Entschädigung für bis zu 500 Personen
Novartis zahlt Millionen Franken an Opfer von Medikamententests

Vier Millionen Franken wird der Pharma-Konzern Novartis an Opfer von Medikamententests zahlen. Bis zu 500 Personen sollen das Geld erhalten. Zwischen 1940 und 1980 waren die Versuche in einer psychiatrischen Klinik in Münsterlingen TG durchgeführt worden.
Publiziert: 02.02.2024 um 08:34 Uhr

Novartis beteiligt sich mit 4 Millionen Franken an Solidaritätsbeiträgen für Opfer der Medikamententests in der psychiatrischen Klinik Münsterlingen TG. Thurgau rechnet mit bis zu 500 bezugsberechtigten Personen, was Kosten von 12,5 Millionen Franken zur Folge hätte.

Der Kanton Thurgau konnte mit dem Pharmakonzern Novartis eine Vereinbarung für eine Kostenbeteiligung für Solidaritätsbeiträge treffen, schrieb der Kanton Thurgau am Freitag in einer Mitteilung. Damit beteilige sich die Pharmaindustrie an rund einem Drittel der prognostizierten Kosten für die Opfer der Medikamententests.

In der psychiatrischen Klinik Münsterlingen wurden zwischen 1940 und 1980 nicht zugelassene Medikamente an unwissende Patientinnen und Patienten verabreicht. Verantwortlich dafür war der Psychiater Roland Kuhn, der als Entdecker des ersten Antidepressivums gilt.

Novartis zahlt Opfern von Medikamententests vier Millionen Franken.
Foto: Pius Koller
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Maximal 500 Gesuche

Anspruchsberechtigt für ein Gesuch auf finanzielle Entschädigung von je 25'000 Franken sind gemäss einer Mitteilung des Kantons Thurgau Personen, denen im Zeitraum zwischen 1940 bis 1980 in psychiatrischen Kliniken im Kanton Thurgau aktenkundig Testpräparate verabreicht wurden. Allfällige Erben sind ausgeschlossen. Aufgrund der bis anhin bekannten Fälle aus der psychiatrischen Klinik Münsterlingen schätzt der Kanton die Anzahl möglicher Gesuche auf maximal 500.

2021 legte eine vom Kanton Thurgau in Auftrag gegebene wissenschaftliche Aufarbeitung die enorme Dimension der damaligen Tests mit Psychopharmaka in der Klinik Münsterlingen offen. Profitiert von den Versuchen an Menschen habe die Basler Pharmaindustrie. Novartis gilt als Nachfolgefirma der damals involvierten Unternehmen. 

Kanton Thurgau in der Pionierrolle

Da die Pharmaindustrie aus heutiger Sicht eine gewisse moralische Mitverantwortung trage, erwartete der Kanton Thurgau eine massgebliche Beteiligung an den Kosten, schrieb der Kanton in seiner Botschaft an den Grossen Rat. Das Departement für Finanzen und Soziales von Regierungsrat Urs Martin (SVP) habe entsprechende Verhandlungen mit der Pharmaindustrie geführt.

Der Kanton Thurgau nimmt mit den Entschädigungen von Opfern damaliger Medikamententests eine schweizweite Pionierrolle ein. Die Auszahlungen von Solidaritätsbeiträgen regelt ein neues Gesetz, das 2025 in Kraft treten und befristet bis 2033 gültig sein soll.

«Viele betroffene Personen haben durch die Medikamententests psychisches und körperliches Leid mit negativen sozialen Folgen erlitten», schrieb der Regierungsrat in seiner Botschaft an das Kantonsparlament weiter. Dieses muss noch über das Gesetz beraten.(SDA)

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