Diskussion um Rahmenabkommen
So will die Schweiz im EU-Poker weiterzocken

Nach langem Hickhack könnte endlich wieder Bewegung in die Diskussion um das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union kommen. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum EU-Poker.
Publiziert: 08.11.2023 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 08.11.2023 um 07:53 Uhr
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Voraussichtlich am Mittwoch wird der Bundesrat im EU-Dossier einen bedeutenden Schritt unternehmen. Es wird erwartet, dass er die Sondierungsphase für abgeschlossen erklärt und das Aussendepartement (EDA) damit beauftragt, das endgültige Verhandlungsmandat mit Brüssel vorzubereiten.

Aber warum ist dieses Abkommen so wichtig? Wo liegen die grössten Streitpunkte zwischen der Schweiz und der EU? Blick stellt die wichtigsten Diskussionspunkte zusammen.

Worum geht es beim Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz?

Die Schweiz ist kein Mitglied der Europäischen Union (EU). Aber sie pflegt enge Beziehungen zu ihr. Denn: Die EU ist ihr wichtigster Handelspartner. Die Schweiz ist Teil des europäischen Binnenmarkts, einem gemeinsamen Markt für freien Handel. Um daran teilzunehmen, hat sie verschiedene Verträge mit der EU geschlossen. Aktuell verhandelt sie über ein Rahmenabkommen.

Gibt es zwischen der Schweiz und der EU bald wieder mehr zu lachen?
Foto: keystone-sda.ch
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Wozu braucht es überhaupt ein Rahmenabkommen?

Um freien Handel zu ermöglichen, müssen ähnliche Regeln in den Ländern gelten. Ein solcher Rahmenvertrag legt fest, wie diese Regeln entwickelt, überwacht und interpretiert werden. Es regelt auch, wie Streitigkeiten gelöst werden, wenn unterschiedliche Auffassungen bestehen.

Warum gibt es Kontroversen und Widerstand gegen das Rahmenabkommen?

Die Schweiz brach die Gespräche über ein Rahmenabkommen mit der EU im Mai 2021 ab. Besonders drei Streitpunkte sorgten für Ärger:

  • Einige Gegner argumentieren, das Rahmenabkommen würde die Schweiz zu stark an die EU binden. Sie befürchten, dass die Schweiz in Zukunft mehr Regeln übernehmen müsste – ohne Mitspracherecht zu haben, was ihre Eigenständigkeit gefährden könnte.
  • Andere Bedenken betreffen den Schutz von Arbeitnehmerrechten, insbesondere den Lohnschutz. Die Sozialpartner fürchten, dass das Rahmenabkommen bestimmte Regeln, die bisher Arbeitnehmer schützen, gefährden könnte. Unter Umständen könnten diese Schutzbestimmungen aufgrund des Abkommens abgeschwächt oder aufgehoben werden.
  • Ein weiterer strittiger Punkt betrifft die Ausgestaltung eines effektiven Mechanismus zur Streitbeilegung bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und Umsetzung des Abkommens.

Wie reagierte die EU auf den Abbruch?

Seit dem Scheitern des Rahmenabkommens zieht die EU die Schraube an: Es gibt keine neuen Abkommen, auslaufende werden nicht erneuert.

Noch am Tag des Verhandlungsabbruchs zum Rahmenabkommen verlor etwa die Medtech-Branche ihren erleichterten Zugang zum EU-Markt. Die In-vitro-Diagnostik büsste ihren privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt ebenfalls ein.

Einen hohen Preis musste auch die Wissenschaft zahlen. Mit dem Teil-Ausschluss aus dem Forschungsprogramm Horizon fielen EU-Gelder weg, Schweizer Hochschulen können keine Horizon-Projekte mehr leiten.

Noch drängender ist das fehlende Stromabkommen. Gelingt es der Schweiz nicht, sich einen festen Platz im europäischen Strommarkt zu sichern, könnten Netzstabilität und Versorgungssicherheit leiden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Schweiz und die EU führten in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Sondierungsgespräche. Dabei handelt es sich um Vorverhandlungen, die dazu dienen, potenzielle Themen für ein Rahmenabkommen zu identifizieren und erste Grundlagen für Verhandlungen zu schaffen. In diesen Gesprächen werden strittige Fragen und Interessen beider Seiten abgesteckt. Diese Gespräche sind nun weitgehend abgeschlossen.

Steht bereits ein konkreter Fahrplan?

Dem Vernehmen nach bewertet der Bundesrat derzeit das Sondierungsergebnis und bereitet ein Verhandlungsmandat vor. Dieses soll Ignazio Cassis' (62) EDA bis im Dezember ausarbeiten. Anfang 2024 soll es schliesslich den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments (APKs) und den Kantonen zur Konsultation vorgelegt werden. Die eigentlichen Verhandlungen mit der EU könnten dann im Februar oder März beginnen.

Gibt es also Hoffnung auf ein Happy End?

Trotz der Herausforderungen und Meinungsverschiedenheiten gibt es weiterhin Aussicht auf eine Einigung zwischen der Schweiz und der EU. Beide Seiten haben ein Interesse daran, ihre Beziehungen zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungen in den kommenden Monaten entwickeln werden, und ob eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann, die den Interessen beider Seiten gerecht wird.

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