Das meint BLICK zur Demütigung des Schweizer Botschafters
Erdogans unappetitlicher Machthunger

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fühlt sich wieder einmal beleidigt – diesmal durch eine Demonstration in Bern. Das «Kill Erdogan»-Plakat ist fraglos widerlich. Aber kein Grund, die Schweizer Diplomatie zu demütigen und eine Staatskrise anzuzetteln. Ein BLICK-Kommentar.
Publiziert: 27.03.2017 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:09 Uhr
Türkei fordert Untersuchung
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Wegen Demonstration mit Anti-Erdogan-Plakat:Türkei fordert Untersuchung
Andreas Dietrich

In der Türkei waltet Recep Tayyip Erdogan, wie er will. Sollte die Verfassungsreform angenommen werden, hat er sogar die demokratische Legitimation dazu. Dann werden wohl die allerletzten Hemmungen fallen.

Bereits heute reicht ihm Herrschen im eigenen Land nicht. Seine Allmachtsfantasien sind grenzüberschreitend, er hat es wiederholt bewiesen. Neustes Beispiel: Er will der Schweiz vorschreiben, wie sie mit hiesigen Demonstranten zu verfahren hat. Wer fühlt sich da beleidigt? Der Grossbeleidiger vom Bosporus, der mit Nazivergleichen um sich wirft und damit zuletzt Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel persönlich verunglimpft hat.

Das «Kill Erdogan»-Plakat ist widerlich und menschenverachtend, keine Frage. Ob es einen Schweizer Straftatbestand erfüllt und wer dafür zur Rechenschaft gezogen werden müsste – das klären die Berner Behörden ab. Unser Rechtsstaat sieht dies so vor. Es braucht keinen Erdogan, der es verlangt. Denn Erdogan hat hier gar nichts zu verlangen.

Noch viel weniger hat er es «inakzeptabel» zu finden, dass an der Demo PKK-Symbole gezeigt wurden. In der Schweiz bestimmen wir, was akzeptabel ist. Und die kurdische Arbeiterpartei ist hier nicht verboten, also dürfen sich ihre Mitglieder offen zeigen. Anders als in der Türkei, wo sie im Gefängnis landen, wenn sie nicht schon dort sind.

Aber Erdogan geht es auch diesmal nur ums Provozieren. Ärger mit dem Ausland schweisst im Innern zusammen. Und er erweckt bei seinen Landsleuten den Eindruck, sein Einfluss reiche weit über seinen 1150-Zimmer-Palast hinaus, sein Wort habe überall in der Welt und jederzeit in der Menschheitsgeschichte Gewicht.

Indem er unsere Diplomaten demütigt, demütigt er die Schweiz. Es reicht ihm nicht, dass unsere stellvertretende Botschafterin antraben musste. Er bestand auf einem zusätzlichen Bussgang des Botschafters. Wie ein ungehobelter Gast, den man aufgrund seines Status nicht aus dem Restaurant werfen kann, bestellte sich Erdogan mit einem Fingerschnippen nach der Vorspeise den Hauptgang.

So unappetitlich dies ist, die offizielle Schweiz muss es sich wohl oder übel gefallen lassen. Diplomatie ist auch, sich aus höherem Interesse das Zähneknirschen nicht anmerken zu lassen.

Dass ihr machthungriges Idol aus nichtigem Anlass eine Staatskrise anzetteln will, mag für seine Anhänger von Grösse zeugen. Für alle anderen ist es ein weiteres Zeichen von Erdogans Grössenwahn. Kleingeistig in seiner Gestalt, gefährlich in seinem Wesen.

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