Die Blick-Analyse zum Berset-Rücktritt
Der Hut geht – was jetzt kommt

Die Grünen wussten vorher Bescheid, dass Innenminister Alain Berset per Ende Jahr geht. Kurz nach dessen Rücktrittsankündigung kam schon die Kampfansage der Öko-Partei. Wie reagieren die bürgerlichen Fraktionen? Und wer sitzt Ende Jahr im Bundesrat?
Publiziert: 22.06.2023 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2023 um 15:45 Uhr
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Für die SP kam Alain Bersets (51) Rücktrittsankündigung überraschend. Zwar wusste die Bundeshausfraktion schon länger, dass er geht – die Sprachregelung lautet «seit mehreren Tagen». Die Partei hätte sich aber gewünscht, dass ihr Bundesrat erst im Herbst ankündigt, er nehme Ende Jahr den Hut.

Besonders glücklich war die SP daher nicht, dass der Romand schon jetzt bekannt gab, dass er seinen Borsalino an den Nagel hängt.

Glättli versus Trede

Die Grünen waren über Bersets Abgang vorinformiert – sie hatten jedenfalls genug Zeit, um eine Medienmitteilung mit dem Versprechen vorzubereiten, bei den Bundesratswahlen vom 13. Dezember mitzumischen – und sich damit in Erinnerung zu rufen.

Innenminister Alain Berset hängt seinen Hut an den Nagel.
Foto: keystone-sda.ch
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Offen ist, ob sie tatsächlich gegen die SP antreten. Parteichef Balthasar Glättli (51) wird nachgesagt, er wolle sich nicht mit der SP anlegen. Fraktionschefin Aline Trede (39) jedoch hatte schon beim Rücktritt von Simonetta Sommaruga (63) auf den Hosenlupf mit den Genossen gedrängt. Sollten die Grünen bei den Parlamentswahlen vom 22. Oktober nicht wie vorhergesagt verlieren, könnte sich die Trede-Fraktion durchsetzen. Doch eben: Die Wahlprognosen sehen die Grünen im Verlierer-Lager und die SP auf der Gewinner-Seite.

Derzeit stehen für Bersets Nachfolge Deutschschweizer Männer im Fokus. Die Rede ist vom Bündner Jon Pult (38), vom Berner Matthias Aebischer (55) und vom Basler Regierungsrat Beat Jans (58). Ständerat Daniel Jositsch (58) hat sich mit seiner wilden Kandidatur bei der Sommaruga-Nachfolge derart unbeliebt gemacht, dass seine Chancen gering sind, aufs Ticket zu kommen. Allerdings stünde es der SP gut an, zwei Frauen zu stellen. So werden auch verschiedene Namen wie Flavia Wasserfallen (44) genannt.

GLP hofft auf zehn Prozent

Legen die Grünliberalen wie erwartet bei den Wahlen zu, könnten auch sie im Dezember mitmischen. Parteichef Jürg Grossen (53) sagt: «Wenn die GLP beim Wähleranteil über zehn Prozent kommt und wir gleichzeitig einen Ständerratssitz gewinnen, erheben wir Anspruch.»

Falls nicht, mache es die GLP von den Wahlergebnissen der Grünen und der SP im Herbst abhängig, wen man unterstütze. «Stand heute, haben die Grünen Anspruch auf einen Bundesratssitz.»

SVP und FDP für Konkordanz, Mitte wartet ab

Anders tönt es bei SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44). «Wir halten an der Konkordanz fest.» Bleibe die SP zweitstärkste Partei oder rutsche auf den dritten Platz ab, habe sie nach wie vor Anrecht auf zwei Sitze. Auch FDP-Chef Thierry Burkart (47) betont: «Wir halten an der Zauberformel fest.» Diese besagt, dass die drei grössten Parteien je zwei Sitze bekommen und die viertstärkste noch einen Sitz. Stand jetzt habe die SP Anrecht auf zwei Sitze.

Nicht in die Karten schauen lässt sich Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (44). Für ihn sind Gesamterneuerungswahlen immer ein Zeitpunkt, um zu überprüfen, ob die Sitzverteilung noch gerechtfertigt ist. Doch auch er will die Wahlen abwarten – und eben: Die Ausgangslage für die SP ist besser und das Schaulaufen möglicher Bundesratskandidaten hilft ihr zusätzlich.

Somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Sitz von einem Deutschschweizer Genossen oder einer deutschsprachigen Genossin besetzt wird.

Geht ein weiterer Romand?

Allerdings ist noch unsicher, ob sonst alle Bundesräte erneut antreten, oder ob nicht beispielsweise auch Guy Parmelin (63) geht. Zieht er sich als zweiter Romand zurück, werden die Karten neu gemischt. In diesem Fall könnten plötzlich auch welsche SP-Kandidaten für Bersets Nachfolge infrage kommen – etwa Noch-Fraktionschef Roger Nordmann (50).

Mit einem zweiten Rücktritt könnte im Dezember auch die Departementsverteilung spannender werden. Stand heute werden Ignazio Cassis (62) Ambitionen für die Übernahme des Innendepartements (EDI) nachgesagt. Doch im EDI stehen 2024 schwierige Abstimmungen zur Rente an. Auch wenn es sich beim EDI um ein Schlüsseldepartement handelt: Will sich Cassis oder ein anderer amtierender Bundesrat das antun? Eher nicht.

Damit ist es wahrscheinlich, dass das EDI in SP-Händen bleibt. Nicht ausgeschlossen, dass die studierte Sozialarbeiterin Elisabeth Baume-Schneider (59) dorthin wechselt. Falls nicht, dürfte der oder die Neue dem EDI vorstehen.

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