Die Kritik an der Schülerbewegung wächst
Kommunismus nützt dem Klima nicht

Streitereien und Tränen in Lausanne: Die Klimastreik-Bewegung hat Probleme – auch in der Schweiz. Die Streikenden sind tief gespalten. Das zeigt jüngst die Idee eines Klima-Labels für Politiker.
Publiziert: 09.08.2019 um 23:12 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2019 um 11:40 Uhr
Die Klimaschüler zeigen sich am internationalen Treffen in Lausanne gespalten.
Foto: Fabienne Kinzelmann
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Joel Probst

Friede, Freude, Eierkuchen herrscht am europäischen Klimagipfel der Streikschüler in Lausanne nicht. Die Teilnehmer sind sich in vielen Punkten uneins und zoffen sich – bis die Tränen fliessen.

Doch nicht nur international kämpft die Bewegung mit Problemen. Auch in der Schweiz sind die Klimaschüler gespalten. In den grundlegendsten Fragen finden sie keinen gemeinsamen Nenner.

Klima-Label einer «unparteiischen» Bewegung

Etwa wie fest sich die Streikschüler in die Politik einmischen wollen – noch im Februar war für die Schweizer Klimastreikenden klar: «Wir geben keine Wahlempfehlungen aus!»

Jetzt ist alles anders. Mit einem Klima-Label für Politiker wollen die Streikschüler Einfluss auf die Wahlen im Herbst nehmen. Sie fordern alle National- und Ständeratskandidaten dazu auf, eine Erklärung mit den Forderungen der Bewegung zu unterschreiben. Wer das tut, werde auf einer eigens dazu erstellten Webseite zur Wahl empfohlen.

Unumstritten war dieser Schritt nicht: Den Entscheid, direkt in den Wahlkampf einzugreifen, fällten die Klimaschüler an ihrem nationalen Treffen Ende Juli. Und mit 67,9 Prozent Ja-Stimmen wurde die dazu nötige Zweidrittelmehrheit nur knapp erreicht.

«Verstaatlichung von Konzernen» und «die Abschaffung des Flugverkehrs»

Das Klima-Label führt die Bewegung ins nächste Dilemma: Die Schweizer Streikschüler sind sich uneinig, wie ernst es ihnen mit der Forderung nach einem «Systemwandel» ist und wie dieser aussehen soll. Die Ideen reichen von der «Verstaatlichung von Konzernen» über «die Abschaffung des Flugverkehrs» bis hin zum «Sozialismus» und gar «Kommunismus». 

Sollen die Politiker also auch diesen Punkt mittragen müssen, um das Klima-Label zu erhalten? Ja, steht im Protokoll des nationalen Klimastreik-Treffens. Doch mittlerweile ist auch hier wieder alles anders: Gegenüber mehreren Medien sind sich die Klimaschüler nicht mehr so sicher und sagen, das sei noch unklar.

«Systemwandel»: Gretchenfrage für die Bewegung

Die Bewegung ist sich bewusst, dass es die Gretchenfrage ist. Das sieht auch FDP-Ständerat Ruedi Noser (58) so und findet deutliche Worte: «Wenn sie sich ihren kommunistischen Fantasien hingibt, schadet sich die Bewegung selber und missbraucht den Klimawandel für ideologische Zwecke!»

Würde sich die Bewegung zu einem «Systemwandel» bekennen, wäre das «Irrsinn und ein Verrat am Klima». Er vermutet aber, dass die meisten Streikenden diese Forderung nicht unterstützen: «Sie wuchs auf dem Mist von linken Anführern der Bewegung.» Die Klimaschüler ruft er dazu auf, sich China oder Russland anzuschauen: «Kommunismus hilft dem Klima nicht!»

Obwohl der Ständerat zum klimafreundlichen Flügel der FDP zählt, würde er sich «nie» für das Label der Klimajugend bewerben. Er nennt es eine «abstruse Idee». Denn: «Ein Politiker ist nur seiner eigenen Meinung verpflichtet.»

Die Grünen werden Label «diskutieren»

Noch nicht mal die Grünen wollen sich bisher zum Klima-Label bekennen. Sie würden es «diskutieren», sobald die konkreten Forderungen auf dem Tisch lägen, sagt Grünen-Parteipräsidentin Regula Rytz (57).

Sie begrüsst, dass «sich die Bewegung mit den nationalen Wahlen auseinandersetzt» und dabei «offenbar intensiv» um ihre Positionierung ringe. Von der Forderung nach einem «Systemwandel» nimmt allerdings auch sie Abstand: «Für uns ist klar, dass es einen Wandel braucht, aber auf demokratische Art und Weise.»

Nosers Kritik kann sie hingegen nicht nachvollziehen: «Wir erhalten täglich Fragebogen von verschiedensten Organisationen, von Freidenkern bis zum Apothekerverein», so Rytz. Und: «Damit werden Politiker nicht instrumentalisiert!»

Allen internen Kämpfen und Streitereien zum Trotz: Am Freitag wollten sich die Klimaschüler vereint auf der Strasse zeigen. In Lausanne demonstrieren sie gemeinsam mit allen Teilnehmern des Strategietreffens für mehr Klimaschutz. Wie der aussehen soll, können sie ja später diskutieren.

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