Der Schaffhauser Ständerat will die Zuwanderung über Arbeitslosenquoten steuern
Minders 2-Prozent-Regel

Der Vorschlag des Nationalrats zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative sei ein «Inländervorrang Zero» – und «in meinen fünf Jahren Bundesbern der absolute Tiefpunkt», sagt Thomas Minder im Interview. Der Ständerat schlägt einen Arbeitslosen-Schwellenwert vor: Jene Berufsgruppen, die mehr als zwei Prozent Arbeitslosigkeit aufweisen, sollen keine ausländischen Arbeitskräfte rekrutieren dürfen.
Publiziert: 07.10.2016 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:32 Uhr
Thomas Minder will einen auf Branchen bezogenen Arbeitslosen-Schwellenwert, über dem zwingend Inländer angestellt werden müssen.
Foto: Reuters
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Interview: Nico Menzato

Am Montag nimmt sich die Ständeratskommission des Inländervorrangs light des Nationalrats an. Was halten Sie davon?
Thomas Minder: Das ist ein Inländervorrang zero – und für mich persönlich in meinen fünf Jahren Bundesbern der absolute Tiefpunkt. Obwohl wir alle den Eid auf die Bundesverfassung abgelegt haben, spielt diese bei der Umsetzung der SVP-Initiative nicht ansatzweise eine Rolle. Der Nationalratsentwurf wird die Zuwanderung und die Arbeitslosenzahl um keine einzige Person verringern – nada, null! Deshalb braucht es Zwang.

Sie sitzen in der zuständigen Ständeratskommission. Was werden Sie dort vorschlagen?
Ich werde beantragen, dass das Parlament einen Arbeitslosen-Schwellenwert festlegt. Zum Beispiel zwei Prozent. Heute beträgt die durchschnittliche Arbeitslosigkeit 3,2 Prozent. Jene Berufsgruppen, die eine höhere Arbeitslosigkeit als diesen Schwellenwert aufweisen, dürfen keine ausländischen Arbeitskräfte rekrutieren. Sie müssen ihre offenen Stellen ausschliesslich mit Inländern besetzen.

Und jene Berufsgruppen, die unter dem Schwellenwert liegen?
Die dürfen unbeschränkt im Ausland suchen. Und zwar nicht nur in der EU, sondern auf der ganzen Welt.

Was erhoffen Sie sich von diesem Modell?
Zurzeit gibt es hierzulande 142'000 Arbeitslose. Die sind aber höchst unterschiedlich verteilt: Während die Berufsgruppen Handel, Verkauf, Hotellerie, Gastro und Bau Arbeitslosenzahlen von zehn bis zwölf Prozent aufweisen, gibt es in der chemischen Industrie, der grafischen Industrie oder unter Juristen nur ganz wenige Arbeitslose. Mit meinem Modell wird die Zuwanderung und die Arbeitslosigkeit gesenkt – und jene Branchen, in denen es Fachkräftemangel gibt, werden nicht ausgeblutet.

Viele Arbeitgeber sagen aber, sie fänden in der Schweiz schlicht zu wenig Personal. Und zwar in praktisch allen Branchen.
Ich kann das Märchen nicht mehr hören. Bei den Tausenden von Arbeitslosen in gewissen Branchen gibt es sicherlich einige taugliche Kandidaten. Doch Firmen sind gewinnorientiert. Wenn sie eine billigere Arbeitskraft einstellen können, dann machen sie dies. Als ich ein Kind war, hatte die Schweiz eine Arbeitslosigkeit von null Komma irgendwas. Heute haben vor allem Junge und die Generation 50 plus Probleme, einen Job zu finden. Das Geleier von Bundesrat Schneider-Ammann, wir hätten eine supertiefe Arbeitslosigkeit geht mir auf die Nerven.

Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt macht nur rund die Hälfte der gesamten Zuwanderung aus. Wollen Sie zudem ausserhalb des Arbeitsmarktes ansetzen?
Das Parlament soll eine jährliche Zuwanderungshöchstzahl festlegen. Mir schwebt eine Reduk­tion um 50 Prozent vor. Dafür aber sollen zwei Drittel für Arbeitsmarktspezialisten reserviert sein.

Was ist mit den Grenzgängern?
Auch da soll derselbe Arbeitslosen-Schwellenwert gelten, damit das System nicht via Grenzgänger oder Kurzarbeit umgangen wird.

Mit Ihrem Vorschlag werden Sie im Ständerat einen schweren Stand haben. Falls Sie scheitern, unterstützen Sie dann den Vorschlag der FDP, die den Inländervorrang ein wenig verschärfen will? Mit einer Pflicht etwa, Inländer zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
Nein. Der Vorschlag ist ein Bürokratiemonster für den Staat und die Firmen und macht aus dem Inländervorrang zero erst einen Inländervorrang light.

Die EU wäre mit einem harten Inländervorrang à la Minder sicherlich nicht einverstanden. Sie riskieren die Kündigung der Personenfreizügigkeit und den Wegfall zentraler bilateraler Verträge!
Für mich ist klar, dass wir die Verfassung höher gewichten müssen als internationale Verträge. Ebenso klar ist für mich aber, dass das Volk nochmals abstimmen muss. Deshalb will ich mein Modell des Arbeitslosen-Schwellenwerts dem obligatorischen Referendum unterstellen.

Damit das Volk den Bruch mit der EU absegnet?
Wenn Bundesrätin Sommaruga dauernd von der Quadratur des Kreises spricht, so ist das nicht ehrlich. Wir müssen den Bürgern endlich klaren Wein einschenken: Entweder gibts die autonome Steuerung der Zuwanderung oder das Freizügigkeitsabkommen. Das Volk muss dies entscheiden. Beides zusammen geht nicht.

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