Er fordert Widerstand gegen Klima-Urteil
Jositsch provoziert schon wieder

SP-Ständerat Daniel Jositsch will das historische Klima-Urteil gegen die Schweiz nicht akzeptieren – und bereitet im Parlament Widerstand vor. Damit stösst er Parteikollegen vor den Kopf.
Publiziert: 18.04.2024 um 18:34 Uhr
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Aktualisiert: 18.04.2024 um 18:54 Uhr
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Lea HartmannRedaktorin Politik

SP-Abweichler Daniel Jositsch (59) stellt sich mal wieder gegen seine Partei: Der Zürcher Ständerat übt heftige Kritik am historischen Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR). Die Strassburger Richter gaben den klagenden Klimaseniorinnen recht und urteilten, dass die Schweiz mehr für den Klimaschutz tun muss. 

Er halte das Verdikt für falsch, sagt Jositsch in der «NZZ». Das Gericht habe mit dem Entscheid seine Kompetenzen überschritten und Politik gemacht. «Man kann nicht ein einzelnes Land für ein globales Problem verantwortlich machen.» Zudem sei problematisch, dass der EGMR mit dem Urteil einen Volksentscheid übersteuert, nämlich das Nein der Stimmbevölkerung 2021 zum CO₂-Gesetz. Wie man verhindern könne, dass es künftig wieder zu solch einem Urteil kommt, werde man an der nächsten Sitzung der ständerätlichen Rechtskommission diskutieren. 

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Jositsch will Erklärung verabschieden

Jositsch prescht vor. Der SPler, Strafrechtsprofessor von Beruf, ist Präsident der Rechtskommission des Ständerats. Er hat aber nicht bloss kurzfristig beschlossen, das Urteil auf die Traktandenliste der nächsten Kommissionssitzung am Dienstag zu setzen. Wie Blick weiss, hat er ausserdem eigenmächtig eine Sondersitzung einberufen. Diese wird im Mai stattfinden. Sie soll Gelegenheit bieten, Rechtsexpertinnen und ehemalige Richter zum Urteil zu befragen. 

Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch hat die Rechtskommission des Ständerats zu einer Sondersitzung geladen.
Foto: keystone-sda.ch
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Das Ziel des SPlers: Der Ständerat soll eine Erklärung zum Urteil verabschieden. Das machen Dokumente, die Blick vorliegen, deutlich. Was genau darin stehen soll, ist unklar. Von einer Seite ist zu hören, Jositsch wolle dem EGMR mitteilen, dass die Schweiz das Urteil nicht umsetzen wird. 

Politiker warnen

Bei Linken schrillen die Alarmglocken. SPler haben Jositsch zur Rede gestellt. Ihnen gegenüber soll der Zürcher beschwichtigt haben. Doch seit Jositsch sich zweimal bei den Ersatzwahlen für SP-Bundesräte entgegen anderer Beteuerungen vorgedrängt hatte, misstraut ihm seine Partei. Zudem wird er gegenüber der «NZZ» deutlich: Die Schweiz solle beim Europarat vorstellig werden und «klarmachen, dass es so nicht geht». 

«Das Ziel von Jositsch ist klar. Und es ist sehr gravierend», sagt ein Parlamentarier hinter vorgehaltener Hand. Mit einer solchen Erklärung würde man sich rechtsstaatlich komplett ins Abseits katapultieren, warnen Politiker – auch von bürgerlicher Seite.

«Das Urteil des EGMR ist jenseits», findet der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni (43). Doch es einfach zu ignorieren, scheine ihm rechtsstaatlich gefährlich. «Wir sollten stattdessen den Bundesrat auffordern, zusammen mit den anderen Staaten die EMRK noch klarer zu fassen, um weitere solche Urteile zu vermeiden», so der Jurist.

«Wir sollten jetzt nicht überreagieren»

Kommissionsmitglieder kritisieren Jositschs Vorpreschen, auch das mediale. «Als Präsident der Rechtskommission hätte er sich nicht öffentlich so äussern sollen», findet der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga (64), ein Parteikollege Jositschs. Was das weitere Vorgehen anbelangt, sagt der Westschweizer: «Wir sollten jetzt nicht überreagieren.» Sommaruga sieht nun erst einmal den Bundesrat in der Pflicht, das Urteil und seine Folgen zu prüfen. Dann erst soll sich allenfalls das Parlament einschalten. 

Dieser Meinung ist auch SP-Co-Chef Cédric Wermuth (38). Nachdem seine Co-Präsidentin Mattea Meyer (36) das Urteil als «wegweisende Entscheidung für den Klimaschutz» bezeichnet hatte, warf Wermuth den Rechten vergangene Woche vor, «hysterisch» auf das Klima-Urteil zu reagieren.

Doch nun macht die Hysterie offenbar auch vor seiner eigenen Partei nicht halt. Anders als gegenüber der «NZZ» wollte sich Jositsch auf Blick-Anfrage zu seinen Plänen mit Verweis aufs Kommissionsgeheimnis nicht äussern.

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