Der Schein trügt
Cassis und FDP schon vor dem ersten Clinch

Kaum gewählt, droht Ignazio Cassis Ärger. Sein Vorgänger Didier Burkhalter mahnt: «Bleib bescheiden!»
Publiziert: 24.09.2017 um 19:48 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:50 Uhr
Ein Prost auf den neuen Aussen­minister: Ignazio Cassis, Friedrun Sabine Burkhalter, der abtretende Bundesrat ­Didier Burkhalter, FDP-Chefin Petra Gössi und der unterlegene Kandidat Pierre Maudet an der Wahlfeier vom Mittwoch (v. l.).
Foto: Karl-Heinz Hug
1/2
Simon Marti und Marcel Odermatt

Am Freitag verteilte der Bundesrat die ­Departemente. Überraschungen blieben aus: Der frisch gewählte Freisinnige Ignazio Cassis (56) übernimmt von Didier Burkhalter (57) das Aussendepartement (EDA).

Damit wird er auch für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig sein. Ausgerechnet die eigene FDP-Fraktion würde ihm am liebsten die Mittel hierfür kürzen: Für kommenden Mittwoch ist ein Vor-stoss aus der Finanzkommission des Nationalrats traktandiert, der die Abschaffung der festgelegten Höhe der Entwicklungszusammenarbeit von 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts der Schweiz fordert.

Die Begründung vonseiten FDP und SVP: die «defizi­tären Aussichten für den ­Finanzhaushalt in den nächsten Jahren», wie es im Text der Motion heisst. Cassis ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht im Amt, doch hat er sich bei seiner Anhörung bei der SP-Fraktion vor der Wahl gegen eine Kürzung ausgesprochen.

Kommissionspräsidentin und SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen (64, BE) ist besorgt: «Dieser Vorstoss der Finanzkommis­sion will die Mittel der internationalen Zusammen­arbeit zusammenstreichen. Er ist ein Dolchstoss für das kompetente Engagement der Schweiz im Ausland.»

Sie hoffe doch sehr, «dass die Fraktion von Herrn Cassis sich nun, da er das ­Aussendepartement übernimmt, zurückhält». Sonst drohe bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), aber auch beim EDA selbst mittelfristig ein massiver Personalabbau.

Wird die Uno aus Genf vertrieben?

Zahlreiche Projekte im Ausland stünden vor dem Aus, so Kiener Nellen. Selbst den Uno-Sitz in Genf sieht sie in Gefahr. Es gebe genügend Staaten, die noch so gerne internationale Organisationen beherbergten. Der Bundesrat hat sich bereits im August klar gegen die Spar-Motion ausgesprochen. Sie könne der Glaubwürdigkeit der Aussenpolitik schaden.

Cassis’ grösste Baustelle aber wartet in der Europapolitik. Hier verspricht der Tessiner einen Neustart. Nur schon der ­Begriff Rahmenabkommen sei politisch «total vergiftet», erklärte er nach seiner Wahl am Mittwoch.

Das ist eine Breitseite gegen seinen Vorgänger Didier Burkhalter, der nicht müde wurde, die Notwendigkeit eben eines solchen Abkommens zu verteidigen. Im Gespräch mit SonntagsBlick am Rande der Wahlfeier im Restaurant Zum Äusseren Stand in Bern widerspricht der Neuenburger seinem Nachfolger.

Burkhalter von EU-Abkommen überzeugt

«Ich denke nicht, dass der Begriff des Rahmenabkommens vergiftet ist», sagt Burkhalter, Minuten nachdem er mit Cassis auf seinen Erfolg angestossen hatte. Nur weil Parteipräsidenten das sagen würden, müsse es ja nicht stimmen. «Zudem bin ich mir gar nicht so sicher, dass die Bevölkerung ein solches Abkommen tatsächlich ablehnen würde.» Es sei nämlich vernünftig, die Regeln mit unserem grössten bilateralen Partner, der EU, zu klären. Auf ­jeden Fall sei es wichtig, jetzt mit «Überzeugung und Hartnäckigkeit» weiterzuverhandeln.

Trotz der Kritik an Cassis’ Aussagen zur Europapolitik kann der Ex-Aussenminister mit dem Ergebnis vom Mittwoch gut leben. «Ich bin sehr zufrieden über die Wahl von ­Ignazio Cassis.» Es freue ihn sehr für die FDP. Bei seiner Wahl 2009 sei der zweite Sitz der Partei im Parlament umstritten gewesen. «Es kam zu einer schwierigen Ausmarchung gegen Urs Schwaller von der CVP», so der Freisinnige. «Im ganzen Wahlkampf für den Sitz von Herrn Cassis war dagegen die Doppelvertretung der Freisinnigen im Bundesrat nie ein Thema. Das ist ein wich­tiger Fortschritt. Unsere ­Situation ist besser als vor acht Jahren.»

Für Cassis hat Burkhalter einen Ratschlag: Bescheidenheit. «Er hat gesagt, er wolle sich nicht ändern, wenn er im Amt ist. Das ist genau das, was ich ihm rate. Macht ist ­verführerisch, man muss bescheiden bleiben.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?