«Du musst zuverlässig und selbstständig sein»
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LKW-Fahrer über ihren Beruf:«Du musst zuverlässig und selbstständig sein»

Chauffeure fordern bessere Arbeitsbedingungen
«Manche fahren mehr als 50 Stunden pro Woche»

Der Berufsverband der Chauffeure kämpft mit einer Initiative für bessere Arbeitsbedingungen. Wer bei Chauffeuren herumfragt, hört viel von langen Arbeitstagen, aber noch mehr über die Liebe zum Beruf.
Publiziert: 06.02.2023 um 01:08 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2023 um 07:26 Uhr
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Sara BelgeriRedaktorin

An der Autobahnraststätte Würenlos kehrt niemals Stille ein. Auf der A1 donnern Fahrzeuge mit 120 km/h vorbei. Rechts und links machen Dutzende von Lastwagen Halt, bei den meisten läuft der Motor. Die Chauffeure essen ein Sandwich, telefonieren. Manche steigen aus und grüssen sich, diskutieren.

Es ist Ende Januar, 11 Uhr vormittags. Radomir (58) schaut aus seiner Fahrerkabine und lässt das Fenster seines Lastwagens runter. Vor seinem Mund bilden sich weisse Atemwolken.

Neun Stunden unterwegs

Sein Arbeitstag hat vor einigen Stunden begonnen. «Mein Alltag ist anders als der von Leuten, die im Büro arbeiten», sagt er und zeigt auf die Kabine: «Das ist mein Büro.» Der Chauffeur fährt seit 25 Jahren LKW. Lange in Italien, seit zwei Jahren lebt er in der Schweiz und arbeitet für ein hiesiges Transportunternehmen.

Radomir arbeitet seit 25 Jahren als LKW-Fahrer.
Foto: Sara Belgeri
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Er fahre etwa neun Stunden pro Tag, sagt Radomir. Das seien sehr gute Arbeitsbedingungen für die Branche: «Manche arbeiten 50 Stunden pro Woche oder mehr.»

Berufsverband hat die Nase voll

Lange Arbeitszeiten bemängelt auch der Berufsverband Les Routiers Suisses. Der Beruf des Chauffeurs sei unter Druck. Die Anforderungen seien gestiegen, die Einsatzzeiten hoch. Deshalb hat der Verband letztes Jahr eine Volksinitiative lanciert. Die Chauffeur-Initiative soll den Beruf wieder attraktiver machen, für den dringend notwendigen Nachwuchs sorgen und «die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft» sicherstellen.

Das will die Chauffeur-Initiative

Die Chauffeurbranche hat Mühe, genügend Nachwuchs zu finden. Darum hat der Berufsverbands Les Routiers Suisse eine Volksinitiative lanciert. Diese will in der Verfassung festschreiben, dass der Bund für genügend gut ausgebildete Chauffeure und Chauffeusen sorgen muss. Unter anderem mit der Festlegung eines verbindlichen Mindestlohns und der Förderung von Aus- und Weiterbildungen in der Schweiz. Zudem will der Verband sich gegen die Billigkonkurrenz aus dem Ausland schützen: Schweizer Logistikunternehmen sollen nur noch Fahrer anstellen dürfen, die in der Schweiz oder zumindest im grenznahen Ausland wohnen.

Die Chauffeurbranche hat Mühe, genügend Nachwuchs zu finden. Darum hat der Berufsverbands Les Routiers Suisse eine Volksinitiative lanciert. Diese will in der Verfassung festschreiben, dass der Bund für genügend gut ausgebildete Chauffeure und Chauffeusen sorgen muss. Unter anderem mit der Festlegung eines verbindlichen Mindestlohns und der Förderung von Aus- und Weiterbildungen in der Schweiz. Zudem will der Verband sich gegen die Billigkonkurrenz aus dem Ausland schützen: Schweizer Logistikunternehmen sollen nur noch Fahrer anstellen dürfen, die in der Schweiz oder zumindest im grenznahen Ausland wohnen.

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Hoffnung macht den Initianten das klare Ja zur Pflege-Initiative. «Die Pandemie hat gezeigt, dass auch Chauffeure systemrelevant und notwendig sind, damit die Schweiz funktioniert», so David Piras (55), Generalsekretär von Les Routiers Suisses. In der Tat: Fallen die Chauffeure aus, sind nicht nur die Ladengestelle schnell leer.

LKW-Fahrer aus Osteuropa

Die Initiative fordert unter anderem einen verbindlichen Mindestlohn. Die Arbeitgeber, der Nutzfahrzeugverband Astag, wollen davon aber nichts wissen. Und das, obwohl jährlich rund 5000 LKW-Fahrer aus dem Beruf aussteigen, während nur 2000 neue dazukommen. Die Löhne im Strassentransport-Gewerbe seien «in der Mehrheit angemessen und fair», sagte Astag-Vizedirektor André Kirchhofer (45) gegenüber SRF.

