Selbst Weggefährten zittern vor Unia-Industrieboss Pardini
Der gefürchtetste Gewerkschafter der Schweiz

Für die Arbeitgeber ist Corrado Pardini (51) ein rotes Tuch. Mindestens ebenso unbeliebt ist er aber bei anderen Gewerkschaften. Wer ist der Mann?
Publiziert: 10.06.2017 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:48 Uhr
Pardini im Parlament: «Rhetorisch ist er virtuos, erschreckend virtuos.»
Foto: ANTHONY ANEX
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Guido Schätti

Sexuelle Belästigung, Schlamperei bei der Arbeitszeiterfassung, Krach mit der eigenen Personalkommission: An Affären kannte die Gewerkschaft Unia zuletzt keinen Mangel. Präsidentin Vania Alleva (47) und Bau-Chef Nico Lutz (46) bekamen ihr Fett weg. Nur einer hielt sich schadlos: Industrie-Chef Corrado Pardini (51).

Doch jetzt brennt es auch in seinem Laden: In der ihm unterstellten Region Biel-Seeland/Solothurn arbeitete sich ein Unia-Mitarbeiter ins Burn-out. Dessen Chefs ignorierten alle Hilferufe. Mit dem Tagesgeschäft habe er nichts zu tun, verteidigt sich Pardini. Und als er vom Fall erfuhr, habe er sofort reagiert.

Nur ein Einzelfall oder steckt mehr dahinter? Wer zu wühlen beginnt, stellt bald fest: Pardini ist eine hoch umstrittene Figur – in der Unia, bei anderen Gewerkschaften, bei den Arbeitgebern. Für ein Porträt stehe er nicht zur Verfügung, sagte er BLICK gestern. Umso gesprächiger sind Leute, die mit ihm zu tun haben.

Keine Angst vor grossen Namen

«Pardini hat seinen Mythos», sagt einer. Sohn eines Einwanderers, Lehre als Maschinenschlosser, Eintritt in die Gewerkschaft Bau und Industrie. Von einer solchen Biografie können Alleva und Lutz nur träumen. Sie kamen direkt vom Studium zur Gewerkschaft. Die Hände machten sie sich nie schmutzig. An Pardini klebt Schweiss und Öl. Wenn er sich heute Gel in die Haare streicht, im schweren Audi herumfährt und Cohibas raucht, nimmt ihm das niemand übel.

Corrado Pardini unterhält sich mit SP-Bundesrat Alain Berset am 16. März 2017 im Nationalrat.
Foto: EQ Images/Yoshiko Kusano

Immer voll auf Konfrontation: Das war von Anfang an Pardinis Devise. Zum Entsetzen des lokalen SP-Establishments zettelte er 2004 in Biel BE eine Demonstration gegen die Swatch Group an. Der Hayek-Konzern gilt in der Uhrenmetropole als unantastbar.

Sein Meisterstück lieferte er 2013 bei den Verhandlungen für den GAV in der Maschinenindustrie. Pardini gelang es, den Arbeitgebern verbindliche Mindestlöhne abzuringen – erstmals in der Geschichte dieses GAV, der auf das legendäre Friedensabkommen für die Uhren- und Metallindustrie von 1937 zurückgeht.

Damit sichert sich Pardini den Platz in den Geschichtsbüchern. Doch das reicht ihm nicht. Er will den totalen Triumph, die Gegner demütigen. Im Buch «Heavy Metal» lässt er sich als Superheld abfeiern, gibt geheime Details preis und stellt die Verhandlungspartner als Schwächlinge dar. Diesen Vertrauensbruch hat ihm die Spitze des Maschinenindustrieverbandes Swissmem bis heute nicht verziehen.

Abweichler bekommen seine Rache zu spüren

Auch Abweichler in den eigenen Reihen knöpft sich Pardini vor: Die Angestellten Schweiz deckt er mit einer Klage ein – als Rache, dass die Arbeitnehmervertretung in den Verhandlungen gegen Mindestlöhne war. Angeblich soll sie zu hohe Beiträge aus dem Solidaritätsfonds eingestrichen haben. Eine Revision fördert Unregelmässigkeiten zutage, aber nicht nur bei den Angestellten Schweiz, sondern auch bei den anderen Vertragsparteien. Doch Pardini verweigert sich einer Einigung, erst jetzt liegt ein Vergleichsvorschlag auf dem Tisch. 

Pardini habe der Sozialpartnerschaft enormen Schaden zugefügt, sagt ein Swissmem-Vertreter. Sie sei fast zum Erliegen gekommen. Gewerkschaftsvertreter sagen dasselbe. «Was Pardini macht, schadet den Arbeitnehmern. Die Sozialpartnerschaft ist komplett blockiert», sagt einer.

Mit Namen hinstehen will niemand. Pardini ist gefürchtet. Hinter verschlossenen Türen sei es mit seiner Jovialität vorbei, der Ton werde grob, Klagedrohungen kämen schnell. «Jeder Tag ohne Sitzung mit ihm ist ein guter Tag», sagt einer. Doch in die Kritik mischt sich bei manchem auch Faszination von seinem Machtanspruch und seiner «unglaublichen Durchsetzungsfähigkeit», wie einer sagt. «Rhetorisch ist er virtuos, erschreckend virtuos.» 

