«Ab 1. März sollte es möglich sein»
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Berset unter Druck:«Ab 1. März sollte es möglich sein»

Berset unter Druck – So drängen Westschweiz und Wirte auf Öffnung
«Ab 1. März sollte es möglich sein»

Der Gesundheitsminister rät zur Vorsicht. Doch die Romandie will Schwimmbäder und Fitnesszentren öffnen, die Wirte möchten bis 23 Uhr Gäste empfangen – und zwar ab März.
Publiziert: 14.02.2021 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2021 um 20:23 Uhr
Simon Marti und Camilla Alabor

Der Druck ist zu stark geworden: Am Mittwoch wird der Bundesrat erste Lockerungen seiner aktuellen Corona-Mass­nahmen präsentieren.

Mit definitiven Entscheiden will Alain Berset (48) noch warten. ­Seine Öffnungsstrategie legt er ­zunächst den Kantonen vor. Erst nach dieser Konsultation, so erklärte der Sozialdemokrat im Interview mit der Zeitung «La Liberté», würde sie ab 1. März in Kraft gesetzt.

Wohl ist dem Gesundheitsminister dabei nicht, er reagiert damit ­lediglich auf immer drängendere Forderungen aus Bevölkerung, Politik und Wirtschaft. Selbst für eine ­zögerliche Öffnung, so verlautet aus Bersets Departement, sei es angesichts der Infektionszahlen eigentlich zu früh. Mit mehr als 1000 Neuansteckungen pro Tag liegen sie weiterhin hoch.

Kantone konsultieren: Bundesrat Alain Berset.
Foto: Tomas Wüthrich / 13 Photo
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Zur Vorsicht mahnt auch der Präsident der Gesundheitsdirek­toren Lukas Engelberger. Angesichts der unsicheren Situation – noch ist unklar, ob diverse Muta­tionen des Sars-Cov-2-Virus höhere Fallzahlen mit sich bringen – plädiert der Basler dafür, erst gegen Ende Februar über denkbare Lockerungen zu entscheiden.

So viel Zurückhaltung halten Wirtschaftsverbände wie Gewerkschaften, das machten sie diese Woche klar, für unangebracht. Ihrem Ruf nach einer konkreten Perspektive für den Frühling wird sich Berset denn auch nicht auf Dauer entziehen können. Sein Vorgehen verschafft ihm aber Luft: Laufen die Fallzahlen bis Ende Februar aus dem Ruder, kann der Bundesrat die Lockerungen noch sistieren.

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Konkrete Vorschläge aus der Westschweiz

Aus der Westschweiz kommen bereits umsetzbare Vorschläge: «Es sollte möglich sein, auf den 1. März Sportanlagen, Fitnesszentren und Schwimmbäder wieder zu öffnen», sagt der Genfer Gesundheitsdirektor Mauro Poggia (61, MCG): «Auch kulturelle Veranstaltungen könnte man im kleinsten Rahmen wieder ermöglichen – die Kantone sollten die Möglichkeit haben, hier erste Pilotprojekte durchzuführen.»

Poggia glaubt, dass die gesamte ­Romandie diesen Kurs mittragen wird; Anfang Woche wollen die ­lateinischen Kantone ihre Position fest­legen. «Ich gehe davon aus, dass wir uns auf drei oder vier Lockerungsschritte einigen, mit Abständen von jeweils zwei oder drei Wochen», sagt Poggia. Nach Sportanlagen und kulturellen Anlässen sollten im zweiten Schritt die Läden öffnen können, im dritten dann die Restaurants.

Die Regierungsräte der Deutschschweiz halten sich mit Vorschlägen zurück. Doch auch der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf findet, «aufgrund der rückläu­figen Fallzahlen des ‹normalen› Virus sollten erste kleinere Lockerungsschritte möglich sein». Es gelte aber genau zu beobachten, wie sich die Fallzahlen aufgrund der Virusmutationen in den nächsten Tagen entwickeln.

Gastrosuisse ärgert sich

Eine zügige Öffnung der Restaurants steht demnach weder für Bund noch Kantone an erster Stelle – sehr zum Ärger des ­Branchenverbands Gastrosuisse. «Wir warten immer noch auf den Beweis, dass das Virus in Restaurants gefährlicher ist als in anderen Innenräumen», sagt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. Der Verband hat dem Bundesrat einen Plan präsentiert, der SonntagsBlick vorliegt.

Grundlage dieses Konzepts sind die Einhaltung der Abstandsregeln und Hygienemassnahmen sowie die systema­tische Erfassung der Kontaktdaten aller Gäste. Damit sollen die Restaurants unter strengen Auflagen bereits ab 1. März ihre Türen öffnen dürfen. Für Gäste bedeutet das Maskenpflicht bis zum Platz, keine Stehplätze und Sperrstunde um 23 Uhr.

Diese Auflagen würden dann schrittweise gelockert, je nach Entwicklung der Pandemie und der Situation in den Spitälern. Wenn beispielsweise die Hospitalisierungen während zweier Wochen unter 1000 Personen bleiben, sind weitere Lockerungen möglich. Die letzten Einschränkungen fallen, sobald ein noch zu bestimmender Anteil der Bevölkerung geimpft ist.

«Wir müssen endlich einen Weg finden, wie wir mit dieser Pandemie längerfristig umgehen», fordert Platzer. Der Lockdown sei hinsichtlich Wirksamkeit und Kosten keine sinnvolle Langzeitstrategie.

«Stellen wir die Schliessungen einzig auf die Fallzahlen ab, ist womöglich im Herbst wieder ­alles zu und wir haben das Pro­blem noch über Jahre. Das kann es ja wohl nicht sein.» Platzer hofft, dass sich im Bundesrat eine Mehrheit für seinen Plan findet, «auch wenn ich den Verdacht habe, dass Alain Berset am liebsten alles geschlossen halten möchte».

SVP verliert die Geduld

Die SVP zeigt für Bersets Zurückhaltung ebenfalls wenig Verständnis. Parteipräsident Marco Chiesa (46) lässt durchblicken, dass Bundesrat Ueli Maurer (70) und Bundespräsident Guy Parmelin (61) dies an der Sitzung der Regierung nächste Woche deutlich machen werden.

Grundsätzlich brauche die ­Bevölkerung ein Konzept, das Schritt für Schritt aufzeige, unter welchen Bedingungen welche Massnahmen aufgehoben werden können, hält Chiesa fest. Läden, in denen der Abstand ­gewährleistet werden kann, sollten öffnen dürfen. «Ich gehe davon aus, dass die Bundesräte der SVP Vorschläge in diese Richtung einbringen», so der Tessiner.

Dass die Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung verbreitet ist, macht auch eine Petition deutlich, die eine sofortige Öffnung von Läden, Restaurants und Sportanlagen verlangt: Innerhalb eines knappen Monats haben über 230'000 Menschen den Aufruf unterschrieben.

Selbst wenn der Bundesrat also am Mittwoch Szenarien für erste Lockerungen präsentiert: Der Druck auf Gesundheits­minister Berset wird so schnell nicht nachlassen.

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