Einst Schnäppchen-Mieten für die CVP
Politiker-Palais steht seit über einem Jahr leer

Im Von-Wattenwyl-Haus konnten Bundesräte und Parlamentarier vergleichsweise günstig wohnen. Genutzt hat das vor allem die Mitte. Jetzt aber steht das Politiker-Palais seit über einem Jahr leer, der Bund prüft eine Umnutzung.
Publiziert: 08.03.2022 um 09:39 Uhr
Ruedi Studer

Mit Schnäppchen-Mieten mitten in der Berner Altstadt sorgte das bundeseigene, noble Von-Wattenwyl-Haus vor einigen Jahren für Schlagzeilen. Im fast 600-jährigen Patrizierhaus mit einem wunderschönen Garten und herrlicher Aussicht auf die Aare residierten vor allem Magistratspersonen. Alt Bundesrat Pascal Couchepin (79, FDP) beispielsweise oder Ex-Bundesrätin Doris Leuthard (58, Mitte). Ebenso Bundeskanzler Walter Thurnherr (58, Mitte) oder der Bündner Nationalrat Martin Candinas (41, Mitte) hatten hier ihre Dependance. Ein Politiker-Palais!

Die temporären Bewohnerinnen und Bewohner durften sich dabei über einen günstigen Mietzins freuen. Die zuletzt von Leuthard bewohnte 5-Zimmer-Wohnung mit 250 m² Wohnfläche kostete 2450 Franken monatlich, inklusive Nebenkosten. Thurnherr berappte 2000 Franken für seine 3,5-Zimmer-Wohnung mit 120 m². Und Candinas 16-Quadratmeter-Einzelzimmer ging für den Schnäppchenpreis von 200 Franken weg.

Thurnherr löschte als Letzter das Licht

Die damaligen CVP-Politiker Leuthard und Candinas zogen Anfang 2019 aus. Und auch Thurnherr packte Ende Januar 2021 die Zügelkisten und löschte als Letzter das Licht. Seither steht das Politiker-Palais leer. Weder von den alten noch den neuen Bundesräten wollte jemand die Wohnungen übernehmen. Zu gross ist wohl die Furcht, als Mietprofiteur dazustehen.

Das Von-Wattenwyl-Haus in der Berner Altstadt beherbergt auch zwei Wohnungen und ein Einzelzimmer – mit verhältnismässig günstigen Mieten.
Foto: Keystone
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Und für Otto Normalverbraucher sind die Wohnungen nicht zu haben, wird das Von-Wattenwyl-Haus doch auch für Repräsentationszwecke genutzt und kommt daher nur schon aus Sicherheitsgründen lediglich für einen beschränkten Personenkreis in Frage – eben Magistratspersonen oder Bundesrichter. Eine Fremdnutzung durch Dritte hingegen schliesst der Bund aus.

Bund prüft Umnutzung

Wie es mit dem Palais weitergeht, ist derzeit offen. Das zuständige Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) prüfe das weitere Vorgehen bezüglich einer allfälligen Nachmiete regelmässig mit der Bundeskanzlei als Hausherrin, erklärt BBL-Sprecher Jonas Spirig gegenüber Blick.

«Momentan stehen verschiedene Szenarien zur Diskussion», so Spirig weiter. «In Zusammenhang mit einer mittelfristig notwendigen Renovierung ist zukünftig auch eine Umnutzung der Räumlichkeiten möglich.» Details «zu laufenden Gesprächen» könne man aber noch keine bekanntgeben.

SVP-Hess brachte Stein ins Rollen

Den Stein ins Rollen gebracht hatte SVP-Nationalrat Erich Hess (40, BE), der sich in einem Vorstoss nach den Mietpreisen erkundigte. Aufgrund der Auflagen und des eingeschränkten Nutzerkreises bestehe «keine eigentliche Markt- und Ortsüblichkeit», erklärte der Bund damals.

Klar ist jedenfalls: Das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit schreckt potenzielle Nachmieter aus Politikerkreise ab. Dem Bund entgehen damit jährlich Mieteinnahmen von über 50'000 Franken. «Das war sicher nicht das Ziel», sagt Hess. Er ist überzeugt, dass die Wohnungen auch zu höheren Preisen weggehen würden. «Man muss den Marktpreis ja nicht voll ausschöpfen, aber es gibt ja neben Bundesräten auch Chefbeamte, die sich einen angemessenen Mietpreis leisten könnten.»

Und durch bauliche Massnahmen könnten die für Repräsentationszwecke genutzten Räumlichkeiten von den Privatwohnungen abgegrenzt werden. «Dann kommen auch normale Mieter infrage.» Hess Fazit: «Mir zeigt das Beispiel eher, dass Bund keine grosse Ahnung von Immobilienbewirtschaftung hat.»

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