Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Massentierhaltungs-Initiative
Was bringt Schweinen und Mastpoulets ein Ja?

Am 25. September stimmt die Schweiz über die Massentierhaltungs-Initiative ab. Das Wichtigste über Inhalt, Hintergründe und Folgen.
Publiziert: 03.08.2022 um 01:47 Uhr

Am 25. September wird bestimmt, was künftig auf unserem Teller landet. Dann stimmt die Schweiz über die Massentierhaltungs-Initiative ab – ein Volksbegehren, das erneut massive Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft hätte. Worum gehts in der Initiative konkret? Und was würde sie ändern? Blick beantwortet die zentralen Fragen.

Was fordert die Massentierhaltungs-Initiative?

Die Initiative will den Schutz der Würde von Nutztieren in der Verfassung verankern – und Massentierhaltung explizit verbieten. Definiert wird diese als «industrielle Tierhaltung zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird». Neu sollen für die Haltung aller Nutztiere die heutigen Biostandards gelten – namentlich bei der Unterbringung, Pflege, dem Zugang ins Freie, der maximalen Anzahl Tiere pro Stall und der Schlachtung.

Was ist mit importierten Lebensmitteln?

Die neuen, höheren Standards würden nicht nur für einheimische, sondern auch für importierte Lebensmittel gelten. Das hält die Initiative ausdrücklich fest.

Die Massentierhaltungs-Initiative will die Haltebedingungen von Schweinen, Rindern, Hühnern und anderen Nutztieren verbessern
Foto: imago/Marius Schwarz
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Wie schnell müssten Bäuerinnen und Bauern die Tierhaltung umstellen?

Die Umsetzungsfrist, die die Initiative vorsieht, ist lang: Maximal 25 Jahre hätte man Zeit, um sich über die genaue Umsetzung einig zu werden und dann die Ställe umzurüsten.

Wer steht hinter der Initiative?

Im Herbst 2019 hat der Tierrechtsverein Sentience Politics das Volksbegehren eingereicht. Die Organisation hat auf kantonaler und kommunaler Ebene auch schon mit Initiativen, die mehr veganes Essen in öffentlichen Kantinen oder Grundrechte für Primaten forderten, für Aufsehen gesorgt. Weitere Träger des Initiativprojekts sind die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, die Tier- und Umweltschutzorganisation Fondation Franz Weber sowie Greenpeace.

Welche Mindeststandards gelten heute?

Minimale Anforderungen sind im Tierschutzgesetz und der Tierschutzverordnung festgehalten – zum Beispiel in Bezug auf Fütterung, Zugang zu Wasser, die Ausgestaltung der Stallböden und den Zugang ins Freie. Darin ist beispielsweise festgelegt, dass Landwirte für ihre Rinder ein Auslauf-Tagebuch führen müssen, in dem sie notieren, wann die Tiere genau draussen waren. Und Schweine müssen sich mit Stroh, Heu oder einem anderen Material beschäftigen können und einen Liegebereich haben.

Gesetzlich festgelegt ist auch, wie viele Tiere maximal auf einem Betrieb gehalten werden dürfen. Erlaubt sind beispielsweise höchstens 300 Rinder, 1500 Mastschweine oder je nach Alter der Tiere höchstens 18'000 bis 27'000 Hühner.

Bäuerinnen können sich, wenn sie wollen, aber auch an strengere Standards halten – und bekommen im Gegenzug mehr Direktzahlungen. Es gibt zwei Programme: jenes für besonders tierfreundliche Ställe (BTS) und jenes für regelmässigen Auslauf im Freien (Raus). Nach BTS-Standards werden derzeit 62 Prozent der Nutztiere gehalten, nach RAUS-Standards sogar 78 Prozent – wobei die Quote je nach Tierart sehr unterschiedlich ist. Bei Schweinen haben nur gut die Hälfte, bei Mastpoulets nur 8 Prozent regelmässig Auslauf.

Wie viel strenger sind die Bio-Standards?

In Sachen Tierhaltung müssen sich Biobetriebe nicht an viel strengere Regeln halten als Bauern, die ihren Tieren regelmässig Auslauf geben und deshalb Raus-Direktzahlungen erhalten. Im Gegensatz zu konventionellen Landwirten ist für Biobäuerinnen das Raus-Programm aber nicht freiwillig, sondern Pflicht. Dazu kommt, dass Tiere in der Bio-Tierhaltung etwas mehr Platz haben. Und: Im Falle von Legehennen und Mastpoulets dürfen viel weniger Tiere in einem Stall gehalten werden als in der konventionellen Tierhaltung. Gemäss Biostandards sind es höchstens 2000, in einem konventionellen Betrieb bis 27'000.

Natürlich geht Bio aber weit über die Tierhaltung hinaus. Der Bio-Standard umfasst auch strengere Regeln für das Futter und vor allem auch für den Pflanzenbau. Darum geht es bei der Massentierhaltungs-Initiative aber nicht.

Wie gross ist der Bio-Anteil bei Fleisch, Milchprodukten und Eiern heute?

Bei den Eiern ist der Bio-Anteil am grössten: Fast jedes dritte Ei, das verkauft wird, ist Bio. Bei Milchprodukten ist es hingegen nur jedes achte – und bei Fleisch gar nur 6 Prozent.

Was sind die Argumente der Befürworterinnen und Befürworter?

Die Initianten kritisieren, dass Nutztiere heute zu sehr als Ware und zu wenig als Lebewesen behandelt werden. Es brauche eine Abkehr von der «Profitmaximierung auf Kosten von Tier, Mensch und Umwelt», fordern sie. Für die Befürworterinnen ist klar, dass die Initiative zu einer Verringerung des Fleischkonsums führen würde, und das ist aus ihrer Sicht auch richtig so. Denn der Konsum von weniger tierischen Lebensmitteln ist nachhaltiger und gesünder.

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Was sagt das gegnerische Lager?

Wirtschaft und grosse Teile der Landwirtschaft kämpfen gegen die Initiative. Sie finden die Initiative bevormundend und argumentieren, dass die Schweiz heute schon weltweit die strengsten Tierschutzgesetze kenne. Ein wichtiges Argument ist ausserdem das Portemonnaie: Laut den Gegnern steht ausser Frage, dass tierische Produkte teurer würden. Den Preis müssten Haushalte mit geringem Budget bezahlen.

Wie ist die Haltung der Parteien?

Stand Anfang August haben noch nicht alle Parteien die Parole gefasst. Im Parlament stimmten SP, Grüne und Grünliberale dafür. Dagegen waren Mitte, FDP und SVP.

Und was ist mit dem Bundesrat?

Der Regierung geht die Initiative zu weit. Sie hatte aber einen Gegenvorschlag zur Initiative vorgelegt. Im Kern hätte dieser vorgesehen, dass die Raus-Richtlinien Pflicht werden – dass also alle Nutztiere regelmässig Auslauf haben. Im Parlament ist der Bundesrat mit diesem Vorschlag nicht durchgekommen, weshalb die Frage jetzt lautet: Sagt die Schweiz Ja zur Initiative oder bleibt alles beim Alten?

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