Bundesrat Ignazio Cassis punktet bei der GLP
Grünen-Kandidatin Rytz muss Boden gutmachen

Grünen-Chefin Regula Rytz will FDP-Magistrat Ignazio Cassis den Bundesratssitz wegschnappen. Dieser traf sich mit der GLP zum Zmorge – und strich seine ökologische Seite hervor. «Er wirkte durchaus sympathisch», so GLP-Chef Jürg Grossen. Für Rytz bleibt die Hürde hoch.
Publiziert: 04.12.2019 um 18:50 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 07:17 Uhr
Die grüne Bundesratskandidatin Regula Rytz hofft auf die Stimmen der GLP.
Foto: Keystone
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Ruedi Studer, Daniel Ballmer und Sermîn Faki

Sichern Kaffee und Gipfeli Ignazio Cassis (58) den Bundesratssitz? Der Aussenminister hatte die GLP am Mittwoch nämlich zum Zmorge geladen, nachdem diese tags zuvor die grüne Bundesratskandidatin Regula Rytz (57) angehört hatte.

Punkt 7 Uhr traten die Grünliberalen im «Bernerhof» an. Gut eine Stunde lang fühlten sie dem Aussenminister auf den Zahn. «Es war ein Kennenlerntreffen, um vor allem unseren neuen Fraktionsmitgliedern einen persönlichen Eindruck von Bundesrat Cassis zu ermöglichen», sagt GLP-Chef Jürg Grossen (50) zu BLICK. «Das ist nichts anderes als fair, nachdem wir Regula Rytz angehört haben.»

Cassis strich seine Öko-Seite hervor

Inhaltlich standen die Europapolitik und das Rahmenabkommen im Fokus, wo die GLP zu Cassis' Verbündeten gehört. Doch auch seine ökologische Seite konnte der Tessiner hervorstreichen – und etwa daran erinnern, dass er als früherer FDP-Fraktionschef die Energiestrategie 2050 unterstützt hatte. «Er hat durchaus eine Affinität zu ökologischen Themen, das war für unsere neue Fraktion sicher wertvoll zu erfahren», so Grossen. «Nervös hat er jedenfalls nicht gewirkt, sondern durchaus sympathisch.»

Was das mit Blick auf die Bundesratswahl bedeutet, will Grossen aber nicht beurteilen. Nächsten Dienstag werde die Fraktion beschliessen, ob sie für jemanden eine Wahlempfehlung abgebe oder sich allenfalls für Stimmfreigabe entscheide, so Grossen.

Denn die GLP steckt im Dilemma. «Die ideale Wahl gibt es für die Grünliberalen nicht», so Grossen. «Mit Cassis zementieren wir die Übervertretung der FDP für die nächsten vier oder acht Jahre, mit Rytz hingegen gäbe es eine Übervertretung der Linken im Bundesrat. Die konstruktive Mitte bleibt in beiden Fällen untervertreten.»

GLP-Stimmen dürften sich aufsplitten

Cassis konnte beim Zmorge also durchaus punkten. Dass sich die Grünliberalen geschlossen hinter die grüne Sprengkandidatin stellen werden, ist damit unwahrscheinlich geworden. Erst recht, weil Rytz die GLP mit ihrem Vorpreschen vor den Kopf gestossen hat. Die grünliberalen Stimmen dürften sich deshalb zwischen Rytz und Cassis aufsplitten.

Für das links-grüne Lager ein Schreckensszenario. Dieses hatte nämlich auf einen einhelligen Support von Rytz durch die GLP als ökologische Einheitskandidatin gehofft. Und mit den Stimmen von Grünen, SP und GLP hätte die Bernerin schon mal 99 Stimmen auf sich vereinen können.

Rytz' Stern sinkt

Ein klares GLP-Bekenntnis hätte möglicherweise eine Dynamik zugunsten von Rytz in der CVP oder allenfalls sogar der SVP ausgelöst, um die notwendige Hürde von 124 Stimmen zu schaffen.

Doch nun ist Rytz' Stern am Sinken. Die SP dürfte sich zwar nächste Woche weitgehend geschlossen hinter die Grünen-Chefin stellen. Doch im bürgerlichen Lager scheint nicht allzu viel zu holen zu sein.

In der CVP werde sie kaum mehr als eine Handvoll Stimmen machen, meint ein CVP-Nationalrat. Allenfalls werden auch einige SVP-Parlamentarier Rytz ihre Stimmen geben oder zumindest leer einlegen, weil sie sich von Cassis in der Europapolitik über den Tisch gezogen fühlen. Allgemein gilt aber die Vorgabe der SVP-Spitze, dass alle Bisherigen wiedergewählt werden. Eine Grüne anstelle eines Bürgerlichen bleibt für die meisten ein Tabu.

FDP-Reihen haben sich geschlossen

In der FDP wiederum haben sich aufgrund der grünen Attacke die Reihen hinter Cassis geschlossen. Ohne den Rytz-Angriff hätte der Tessiner eher mit einem Denkzettel rechnen müssen, vermutet ein FDP-Vertreter. Denn nicht alle Freisinnigen sind von ihrem eigenen Bundesrat begeistert.

Die Grünen geben den Kampf trotzdem noch nicht auf. In Einzelgesprächen versuchen Fraktionsmitglieder derzeit, bürgerliche Ratskollegen von ihrer Chefin zu überzeugen. «Wir geben die Schlacht erst verloren, wenn sie auch geschlagen ist», heisst es bei ihnen unisono.

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