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Berset warnt vor Vervielfachung der Fälle
«Die Britische Corona-Mutation ist ein Gamechanger»

Die Corona-Krise dauert jetzt fast ein Jahr. Gesundheitsminister Alain Berset blickt auf das Jahr der Pandemie zurück und sagt, was jetzt zähle. Bei Nichtstun drohe eine Vervielfachung der Fälle. Die britische Virus-Mutation sei ein «Gamechanger».
Publiziert: 17.01.2021 um 03:53 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2021 um 11:22 Uhr

Gesundheitsminister Alain Berset (48) ist in Sorge. Dies Monate nach seinem inzwischen berühmten Bonmot im Sommer: «Wir können jetzt Corona.» Die damalige Zuversicht ist gewichen. Heute denke er, sagt der Bundesrat, «dass wir alle gerade im Sommer zu optimistisch waren.» Zum Gespräch trifft er Journalisten auch nicht mehr im gleichen Raum, sondern im Videochat. Die Lage habe sich zugespitzt, sagte Berset der «SonntagsZeitung».

Die Gelassenheit in Sommer ist Angespanntheit gewichen. Der «Gamechanger», wie Berset es nennt, sei die britische Virus-Mutation. Diese stelle auch den Erfolg der sinkenden Infektionszahlen infrage: «Deshalb müssen wir einen Schritt weiter gehen, ohne gleich zum umfassenden Lockdown zu greifen. Tun wir nichts, explodieren die Ansteckungen bis Ende Februar. Gemäss Schätzungen drohen dann bis zu 15'000 Fälle täglich.»

Eigene Laboranalysen des Bundes würden beweisen, dass das Virus mehr als doppelt so ansteckend ist. Unklar bleibe jedoch, weshalb die neue Variante so viel ansteckender sei. Unklar sei ebenfalls, ob FFP2-Masken besser schützen, weshalb der Bund im Moment auf strengere Vorgaben bei den Masken verzichte. Doch trotz der noch vor Weihnachten verschärften Massnahmen würden sich die Fälle mit dem neuen Virus wöchentlich verdoppeln. Es bleibe keine andere Wahl, als zu reagieren.

Gesundheitsminister Alain Berset ist in Sorge. Die Situation habe sich zugespitzt, sagt er.
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Kritik an SVP

Zu den Restaurant- und Ladenschliessungen, die von vielen als unnötig kritisiert werden, sagt Berset, die Zahlen seien überall gefallen, wo Restaurants oder sogar Geschäfte geschlossen wurden: «Das kann kein Zufall sein.» Wer noch immer gegen solche Schliessungen argumentiere, ignoriere die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus zwei Wellen.

Studien würden auch zeigen, dass verschärfte Massnahmen der Wirtschaft langfristig helfen und eben nicht vorab schaden, wie von der SVP und Teilen der Wirtschaft kritisiert. «Nichts zu tun und kurzfristig alles den wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, käme uns langfristig teurer», sagt Berset.

Werde mit Massnahmen zu lange zugewartet, müssten spätere Massnahmen viel weiter gehen, als bei früherem Eingreifen nötig gewesen wäre. Der Bundesrat versuche eine «gute Balance zwischen gesundheitlichen Massnahmen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu finden». Unzureichende Massnahmen würden auch den Erfolg der Impfaktion infrage stellen. «Eine dritte Welle genau dann, bevor Leute schwer erkranken oder gar sterben, wäre das schlimmste Szenario.» Menschen gehörten erst geschützt und dann rechtzeitig geimpft.

Kommen weitere Verschärfungen?

Ladenschliessungen, Homeoffice und auch die Beschränkung privater Treffen auf fünf Personen würden bereits «sehr weit gehen», räumt Berset ein. In der Krise lasse sich nichts aus Prinzip ausschliessen, doch er sehe gute Chancen, dass der eingeschlagene «Mittelweg» bis im Frühling uns eine gute Position bringe und die Impfungen rasch vorantreibe.

Schulen zu schliessen erachte er als «das letzte Mittel». Geschlossene Schulen würden «sehr viel Leid verursachen – von Bildungslücken über Depressionen bis zu häuslicher Gewalt». Bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen müssten sich Kantone Fernunterricht zumindest für die weiterführenden Schulen überlegen, so Berset. Für die Volksschule sehe er das weniger.

Briten-Virus war nicht abzusehen

Britische Skitouristen, die Träger der aggressiven Corona-Variante waren, ins Land zu lassen, das erachtet Berset nicht als Fehler: «Niemand konnte wissen, dass gerade von dort eine neue Variante in die Schweiz kommen könnte.»

Es sei alles sehr schnell gegangen. Im Sommer habe man wieder mit baldigen Grossanlässen gerechnet: «Dann kam Anfang Oktober plötzlich sehr rasch die zweite Welle. Wir gehörten zu den am ersten betroffenen Ländern. Alle Pläne waren plötzlich Makulatur.»

Jetzt sei nicht die Zeit, mit dem Finger auf andere zu zeigen: «Wir müssen jetzt solidarisch handeln, damit wir das Virus kontrollieren können.» (kes)

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