Wie viel er verdient, will Radomir nicht sagen. Aber schlecht gehe es ihm nicht. Sowieso mache er seine Arbeit gerne. «Klar ist es manchmal schwierig, aber das ist jeder Job», sagt der Chauffeur.

«Ich liebe meinen Job»

Auch Tomasz (42) hat in Würenlos einen Zwischenstopp eingelegt. Der Pole will nicht fotografiert werden, aber er erzählt gerne von seinem Job. Er ist seit zwölf Jahren Chauffeur, so wie sein Vater, Onkel und Grossvater vor ihm.

Zwei Wochen lang ist Tomasz jeweils in ganz Europa unterwegs. Seine Kabine ist dann nicht nur Arbeitsort, sondern auch Küche, Stube, Schlafzimmer. Danach fährt er für eine Woche zurück nach Polen. In seiner Kabine hängen Fotos von Frau und Tochter. «Klar vermisse ich meine Familie, wenn ich unterwegs bin», sagt der Chauffeur, «aber ich liebe meinen Job.»

Lohndumping aus Osteuropa

Tomasz arbeitet für ein polnisches Unternehmen und ist nur auf Durchfahrt. Doch seine Landsleute sind für Les Routiers Suisses Teil des Problems: Durch osteuropäische Fahrer, die für Schweizer Unternehmen arbeiten, käme es zu Lohndumping. Chauffeure aus Osteuropa würden etwa 3500 bis 4500 Franken pro Monat verdienen, in der Schweiz liegt der Monatslohn von LKW-Fahrern bei rund 5500 Franken.

Das hat Folgen: In den vergangenen Jahren wurde der Chauffeur-Nachwuchs hauptsächlich aus Osteuropa rekrutiert. «Es wäre sinnvoll, wenn die Chauffeure wieder in kürzerer Distanz zu ihrem Arbeitsort wohnen und auch wieder vermehrt Nachwuchs aus dem Inland kommt», fordert Les Routiers Suisses. Die Initiative verlangt deshalb, dass Chauffeure, die innerhalb der Schweiz Transporte durchführen, hier oder im grenznahen Ausland leben müssen.

Suche nach noch billigeren Arbeitskräften

Der Branche schwebt eher das Gegenteil vor: Der Nutzfahrzeugverband Astag und Daniel Schöni, Inhaber der gleichnamigen Transportfirma, wollen dem Fahrermangel entgegenwirken, indem sie auf Leute von noch weiter weg zurückgreifen. Lastwagenfahrer aus Afrika sollen für den Einsatz in Europa ausgebildet werden.

Mittagszeit. Zehn Autominuten von der Raststätte Würenlos entfernt befindet sich die Rhenus Logistics AG in Spreitenbach. Chauffeure packen auf dem Parkplatz des Logistikzentrums selbstgemachte Sandwiches aus. Auch Nikola Mikajlovic (22) macht hier Pause. Der Schweizer hat seine Lehre bei der Transportfirma Galliker gemacht.

Dass vermehrt Fahrer aus Osteuropa unterwegs sind, merkt auch er. Die Situation sei selbstverschuldet, sagt er schulternzuckend: «Es gibt einfach zu wenige Chauffeure in der Schweiz, das ist nun mal so.» Ähnlich abgeklärt ist Almir Kartal (47), der auf dem benachbarten Parkplatz steht. «Ich wohne in Basel, da gibt es schliesslich auch Grenzgänger, die vielleicht weniger verdienen als Schweizerinnen und Schweizer.»

Mehr Unterstützung in der Ausbildung

Sorgen darüber, dass ihre Löhne unter der ausländischen Konkurrenz leiden, machen sie sich nicht. «Aber klar, der Lohn dürfte höher sein», sagt Kartal. «Das Leben wird immer teurer und unser Lohn bleibt praktisch gleich.»

Die Ausbildung zum LKW-Chauffeur kostet 5'000 bis 10'000 Franken. Im Fall von Mikajlovic übernahm sein Unternehmen die Kosten. Das ist jedoch nicht immer so. Auch hier sieht der Berufsverband Verbesserungspotential. Denn ein Grossteil der Chauffeure ist Berufsumsteiger. Diese müssten die Ausbildungskosten meist selber zahlen. Dabei sollten sie vom Bund finanziell unterstützt werden, fordert Les Routiers Suisses.

Sammelstand noch nicht zufriedenstellend

Die Initianten haben noch bis Anfang 2024 Zeit, um die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenzubringen. Generalsekretär Piras ist noch nicht ganz zufrieden mit dem Sammelstand. Dieser liege momentan im «fünfstelligen Bereich», müsse aber noch etwas besser werden. «Im Frühling müssen wir wieder richtig Gas geben.»

Gas geben auch die Chauffeure in Spreitenbach. Die Mittagspause ist vorbei, nach und nach laden die Fahrer ihre Ware in die LKW, steigen in ihre Kabinen und fahren los.

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