Anti-Rassismus-Kommission wittert Vorurteile
Aids-Hilfe nimmt Schwarze ins Visier

Die Aids-Hilfe Schweiz will mit einer Kampagne gezielt Afrikaner in der Schweiz ansprechen und wirbt mit einem kostenlosen HIV-Test. Jetzt kritisiert die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus die Aktion.
Publiziert: 18.11.2017 um 20:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:40 Uhr
«Get tested» ist eine Kampagne der Aids-Hilfe Schweiz und wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt. Im November 2017 findet die Testkampagne «Get tested» für Migrantinnen und Migranten statt.
Foto: ©Aids Hilfe Schweiz/Frederic Meyer
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Cinzia Venafro

«Ich habe gerne Sex, aber immer geschützt», sagt ein dunkelhäutiger Mann. Und eine dunkelhäutige Frau wird mit den Worten zitiert: «Ich habe keine Angst und mache regelmässig einen HIV-Test.»

Die Statements sind Teil der neuen Sensibilisierungskampagne der Aids-Hilfe Schweiz. Sie sollen möglichst viele Menschen aus der Subsahara, die in der Schweiz leben, dazu animieren, sich im November gratis auf HIV testen zu lassen.

Heikel: Erstmals schaltet die Aids-Hilfe Schweiz die Anzeige gezielt auf Facebook. Und damit möglichst nur die Zielgruppe angesprochen wird, hat sie beim Social-Media-Riesen personalisierte Werbung gebucht. 

Gezielt afrikanische Communitys angesprochen

Auffallend: Die Anzeige wird hauptsächlich dunkelhäutigen Menschen angezeigt. Hat die Aids-Hilfe etwa einen Algorithmus für Schwarze gebucht? «Nein, natürlich nicht», sagt Sprecher Daniel Seiler auf Anfrage von BLICK.

Mit dem Ziel, die Erreichbarkeit der afrikanischen Communitys zu stärken und insbesondere auf die kostenlose HIV-Testmöglichkeit hinzuweisen, hätten sie aber zum ersten Mal Facebook eingesetzt. Es würden in «besonderer Weise Menschen in der Schweiz angeschrieben, welche via Facebook ein Interesse zur Region Subsahara aufzeigen».

Nicht rassistisch im strafrechtlichen Sinn, aber stark diskriminierend

Aus Sicht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus hat diese Kampagne einen schalen Beigeschmack: Das Vorgehen sei zwar nicht rassistisch im strafrechtlichen Sinn, sagt Präsidentin Martine Brunschwig Graf. 

«Dass Stop Aids einen Bevölkerungsteil aufgrund seiner Herkunft als Zielgruppe definiert, führt allerdings dazu, dass sich die Betroffenen diskriminiert und als Opfer von Vorurteilen fühlen.»

Zudem könne «die Verwendung von Algorithmen auf Facebook zu Entgleisungen führen, wie sie bei den US-Wahlen 2016 festgestellt wurden», so Brunschwig Graf. «Sie kann auch, wie im Falle der Stop-Aids-Kampagne, Vorurteile verbreiten und jene Personen verletzen, denen diese Organisation mit ihrer Kampagne zu helfen vorgibt.»

SP-Kantonsrat findet Kampagne fragwürdig

Auch Andrew Katumba (46), SP-Kantonsrat in Zürich, kritisiert die Kampagne. «Es ist schon fragwürdig, warum es die Aids-Hilfe ausgerechnet jetzt auf Menschen aus Afrika abgesehen hat», so Katumba. Die HIV-Ansteckungsraten seien in der Schweiz seit Jahren stabil. Daher frage er sich schon, ob die Kampagne zielführend sei.

«Zudem bin ich gespannt, ob diese Anzeige auch auf meinem Facebook-Feed auftaucht. Ob ich also vom Facebook-Algorithmus als Angehöriger einer Zielgruppe erfasst werde, nur weil ich dunkelhäutig bin.»

Daniel Seiler hält zum Rassismusvorwurf fest, dass «jede Kampagne, die sich an eine spezifische Zielgruppe richtet, andere Menschen ausschliesst und missverständlich sein kann». Er betont aber: «Der Aids-Hilfe Schweiz liegt es fern, dunkelhäutige Menschen in irgendwelcher Art zu stigmatisieren.»

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