Die abgewählte Grünen-Nationalrätin verarbeitet ihre Niederlage und plant ihre Zukunft
Meret Schneider denkt über Comeback nach

Sie musste damit rechnen, dennoch war die Abwahl für Grünen-Nationalrätin Meret Schneider schmerzhaft. Nun hat sie bereits neue Pläne, wie sie Blick verrät.
Publiziert: 06.11.2023 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2023 um 13:29 Uhr
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Am Ende haben 671 Stimmen über Meret Schneiders (31) Zukunft entschieden. 671 Stimmen, die ihr gefehlt haben. 

Die Zürcher Nationalrätin ist eine von fünf Grünen, die am 22. Oktober die Wiederwahl nicht schafften. Vier Jahre, nachdem sie die grüne Welle ins Parlament gespült hat, muss sie ihren Platz im Parlament bereits wieder räumen. Die Abwahl traf die junge Politikerin hart. Sie, die sonst auf der Social-Media-Plattform X vor allem mit ihrem bitterbösen Humor auffällt, schrieb am Wahlsonntag: «Im Moment möchte ich einfach nur im Boden versinken.» 

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Sie wusste, dass es knapp wird

Anderthalb Wochen später hat sich Meret Schneider wieder aufgerappelt. Blick trifft sie in einem veganen Laden in ihrer Heimatstadt Uster, in dem sie derzeit ab und zu aushilft. «Ich habe vorgesorgt, damit ich im Fall einer Abwahl nicht in ein Loch falle», erzählt sie. Denn auch sie war sich angesichts der Umfragen und ihres Listenplatzes bewusst, dass es knapp wird – und womöglich nicht reicht. «Es war mir klar: Wenn es jemanden putzt, dann wahrscheinlich mich», sagt Schneider nüchtern. 

Die Zürcher Grünen-Nationalrätin Meret Schneider wurde am 22. Oktober abgewählt.
Foto: Thomas Meier
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Die Zürcherin, die vor der Wahl in den Nationalrat 2019 als Tierschützerin und Vorkämpferin für vegane Menus an Mensen schweizweit für Schlagzeilen sorgte, hat sich im Parlament rasch einen Namen gemacht. Mit der Massentierhaltungs-Initiative, über die die Schweiz vergangenes Jahr abstimmte, brachte sie die Bauern zum Zittern. Gleichzeitig zeigte sie sich im Parlament, entgegen ihrem Ruf, als Landwirtschaftspolitikerin mit ernsthaftem Willen zu mehrheitsfähigen Lösungen. Sie kniete sich dafür in Themen rein, lud ihre Gegner zum Gespräch – und half in ihrer Freizeit beim Heuen, Blacken stechen und Äpfel ernten, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, vom Elfenbeinturm hinab zu politisieren.

Das verschaffte ihr weit über die Parteigrenzen hinaus Respekt. Trug ihr aber auch Kritik von radikalen Tierrechtlern ein. Meret Schneider warb in der «Arena» mit der Aussage «Back to Sonntagsbraten» dafür, dass man weniger, dafür bewusster Fleisch essen soll. Radikale Veganer hat sie damit gegen sich aufgebracht, sie warfen ihr vor, sich von der Fleischlobby instrumentalisiert haben zu lassen.

Viel Mitgefühl von allen Seiten

Auch bürgerliche Kolleginnen und Kollegen hätten sich nach der Abwahl bei ihr gemeldet und ihr Mitgefühl ausgedrückt, erzählt Schneider gerührt. «Ich war von den vielen Reaktionen überwältigt.» Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Schweiz hätten sich bei ihr gemeldet und sie auf ihren Hof eingeladen. «Ich werde sicher einige von ihnen besuchen.»

Das Mitgefühl kontrastiert den Hass, mit dem Schneider in den vergangenen Jahren konfrontiert war. Die Grüne erhielt mehrfach Morddrohungen, fand einmal einen Strick im Briefkasten und ein anderes Mal Rasierklingen als Aufruf, sich das Leben zu nehmen. Meist, stellt sie fest, waren es nicht ihre politischen Inhalte, die sie zur Zielscheibe machten. Sondern vor allem ihr Aussehen.

Schneider macht das Sorgen. Sie lässt den Hass nicht an sich heran, aber natürlich geht er auch nicht spurlos an ihr vorbei. Sich daheim treffen? Das komme nicht infrage, stellte sie bei der Vereinbarung des Blick-Termins klar. Sie will auf keinen Fall, dass ihre Adresse bekannt wird.

Sie will ein Buch schreiben

Nichtsdestotrotz, sagt Schneider, blicke sie mit einem sehr positiven Gefühl auf die vier Jahre zurück. In guter Erinnerung bleiben ihr nicht nur die Ratskolleginnen und -kollegen. Aber auch all die Begegnungen, gerade im Wahlkampf. Sie habe in der Zeit als Nationalrätin gelernt, die politische Einstellung eines Menschen von ihm als Person zu trennen. «In den Menschen steckt mehr Positives, als man denkt», sagt sie. 

Die Kontakte zu den Menschen haben sie auch zum Projekt inspiriert, das sie nun, nach ihrer Zeit im Nationalrat, anzupacken gedenkt: Schneider will ein Buch schreiben. Drehen soll es sich weder um Politik noch um Landwirtschaft – sondern um Menschen, die an kleinen Bahnhöfen in der Schweiz arbeiten. «Während des Wahlkampfs war ich ständig unterwegs und bin mit den Leuten ins Gespräch gekommen. Sie haben mir die spannendsten Geschichten erzählt», berichtet Schneider vom Entstehen der Idee. Sollte es mit der Wiederwahl nicht klappen, werde sie diese Geschichten in einem Buch aufschreiben, hatte sie eine Woche vor den Wahlen auf X geschrieben. Am Tag nach der Abwahl meldete sich ein Verlag bei ihr. Man stehe derzeit in Austausch, sagt Schneider.

Sie sagt, sie sei überrascht, welche Türen sich seit dem 22. Oktober geöffnet hätten. Ganz von allein. Auch das Kapitel Politik ist für Schneider nicht abgeschlossen. Sie könne sich durchaus vorstellen, allenfalls in vier Jahren wieder zu kandidieren, sagt sie. Bei den Grünen jedenfalls bleibe sie aktiv und setze sich weiterhin für eine nachhaltige Landwirtschaft ein. «Es gibt noch viel Arbeit zu erledigen.»

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