Bundesrat will eigentlich Moratorium
Schweizer Firma mischt beim Tiefseebergbau mit

Der Bundesrat will ein Moratorium für den Tiefseebergbau. Doch auch eine Schweizer Firma hat darin investiert. Eine Entscheidung fällt bald.
Publiziert: 08.07.2023 um 10:53 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2023 um 15:54 Uhr
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Tief unten im Meer liegt ein Millionenschatz. Billionen von Knollen, Krusten und Steinen, die aussehen wie Kartoffeln, bedecken den Meeresgrund. Sie enthalten Nickel, Kupfer und Kobalt: Wertvolle und rare Rohstoffe, die man unter anderem für die Produktion von Batterien, Elektroautos oder Fotovoltaikanlagen braucht.

Eine Freiburger Firma hat es auf diesen Schatz abgesehen. Das Unternehmen Allseas mit Sitz in Châtel-Saint-Denis FR will gemeinsam mit Partnerfirmen aus dem Ausland aus den Knollen Geld machen. Viel Geld.

Bislang gibt es lediglich Forschung in der Tiefsee, die zum Ziel hat, herauszufinden, wie die Meeresumwelt beschaffen ist und wie sich ein Abbau der Mineralien auswirken könnte. Jetzt wollen die Firmen endlich mit dem Abbau beginnen. Dafür braucht es Regeln, die es noch nicht gibt. Einzelne Staaten, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler kämpfen gegen den Abbau, weil sie die Konsequenzen für die Umwelt fürchten.

Auf dem Meeresboden gibt es nicht nur Korallen, sondern auch handfeste Schätze.
Foto: keystone-sda.ch
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Auch im Parlament wird der Klimaschutz zum Thema

Ab Montag berät die internationale Meeresbodenbehörde (ISA) über die Forderung nach einem Moratorium. Auch die Schweiz setzt sich dafür ein. Der Bundesrat ist der Meinung, dass zuerst mehr wissenschaftliche Erkenntnisse über die Folgen des Abbaus vorliegen müssen. Und der Schutz der Meeresumwelt gewährleistet sein muss. Auch Deutschland, Spanien oder die Niederlande sind für ein Moratorium, Frankreich will gar ein Verbot.

Allseas will schnell starten

Allseas stellt sich gegen ein Moratorium. Das Einsammeln von Knollen in der Tiefsee sei sicherer und nachhaltiger als der Abbau an Land. Mediensprecher Jeroen Hagelstein verspricht: Sollte die aktuelle Forschung am Ende zeigen, dass die Gewinnung kritischer Batteriemetalle dem Planeten mehr schadet als nützt, «werden wir uns nicht um einen Abbauvertrag bemühen und andere Optionen prüfen».

Eine kommerzielle Gewinnung von Knollen am Meeresboden werde erst nach mehrjähriger Umweltverträglichkeitsstudien durchgeführt. «Wenn diese Untersuchungen zeigen, dass die Risiken die Vorteile überwiegen, kann die Weltgemeinschaft über die ISA entscheiden, dass unser Projekt nicht durchgeführt werden soll», sagt Hagelstein.

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«Ein Moratorium könnte bedeuten, dass wir den Zeitplan überdenken würden.»
Jeroen Hagelstein
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Auf die Frage, was ein Moratorium finanziell für Allseas bedeuten würde, weicht Mediensprecher Hagelstein aus: «Ein Moratorium könnte bedeuten, dass wir den Zeitplan überdenken würden.» Entscheidet die ISA im Sinne des Konzerns, könnten sie schon Ende 2024 mit dem Schürfen beginnen. «Ist das Sammelsystem aufgerüstet, werden wir in der Lage sein, 1,3 Millionen Tonnen Knollen pro Jahr zu sammeln.»

Firmen finanzieren Forschung

Dem Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim (40) hingegen reichen Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht. Diese seien nämlich jeweils lokal beschränkt. «Es braucht mehr Forschung, inwiefern der Tiefseebergbau die Natur belastet.»

Tatsächlich wird die Forschung aber von den Firmen finanziert, die hoffen, später die wertvollen Ressourcen auch bergen zu können. «Mit ihrer Forderung nach einem Moratorium riskieren die Nichtregierungsorganisationen, genau die Forschung zu unterminieren, die sie fordern», warnt Jeroen Hagelstein von Allseas.

Erik van Doorn, der am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel forscht, teilt die Befürchtung. «Rechtlich gesehen wäre auch mit einem Moratorium die Forschung noch weiter möglich», sagt er. «Jetzt investieren aber viele Firmen, die ein kommerzielles Interesse haben, auch in die Forschung. Ob sie das weiterhin tun, ist fraglich.» Dann müssten die Staaten einspringen, fordert auch Grünen-Nationalrat Mahaim. Doch ob sie das tun?

Ob sich die Staaten tatsächlich auf ein Moratorium einigen können, ist fraglich. «Ich könnte mir auch vorstellen, dass man es anders nennt, zum Beispiel ein ‹vorsorgliches Pausieren›», sagt van Doorn. Dazu sei es denkbar, dass man so strenge Regeln aufstelle, die den Tiefseebergbau verunmöglichen.

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