Seltsame Bestimmung im Kleingedruckten

Nur einer bietet Pardini öffentlich die Stirn: Mario Ricciardi (56), Ex-Unia-Mann und Präsident der Basler Gewerkschaft Basis 21. Er wirft Pardini vor, er kungle mit den Bossen und verrate die Arbeiter. Als Beispiel führt er den GAV mit dem Zugbauer Stadler Rail auf. Die Unterzeichnung vor zwei Jahren wurde auch vom BLICK gefeiert.

Im Kleingedruckten des GAV findet sich aber eine merkwürdige Bestimmung: So zahlt Stadler Rail an die Unia jährlich 70 Franken pro Mitarbeiter. Mit dem «Partnerschaftsbeitrag» solle der Beitrag der Unia «an die Erhaltung des Arbeitsfriedens» abgegolten werden, steht im Vertrag. «Das ist reine Geldmache», kritisiert Ricciardi. «Nur die Unia und der Arbeitgeber profitieren, die Interessen der Angestellten werden geopfert.»

Alles andere als ein Hinterbänkler

Die dunklen Haare mit Gel nach hinten frisiert, dreiteiliger Anzug, mit dem Audi unterwegs: Nein, das ist kein Jungbanker, sondern Corrado Pardini, Unia-Gewerkschafter und SP-Nationalrat.

Schon bei seinem Einzug ins Bundeshaus war klar: Ein Hinterbänkler würde nicht aus ihm werden. Kein Wunder, ist der Sohn italienischer Einwanderer laut seinem Parteikollegen Hans Stöckli «überzeugt, dass man mit Zurückhaltung und Bescheidenheit nicht ans Ziel kommt».

Er liebt den grossen Auftritt

Und Ziele hat der 51-Jährige. Pardini kämpft für mehr Arbeitnehmerschutz, für faire Löhne, für die kleinen Leute. Dafür gibt er alles. «Er ist ein Talent, weiss sich in Szene zu setzen und liebt den grossen Auftritt», sagt Ständerat Stöckli.

Das sei nicht immer angenehm, erinnert sich der ehemalige Stadtpräsident von Biel BE: «Es gab Momente, in denen meine Arbeit als Stadtpräsident zumindest nicht erleichtert wurde durch die gewerkschaftliche Arbeit von Herrn Pardini.» Er habe einige Male vor Unternehmern antraben müssen.

Ein zugänglicher Typ

Und doch sei das Verhältnis gut: «Wir haben uns oftmals ergänzt.» Stöckli schätzt zudem, dass Pardini auch weiss, das Leben zu geniessen. Das ist die andere Seite des verbissenen Kämpfers. «Obwohl wir selten einer Meinung sind, komme ich mit Corrado Pardini gut aus», bestätigt der Gewerbeverbandsdirektor und Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. «Er ist ein zugänglicher Typ, mit dem man gut über ernste Themen, aber auch über Gott und die Welt reden kann.»

Und doch sei Pardini nicht ganz widerspruchsfrei. «So setzt er sich für eine zusätzliche Regulierung der Arbeitszeit ein, nimmt es im eigenen Laden aber nicht so genau, wie der Burn-out-Fall zeigt», meint Bigler.

Die dunklen Haare mit Gel nach hinten frisiert, dreiteiliger Anzug, mit dem Audi unterwegs: Nein, das ist kein Jungbanker, sondern Corrado Pardini, Unia-Gewerkschafter und SP-Nationalrat.

Schon bei seinem Einzug ins Bundeshaus war klar: Ein Hinterbänkler würde nicht aus ihm werden. Kein Wunder, ist der Sohn italienischer Einwanderer laut seinem Parteikollegen Hans Stöckli «überzeugt, dass man mit Zurückhaltung und Bescheidenheit nicht ans Ziel kommt».

Er liebt den grossen Auftritt

Und Ziele hat der 51-Jährige. Pardini kämpft für mehr Arbeitnehmerschutz, für faire Löhne, für die kleinen Leute. Dafür gibt er alles. «Er ist ein Talent, weiss sich in Szene zu setzen und liebt den grossen Auftritt», sagt Ständerat Stöckli.

Das sei nicht immer angenehm, erinnert sich der ehemalige Stadtpräsident von Biel BE: «Es gab Momente, in denen meine Arbeit als Stadtpräsident zumindest nicht erleichtert wurde durch die gewerkschaftliche Arbeit von Herrn Pardini.» Er habe einige Male vor Unternehmern antraben müssen.

Ein zugänglicher Typ

Und doch sei das Verhältnis gut: «Wir haben uns oftmals ergänzt.» Stöckli schätzt zudem, dass Pardini auch weiss, das Leben zu geniessen. Das ist die andere Seite des verbissenen Kämpfers. «Obwohl wir selten einer Meinung sind, komme ich mit Corrado Pardini gut aus», bestätigt der Gewerbeverbandsdirektor und Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. «Er ist ein zugänglicher Typ, mit dem man gut über ernste Themen, aber auch über Gott und die Welt reden kann.»

Und doch sei Pardini nicht ganz widerspruchsfrei. «So setzt er sich für eine zusätzliche Regulierung der Arbeitszeit ein, nimmt es im eigenen Laden aber nicht so genau, wie der Burn-out-Fall zeigt», meint Bigler.

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