgerliche wollen die freie Arztwahl einschränken

Gesundheitspolitiker von Mitte, FDP und SVP sagen den schwarzen Schafen unter den Ärzten den Kampf an. Ihnen soll per Gesetz der Geldhahn zugedreht werden.
Publiziert: 30.09.2023 um 18:19 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2023 um 20:11 Uhr
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Peter AeschlimannRedaktor

Es ist der letzte Nachmittag der Herbstsession. Während im Bundeshaus erste Weissweinflaschen geköpft werden und scheidende Parlamentarier Abschiedsgeschenke an ihre politischen Weggefährtinnen verteilen, brüten ein paar Nationalräte immer noch über einem Entwurf zu einem Vorstoss. Bis am Abend soll er eingereicht werden – gerade noch rechtzeitig vor dem Ende der 51. Legislaturperiode. Die von Gesundheitspolitikern aus den Reihen der Mitte-Partei, der FDP und der SVP unterzeichnete Motion beinhaltet Zündstoff. Der Titel lautet: «Für qualitative Gesundheitsnetzwerke zu bezahlbaren Prämien: Lockerung des Vertragszwangs».

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Was wir jetzt benötigen, ist ein Befreiungsschlag.»
Andri Silberschmidt, FDP-Nationalrat
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Es geht um das grosse Thema der vergangenen drei Wochen, um das Gesundheitssystem. Dieses ist schwer angeschlagen, wird von Jahr zu Jahr teurer. Die Folgen spüren die Versicherten im Portemonnaie. Im Schnitt um 8,7 Prozent steigen im nächsten Jahr die Krankenkassenprämien.

Der Fehler liegt im System

«Was wir jetzt benötigen, ist ein Befreiungsschlag», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29). Im besagten Vorstoss, den er eingereicht hat, heisst es: «Der Grundpfeiler des heutigen Krankenversicherungsgesetzes und Treiber des Prämienanstiegs ist der Vertragszwang.» Der Fehler liege im System mit seinen Fehlanreizen. Kurz: Wer mehr therapiere, verdiene mehr.

Für Patientinnen und Patienten wird es teurer: Die Krankenkassenprämien steigen nächstes Jahr im Schnitt um 8,7 Prozent.
Foto: Keystone
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Deshalb soll nun ein radikaler Paradigmenwechsel Abhilfe schaffen: Ärzte und Spitäler sollen nicht mehr an der Menge an Behandlungen verdienen – sondern nur noch dann, wenn die Menschen gesund bleiben. «Dafür sollen die Versicherer mit den Leistungserbringern Gesundheitsnetzwerke bilden, welche für die Patienten die beste Versorgung garantieren.»

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Ebenfalls mitunterzeichnet hat die Motion SVP-Nationalrat Thomas de Courten (57). Er ist überzeugt, dass mit dieser Gesetzesänderung Kosten gespart werden könnten. Wer falsch abrechne oder Therapien verordne, die keine Wirkung erzielen, solle künftig von den Versicherern ausgeschlossen werden können. «Diese schwarzen Schafe gehören aus dem Vertragszwang eliminiert.»

SP spricht von «Hyperaktivismus»

FMH-Präsidentin Yvonne Gilli (66) hält das für keine gute Idee. Die Abschaffung des Vertragszwangs sei ein «Evergreen», den aktuellen Vorstoss hält sie für «unausgegoren». Unklar sei etwa, was mit den Spitälern vorgesehen sei, die vom Kanton einen Leistungsauftrag hätten. Zudem gehe die Motion von falschen Annahmen aus, so Gilli: «Der Vertragszwang hat keinen Einfluss auf die Höhe der Prämien.» Sie ortet den Grund für die steigenden Kosten unter anderem bei neuen, teureren Therapien im Leistungskatalog und bei der Zunahme ambulanter Behandlungen, die die Prämienzahlenden vollumfänglich zu berappen haben.

Widerstand gegen die Abschaffung des Vertragszwangs kündet auch SP-Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen (44) an. Die Berner Ständeratskandidatin bezeichnet den Vorstoss als «Hyperaktivismus», der von den eigentlichen Problemen ablenken soll. Die Bürgerlichen hätten es im Parlament vier Jahre lang versäumt, effektive Massnahmen gegen das Kostenwachstum zu beschliessen.

Lorenz Hess (62) von der Mitte-Partei, der wie Silberschmidt und de Courten Mitglied der nationalrätlichen Gesundheitskommission ist, geht es ums Prinzip: «Es ist Zeit, dass wir das Anliegen wieder einmal auf den Tisch bringen.»

Vor rund zehn Jahren lehnte das Volk die sogenannte Managed-Care-Vorlage ab, die in eine ähnliche Richtung zielte. Jetzt, da die Kosten durch die Decke gehen, sei die Zeit reif. Hess: «Ziel muss sein, dass Leistungserbringer, die notorisch überbehandeln, nicht mehr zum Handkuss kommen.»

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