Avenir Suisse will eine Europa-Debatte, aber politisch sind die EU-Gegner am Drücker
Abschotter lancieren eine Grossoffensive

Einen besseren Zeitpunkt hätte sich Avenir Suisse mit ihrem Weissbuch zur Zukunft der Schweiz gar nicht aussuchen können. Gestern debattierte der Nationalrat über die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP. Und die nächste Abschottungs-Offensive ist schon unterwegs.
Publiziert: 31.05.2018 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:40 Uhr
Avenir-Suisse-Chef Peter Grünenfelder hätte sich keinen besseren Zeitpunkt für die Lancierung des neuen Weissbuchs über die Zukunft der Schweiz wählen können.
Foto: Anja Wurm
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Sermîn Faki

Einen besseren Zeitpunkt für ihr Weissbuch hätte die liberale Denkfabrik Avenir Suisse gar nicht wählen können. Die Frage, wohin die Schweiz in ihren Beziehungen zum Ausland steuert, ist aktuell wie selten: Gestern debattierte der Nationalrat die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP.

Sie fordert, dass die Bundesverfassung Vorrang vor fast allen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz haben soll. Verträge, die der Verfassung widersprechen, müsste die Schweiz neu verhandeln oder kündigen. Für das Bundesgericht sollen nur noch diejenigen internationalen Verträge massgebend sein, die das Referendum überstanden haben.

Von Demokratieabschaffern und Schreihälsen

Wie sehr dieses Szenario die Gemüter erhitzt, liess sich im Nationalrat gut verfolgen. Die SVP versuchte, ihre Redezeiten durch endlose Nachfragen an die eigenen Leute zu verlängern, die anderen Parteien wiederum liessen Fragen der SVP nicht zu. Insbesondere «Weltwoche»-Chef Roger Köppel (53) lief immer wieder auf. Worauf der sich rächte: Was der Rat hier mache, sei «ein Vorgeschmack auf die Abschaffung der Demokratie!«, wetterte er. «Sie sollten sich schämen!» Auf die Retourkutsche musste er nicht lange warten – Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (46) bezeichnete den SVP-Kollegen kurzerhand als «Schreihals».

Die Aufregung kommt nicht von ungefähr: Eine Annahme der Initiative würde die Schweiz in die Isolation führen – denn wer würde noch Verträge mit uns abschliessen, wenn wir sie jederzeit brechen könnten? Der Nationalrat dürfte die Initiative ablehnen – wie schon der Ständerat vor ihm. Denn für alle anderen Parteien ausser der SVP führte die versprochene Selbstbestimmung viel eher zur Selbstzerstörung.

Abschottung gehört zur DNA der SVP

Wie die Volksabstimmung ausgeht, bleibt abzuwarten. Stand jetzt sieht es nicht gut aus für die SVP. Doch sie wird die ewige Frage um Identitätbewahrung und Öffnung weiterhin geschickt bewirtschaften. Denn der Kampf gegen die internationale Verflechtung der Schweiz gehört spätestens seit der EWR-Abstimmung 1992 zur DNA der Partei.

Es folgten Ausschaffungs-Initiative, Masseneinwanderungs-Initiative, jetzt die Selbstbestimmungs-Initiative. Und für das nächste Volksbegehren sammelt die SVP bereits Unterschriften. Die Kündigungs-Initiative trägt die Abschottungsideologie sogar im Titel. Sie soll die Personenfreizügigkeit mit der EU beenden. Damit würden automatisch alle sechs anderen Abkommen der Bilateralen I gekündigt – so sieht es das Paket vor. Und das wäre dann die hundertprozentige Realisierung des Szenarios «Selbstbestimmter Rückzug», den Avenir Suisse präsentiert hat.

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