«Gebrauchte Geräte so lange wie möglich benutzen ist nachhaltiger, als recyceln»
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Revendo-Gründer:«Gebrauchte Geräte so lange wie möglich benutzen ist nachhaltiger, als recyceln»

Der unaufhaltsame Aufstieg der Revendo-Gründer
Sie retten iPhones vor der Müllhalde

Unternehmen suchen Wege, weniger Abfall zu produzieren: Sie geben Smartphones ein zweites Leben oder designen Möbel komplett anders.
Publiziert: 14.08.2022 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2022 um 07:50 Uhr
Camilla Alabor

Aus ihrer Leidenschaft fürs Tüfteln ist ein Business geworden. Ein ziemlich erfolgreiches noch dazu: Vor neun Jahren gründeten Aurel Greiner (31) und Laurenz Ginat (28) das Unternehmen Revendo. Inzwischen betreiben die Jungunternehmer, die einst ihr Taschengeld mit der Reparatur von kaputten Computern aufbesserten, schweizweit neun Filialen.

Das Geschäftsmodell der beiden Basler ist simpel. Sie nehmen kaputte oder alte Smartphones und Apple-Computer entgegen – und präparieren sie so, dass sie wieder wie neu laufen. Sei es, indem der Akku ausgetauscht, der Bildschirm ersetzt oder die Tastatur repariert wird. Pro Jahr gehen bei Revendo rund 100'000 Geräte über den Ladentisch. Geräte, die sonst in einer Schublade ihr Dasein fristen oder auf dem Schrottplatz landen.

Die Natur ist Vorbild

Der Ansatz von Revendo steht sinnbildlich für die Kreislaufwirtschaft. Diese basiert auf der Idee, dass Produkte nicht einfach ein Mal gebraucht und dann in den Abfall geworfen werden. Vorbild ist stattdessen die Natur: Jedes abgefallene Blatt Laub, jeder Kothaufen, wird wieder in den Kreislauf integriert. Abfall als solches – Produkte, die nicht abgebaut werden können – gibt es keinen.

Einst verdienten sie sich ein Taschengeld mit der Reparatur kaputter Apple-Computer. Inzwischen haben Aurel Greiner (l.) und Laurenz Ginat ein Business daraus gemacht.
Foto: STEFAN BOHRER
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Dank der Kreislaufwirtschaft soll auch in der modernen Wirtschaft Abfall möglichst gar nicht mehr entstehen. Produkte sollen länger halten, repariert und wieder verwertet werden können. Weg von der Wegwerf-Gesellschaft, hin zu einem nachhaltigen Konsum also – egal, ob es sich um elektronische Geräte, Möbel oder Matratzen handelt.

V-Zug testet die Kreislaufwirtschaft

In einigen Firmen hat das Umdenken Richtung Kreislaufwirtschaft bereits eingesetzt. So will Ikea bis 2030 «kreislauffähig» sein, wie Nachhaltigkeitsbeauftragte Franziska Barmettler (39) erklärt. Was das konkret heisst? Unter anderem will die Möbelfirma nur noch Materialien verwenden, die erneuerbar oder recycelt sind. Materialien aus Öl – wie etwa Polyester – sollen nicht mehr zur Verwendung kommen.

Einen Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft wagt auch das traditionsreiche Schweizer Unternehmen V-Zug: Seit 2021 vermietet es seine Waschmaschinen versuchsweise an Geschäftskunden, statt sie zu verkaufen. Die Geräte bleiben damit im Besitz der Firma, die sich auch um die Wartung kümmert. Läuft der Mietvertrag ab, nimmt V-Zug die Waschmaschine zurück und tauscht sie aus. Laut einem Sprecher ist der Versuch «gut angelaufen»: Bereits seien mehrere hundert Geräte unter Vertrag.

Schweiz wäre für Vorreiterrolle prädestiniert

Allerdings: Noch sind solche Firmen die Ausnahme. Das zeigt eine repräsentative Studie der Berner Fachhochschule von 2021. Laut Studienautor Tobias Stucki (39) haben sich erst 10 Prozent aller Unternehmen ernsthaft daran gemacht, die Lebensdauer ihrer Produkte zu verlängern oder ihre kaputten Produkte für Reparaturen entgegenzunehmen. Rund 40 Prozent der Firmen haben sich dagegen noch gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

«Viele Unternehmer sind sich nicht bewusst, dass Nachhaltigkeit für sie ein wichtiges Thema wird», sagt Stucki. Der Ökonom sieht darin eine verpasste Chance: «Die Schweiz wäre prädestiniert dafür, in der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle einzunehmen.» Einerseits sei das technologische Wissen vorhanden, andererseits sei die Schweiz auf Ressourcen aus dem Ausland angewiesen.

Zwar ist das Thema Kreislaufwirtschaft mittlerweile in der Politik angekommen. Derzeit laufen im Parlament die Vorarbeiten für ein Gesetz, das Hersteller dazu verpflichten würde, bei Verpackungen «kreislauffähige» Materialien zu verwenden: Stoffe, die wieder verwendet werden können. Zudem will man Anreize schaffen, um unnötige Verpackungen zu vermeiden.

Recyclinggebühr für Matratzen

In der EU ist man im Vergleich zur Schweiz jedoch schon einiges weiter: Die EU-Kommission hat bereits 2019 den «Grünen Deal» lanciert. Dieser sieht etwa vor, dass bis 2030 alle verkauften Kleider recycelt werden können und aus aufbereiteten Fasern hergestellt werden. Auch für Möbel, Matratzen oder Waschmittel sollen Nachhaltigkeitsvorschriften gelten.

Was das konkret heissen könnte, zeigt sich in Holland. Dort gibt es seit diesem Jahr eine freiwillige vorgezogene Recyclinggebühr auf Matratzen. Ein System, wie wir es hierzulande bei Elektrogeräten kennen: Im Kaufpreis inbegriffen ist ein Betrag, mit dem das Recycling finanziert wird.

In Holland finanzieren die Unternehmen damit das Einsammeln und Recyceln der Matratzen. So holen Firmen, die eine neue Matratze liefern, die alte gleich mit ab. Künftig sollen von den 1,6 Millionen Matratzen, die in Holland jedes Jahr weggeworfen werden, drei Viertel recycelt werden.
Potenzial für ein solches Vorgehen gäbe es auch in der Schweiz. Laut Schätzungen werden hierzulande jedes Jahr rund eine Million alte Matratzen gegen neue ausgetauscht. Sie alle landen bisher – im Abfall.

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