Aufstand des Mittelstands beim USR-III-Nein: Das muss jetzt geschehen
Mehr Vertrauen, weniger Bonus

Mit der Steuervorlage wurde am Sonntag auch das Vertrauen in die Wirtschaftselite bachab geschickt. Für eine neue Steuervorlage ist laut ehemaligen und aktuellen Politikern auch Arbeit abseits des Parlaments gefragt.
Publiziert: 14.02.2017 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:58 Uhr
Das Volk lasse sich nicht kaufen, sagt Ständerat Thomas Minder. «Ich erlebe gleich mehrere Déjà-vus zu meiner Abzocker-Initiative.»
Foto: Sabine Wunderlin
Joël Widmer und Cinzia Venafro

Der Mittelstand hat wieder zugeschlagen. Der Ärger über die wirtschaftspolitische Elite ist seit dem Ja zur Abzocker-Initiative des heutigen Ständerats Thomas Minder 2013 nicht verraucht. Er glimmte als Schwelbrand weiter. Mit dem wuchtigen 60-Prozent-Nein zur Unternehmenssteuerreform III am Sonntag flammt er wieder auf – und wie.

«Ich erlebe gleich mehrere Déjà-vus zu meiner Abzocker-Initiative», sagt Minder. Das Volk lasse sich nicht kaufen, das habe es jetzt erneut bewiesen. «Auch bei mir weibelten drei Bundesräte und Wirtschaftsverbände mit ihrer arroganten Gelddominanz und einer Zehn-Millionen-Kampagne gegen die Abzocker-Initiative.» Das Nein zur Steuerreform sei eine Ohrfeige für die gesamte Rechte und Ausdruck des tiefen Verdrusses aufs Establishment.

«Künftig müssen alle Bundesratsparteien hinter einer solche Vorlage stehen, auch die SP»: Ehemaliger FDP-Präsident Franz Steinegger.
Foto: Philippe Rossier

Vertrauensarbeit nötig

Neben einer neuen Vorlage brauche es nun Vertrauensarbeit durch die Wirtschaft, findet der ehemalige FDP-Präsident Franz Steinegger. Und bei einer so komplexen Vorlage reiche eine Allianz von Bürgerlichen und Wirtschaft nicht aus. «Künftig müssen alle Bundesratsparteien dahinter stehen, auch die SP.» Das ist die Lehre, die Steinegger aus dem Nein vom Sonntag zieht.

«Ein CEO sollte halt mal auf seinen Bonus verzichten und damit ein paar Arbeitsplätze erhalten»: BDP-Präsident Martin Landolt.
Foto: EQ

Massives Misstrauensvotum

Für BDP-Präsident Martin Landolt, dessen alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit ihrem BLICK-Interview einiges zum Aufstand des Mittelstands beigetragen hat, geht die Krise tiefer. «Das Nein zur Unternehmenssteuerreform ist ein massives Misstrauensvotum gegen die Wirtschaft, die Verbände, die Parteien.» Dem Mittelstand gehe es gefühlsmässig nicht gut. Nach Krankenkassenprämien und Steuern bleibe für viele nicht allzu viel übrig. «Und dann sieht man, wie den sozial Schwachen vom Staat geholfen wird und Topverdiener immer mehr kassieren», so Landolt. Das Vertrauen lasse sich nur über ein sichtbares vorbildliches Unternehmertum zurückgewinnen. «Ein CEO sollte halt mal auf seinen Bonus verzichten und damit ein paar Arbeitsplätze erhalten», fordert Landolt.

«Wir müssen nun den Dialog mit der Gesellschaft sicher verstärken»: Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl.
Foto: Keystone

Dialog verstärken

Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl gibt «schon zu denken», dass die Zweifelnden nicht der breiten Ja-Allianz vertraut hätten. Es gebe offenbar ein Misstrauen des Mittelstands gegenüber der Globalisierung, gegenüber der zunehmenden Komplexität. Dennoch sieht Rühl ihren Verband grundsätzlich auf Kurs. «In den letzten drei Jahren haben wir acht Abstimmungen gewonnen.» Zudem habe der Verband seit drei Jahren ein Dialogprojekt zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Und viele Firmen suchten über eigene Initiativen die Nähe zu den Menschen. «Wir müssen nun den Dialog aber sicher verstärken», so Rühl.

«Der Weg über die Kapitalgewinnsteuer ist falsch. Die Reichen werden sie umgehen können»: FDP-Ständerat Ruedi Noser.
Foto: Joseph Khakshouri

Warnung vor Kapitalgewinnsteuer

Der Zürcher FDP-Ständerat und Unternehmer Ruedi Noser gibt zu, dass man in der Pro-Kampagne einige Fehler gemacht habe. Aber auch das Weltgeschehen habe seinen Einfluss: «Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit. Die Leute erwarten nichts Gutes von der Zukunft.» Die Rhetorik sei weltweit gewalttätiger. Noser fordert eine Aufspaltung der Vorlage, sodass zügig ein Paket mit den unbestrittenen Teilen ins Parlament komme. Und an die Linke und den Mittelstand gerichtet, meint Noser: «Der Weg über die Kapitalgewinnsteuer ist falsch.» Diese müssten dann er und die einfachen Leute des Mittelstands zahlen. «Die Reichen werden die Steuer umgehen können.»

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