Brüssel stellt sich bei der Forschung stur - Parlamentarier fordern
Bern soll hinter den Kulissen verhandeln

Solange die Schweiz die Kohäsionsmilliarde zurückhält, bleibt sie von den EU-Forschungsprogrammen ausgeschlossen. Nun fordern Politiker mehr Engagement vom Bundesrat.
Publiziert: 01.08.2021 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2021 um 08:31 Uhr
Camilla Alabor

Die Schweiz hat ein Händchen dafür, das Verhältnis zur EU immer dann kompliziert zu machen, wenn sie auf gute Beziehungen angewiesen wäre. So war es 2014, als das Stimmvolk zur SVP-Masseneinwanderungs-Initiative Ja sagte. Und so ist es auch jetzt, nachdem der Bundesrat die Verhandlungen über das Rahmenabkommen abgebrochen hat.

Vor sieben Jahren schloss die EU die Schweiz aus dem Erasmus-Programm aus. Später erneuerte man es zwar, doch für Studierende wurde es komplizierter, an europäischen Unis ein Austauschjahr zu machen.

Es geht um die nächsten sieben Jahre

Auch jetzt kommt die Verschlechterung des bilateralen Verhältnisses ungelegen, aktuell wird über die Wiederauflage der EU-Forschungsprogramme für die nächsten sieben Jahre entschieden. Die Schweiz würde vor allem gerne an Horizon Europe und am Erasmus-Programm teilnehmen. Doch Brüssel machte vor zwei Wochen undiplomatisch klar: Kommt nicht in die Tüte.

Die Schweiz würde gerne mitmachen bei den EU-Forschungsprogrammen wie Horizon Europe und Erasmus Plus.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Schweiz wird als nicht assoziierter Drittstaat behandelt, solange sie die Kohäsionsgelder nicht ausbezahlt. Das heisst, sie kann nicht einmal über eine Teilnahme an den Programmen verhandeln.

Zwar will der Bundesrat dem Parlament in der Herbstsession beantragen, die Kohäsionsmilliarde freizugeben. Doch selbst wenn das Parlament darauf eingeht, ist eine Teilnahme an den Forschungsprogrammen nicht garantiert.

Geraten Schweizer Unis ins Hintertreffen?

Denn um die Teilnahmebedingungen an den EU-Programmen zu regeln, will Brüssel zunächst eine Rahmenvereinbarung abschliessen. Das könnte dauern – und die Schweizer Universitäten weiter ins Hintertreffen bringen.

In der Politik werden nun Stimmen laut, die vom Bundesrat fordern, er solle sich in Brüssel stärker für die Schweizer Spitzenforschung einsetzen. SP-Aussenpolitiker Eric Nussbaumer (61) findet, Aussenminister Ignazio Cassis (60) solle Gespräche mit der EU aufnehmen, «damit wir die Rahmenvereinbarung für die Teilnahme an den EU-Programmen noch in diesem Jahr aushandeln und unterzeichnen können».

Bundesrat wartet ab

Doch der Bundesrat bleibe untätig, kritisiert Nussbaumer: «Er weiss offenbar noch nicht einmal, bei welchen Programmen er dabei sein will. Diese Verzögerungstaktik geht so nicht!»

Der liberale Nationalrat Christoph Eymann (70) teilt diese Ansicht: «Der Bundesrat muss mehr unternehmen, um Brüssel klar zu machen, dass die Schweiz bei Horizon Europe dabei sein will.»

Swissuniversities, der Verein der Schweizer Hochschulen, setzt auf direkten Kontakt zu den europäischen Universitäten, «damit diese bei ihren eigenen Regierungen darauf hinwirken können, dass das wissenschaftliche Europa die Schweiz braucht», wie Präsident Yves Flückiger (65) schreibt. Zudem stehe man in Kontakt mit dem Bund, «um sicherzustellen, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden können».

Druck auf den Bundesrat bleibt

Im Aussendepartement hält man derweil fest, Bundesrat Cassis habe die Forschung gegenüber EU-Vertretern bei seinem Besuch vor zwei Wochen thematisiert. Der Bundesrat strebe weiterhin eine möglichst schnelle Assoziierung an Horizon Europe an, schreibt ein Sprecher. Um sogleich einzuschränken: «Aus heutiger Sicht ist der Abschluss eines Assoziierungsabkommens im Jahr 2021 nicht vorzusehen.»

Der Druck auf den Bundesrat dürfte damit hoch bleiben. Sowohl aus dem Parlament – als auch aus Brüssel.

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