Die Wiederauferstehung der Christsozialen lässt auf sich warten
Christlich-soziales Durcheinander

Die CVP verzettelt sich beim Aufräumen der christlich-sozialen Vergangenheit. Die gross angekündigte Welle von Christlichsozialen Vereinigungen (CSV) für den Wahlherbst 2019 verpufft.
Publiziert: 26.12.2018 um 02:34 Uhr
Die CVP hat das Kreuz immer noch in ihrem Logo, aber auch ein Kreuz mit ihren CSV- und CSP-Teilgruppierungen. Sie sind kein Wahlmotor.
Foto: Keystone
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Andrea Willimann

Sie sollte den linken Parteiflügel besser zur Geltung bringen und mit Themen wie dem Vaterschaftsurlaub sowie Nähe zu den Gewerkschaften junge Familien und ältere Arbeitnehmende in die Arme der CVP treiben. Doch die im April gegründete Christlichsoziale Vereinigung (CSV) tut sich schwer.

Versagt die Wunderwaffe?

38 Leute nahmen jüngst an der Gründung der CSV Kanton Luzern teil. Zieht man Vorstand und Revisoren ab, die nicht schwänzen durften, konnte der CSV-Schweiz-Präsident Stefan Müller-Altermatt (42) weniger als 30 Köpfe begrüssen. Dies im Luzerner CVP-Stammland, wo die C-Partei mit 23,9 Prozent (Nationalratswahlen 2015) nebst dem Wallis und Jura ihre grössten Wähleranteile hat. Und wo 73 Prozent der Bevölkerung einer christlichen Religion angehören.

Was also ist los? Versagt die christlichsoziale Wunderwaffe 2019 genauso wie die «Familienpartei»-Rakete bei den Wahlen 2015? Für die Luzerner CVP wäre dies eine schlechte Nachricht: Denn sie muss um einen ihrer drei CVP-Nationalratssitze zittern. Der Bund gesteht dem Kanton Luzern 2019 nur noch neun statt zehn Mandate zu, und die CVP holte schon vor drei Jahren ihren dritten Sitz nur sehr knapp. 

Historisch gewachsenes Chaos

Seit der Gründung der CSV Schweiz haben sich bisher nur zwei neue CSV-Gruppen gebildet. Neben der luzernischen kam eine in Zürich dazu. Einfach angegliedert wurden die beiden bestehenden Christlich-Sozialen Parteien (CSP) im Aargau und in St. Gallen. 

Ganz so einfach ist es nicht überall, denn die Christlich-Sozialen sind ein bunter Haufen – auch organisatorisch: Eigenständige Parteien, die nicht in der CVP sind, sondern in den Kantonsparlamenten in links-grünen Fraktionen politisieren, gibt es auch in Zug, im Unterwallis und in Freiburg. Komplett unabhängig ist die CSP Obwalden. Einen Sonderfall stellt die CSP Oberwallis dar, die der CSV und der C-Fraktion im Walliser Grossen Rat angehört, nicht aber Teil der nationalen CVP ist.

Aufräumen braucht Zeit

Will er über dieses Chaos einen starken Mantel stülpen, steht CSV-Chef Müller-Altermatt viel Arbeit bevor. «Wenn sich zum Beispiel die CSP Obwalden zu einem Anschluss entscheiden könnte, wäre dies sicher ein gewichtiges Signal», sagt Karl Vogler (62, OW), einer von zwei CSP-Nationalräten. Aber so schnell gehe das nicht.

«Solche Bewegungen wachsen mit der Zeit», sagt der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber (60). Er verweist auf die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft (AWG), eine weitere von acht CVP-Teilgruppierungen. Die AWG sei über 30 Jahre gewachsen und habe heute im Kanton Luzern mit rund 500 Mitgliedern grossen Erfolg. Von solchen Mitgliederzahlen kann die CSV derzeit nur träumen.

Erneute Diskussion übers C

CVP-Chef Gerhard Pfister (56) will dennoch am linken Flügel festhalten: Es gebe eine Nachfrage, ist er überzeugt. Andere sehen weniger das S für Sozial als Problem an, sondern das C wie Christlich. Silvio Bonzanigo (66), der frühere Co-Präsident der CVP Stadt Luzern, forderte jüngst in der «Luzerner Zeitung»: «Das C muss weg.» 

Lockerung der Waffenausfuhr, Verschärfung der Asylpraxis, Vaterschaftsurlaub,  In-vitro-Fertilisation – kein Thema, das die C-Partei nicht in Bedrängnis bringe, findet er. Und wenn selbst das C-Personal die eheliche Treue missachte und sich an staatlichen Spesenkassen vergehe, spotte die ganze Schweiz, so Bonzanigo.

Gesetzt ist das C hingegen bei Parteichef Gerhard Pfister (56). «Es ist immer noch unsere Marke, aber wir müssen sie mit politischen Inhalten verknüpfen und gut vertreten.»

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