Aserbaidschan wollte Schweizer Politiker bestechen
Huren, Kaviar und Millionen

Der Europarat wird von einem heftigen Korruptionsskandal erschüttert. Auch Schweizer Politiker sollten bestochen werden. Das zeigt ein externer Bericht, der am Sonntag veröffentlicht wurde.
Publiziert: 23.04.2018 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:40 Uhr
Der Europarat wird von einem Korruptionsskandal erschüttert. (Archivbild)
Foto: Conseil de l'Europe
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Pascal Tischhauser

Verschiedene amtierende und frühere Europaratsmitglieder haben sich wohl bestechen lassen. Das zeigt ein externer Bericht, den zwei frühere Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ein französischer Untersuchungsrichter verfasst haben.

Laut dem am Sonntag veröffentlichten Bericht sind jahrelang etliche Abgeordnete mit hohen Geldsummen und Geschenken aus Aserbaidschan bei Laune gehalten worden. Im Bericht ist von «Kaviar-Diplomatie» die Rede. Dank der Gefälligkeiten wurden Berichte verhindert, die die Menschenrechtslage in der vorderasiatischen Republik kritisierten.

Bei Dick Marty klopften die Prostituierten an die Türe

Dabei waren es nicht die Hinterbänkler, die mit Geschenken wie Firstklassflügen und teuren Hotels bei der Stange gehalten wurden. «Man hatte es auf die wichtigen Leute in Strassburg abgesehen», sagt ein Europaratsmitglied, das auf die Schilderung von Dick Marty (73) verweist. Beim früheren Tessiner Staatsanwalt und FDP-Ständerat hatte es, als er noch Europaratsmitglied war, morgens um ein Uhr an die Tür seines Hotels in Baku geklopft. Durchs Guckloch sah er zwei knapp bekleidete Frauen mit einer Champagnerflasche. Er habe die Tür  nicht aufgemacht, heisst es im Bericht.

Auch bei FDP-Nationalrätin Doris Fiala (61) hatte man es versucht. Das amtierende Mitglied der Europaratsdelegation hatte eine teure Goldkette mit Edelsteinen erst entgegengenommen, mit einiger Verzögerung dann aber richtig reagiert und diese zurückgegeben.

Die Schweizer Delegation gehört in Strassburg (F) zu den Kräften, die den Europarat von Korruption befreien wollen und den Expertenbericht mitgetragen haben.

Es ging um Millionenzahlungen

Der Kopf des Aserbaidschan-Skandals innerhalb des Europarats soll der italienische Christdemokrat Luca Volontè (52) sein, der aserbaidschanische Bestechungsgelder in der Höhe von 2,4 Millionen Euro bekommen habe. Gegen den Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei in Strassburg hatte die Mailänder Staatsanwaltschaft schon 2016 wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt.

Auch der einstige deutsche CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner steht im Fokus, weil er von 2012 bis 2014 mehr als 800’000 Euro entgegengenommen haben soll.

Kenner des Europarats erstaunt nicht, dass immer wieder Abgeordnete, die es in ihrem europäischen Herkunftsland in der Politik nicht weit gebracht haben, mit Karrieren im Europarat auffallen. Genau diejenigen würden eine gewisse Nähe zu verschiedenen Despoten pflegen.

Der Ratspräsident hatte schon im Oktober gehen müssen

Solches Verhalten wirft schon länger ein schiefes Licht auf die Mitglieder des Hüterrats der Demokratie, als der der Europarat sich gerne sieht. So hatte bereits im Oktober der damalige Ratspräsident Pedro Agramunt (66) seinen Hut nehmen müssen – nachdem er sich lange Zeit gegen eine Demission gewehrt hatte, in dem er einfach nicht mehr an den Sitzungen teilnahm. Am Schluss war er seiner Abwahl durch seinen Rücktritt zuvorgekommen.

Dem Spanier war zum Verhängnis geworden, dass er sich im Frühling 2017 in einem russischen Flugzeug als Teil einer Parlamentariergruppe nach Damaskus hatte bringen lassen, wo er und die weiteren Teilnehmer den syrischen Präsidenten Baschar al Assad trafen. Neben ranghohen Abgeordneten des russischen Parlaments waren auch Agramunts Landsmann Jordi Xucla und der Belgier Main Destexhe mit dabei.

Und eben: Xucla war Vorsitzender der liberalen Fraktion und Destexhe Vorsitzender des Justizausschusses im Europarat. Beide keine kleinen Nummern in Strassburg.

Russlandreisende mussten alle den Hut nehmen

Russland hatte die Syrien-Reise als grossen Erfolg gefeiert. Da hatte es nur noch hilflos gewirkt, dass Agramunt behauptete, der Trip sei privat begründet gewesen. Man wüsste gerne, welche Vergünstigungen und Gegenleistungen die Europaratsmitglieder für ihre Syrien-Reise erhielten. Nicht nur Agramunt, auch seine Begleiter sind heute nicht mehr im Amt. 

Der nun veröffentlichte Bericht soll nun das Grossreinemachen in Strassburg einleiten.

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