«Ich werde keinen klassischen Wahlkampf führen»
1:32
Rima zur Ständeratskandidatur:«Ich werde keinen klassischen Wahlkampf führen»

Er wollte heikle Aussagen streichen
SonntagsBlick kippt Interview mit Marco Rima

Der Versuch ist gescheitert: SonntagsBlick traf den Komiker und Ständeratskandidaten zum Interview. Daraus wird nichts.
Publiziert: 11.06.2023 um 00:44 Uhr
|
Aktualisiert: 12.06.2023 um 13:38 Uhr

Er war der Liebling der Nation. Als Teil des Duos Marcocello brachte Marco Rima (62) die Massen zum Lachen.

Unvergessen ist die Wilhelm-Tell-Interpretation von 1991, die seinen Sinn für Situationskomik und sein mimisches Talent glänzend zur Geltung brachte. Seine Musicals («Keep Cool») begeisterten eine halbe Million Zuschauer, er drehte Filme, er eroberte das deutsche Privatfernsehen und wurde zum erfolgreichsten Schweizer Comedy-Export. Rima war die eidgenössische Antwort auf «Mr Bean»-Darsteller Rowan Atkinson (68). Der Zuger war Everybody’s Darling, er war Mainstream, als Mainstream noch kein politisch aufgeladener Begriff war.

Rima wird zur Galionsfigur der Massnahmenkritiker

Dann kam die Pandemie: Bitte bleiben Sie zu Hause. Ausserordentliche Lage. Lockdown. Gesperrte Parks und Beizen. Besonders hart getroffen wurden Entertainer wie Rima. Zunächst sah er sich als Beruhiger. Er wollte doch nur die Gräben kitten, die in der Gesellschaft aufzureissen begannen. Dann wurden sie täglich grösser.

Die Showlegende am Donnerstag bei Ringier in Zürich.
Foto: Philippe Rossier
1/5

Der Konflikt um Anti-Covid-Massnahmen spaltete Freundeskreise, Familien, das Land. Damals produzierte Rima den Blog «Ich weiss es nicht», auf dem er, wie es so schön heisst, bloss Fragen stellte. Impfung, Krise der Spitäler, Maskenpflicht, Homeschooling, Performance der Regierenden – alles wurde radikal in Zweifel gezogen.

Die Allgemeinheit reagierte mit jovialem Schulterzucken – bis zur verhängnisvollen Corona-Demo am 19. September 2020 auf dem Zürcher Turbinenplatz. Rima leistete sich auf der Bühne einen Patzer: Niemand sei an Covid gestorben. Dass er sich kurz darauf korrigierte, nützte nichts mehr. Im Chor der Querdenker, Freiheitstrychler und Massnahmenkritiker avancierte er zur Galionsfigur – und wurde zugleich zum Buhmann der Mehrheitsgesellschaft: Die Mutation vom Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs war nicht mehr zu stoppen.

Interview mit SonntagsBlick

Von der Presse bekam Rima sein Fett weg, auch von Ringier-Publikationen. Bald berichteten er und seine Frau Cristina von Morddrohungen und Toilettenpapier im Briefkasten. Die beiden wurden zu Kritikern der Massenmedien. Lieber tauschte man sich auf Telegram-Kanälen und sonstigen Plattformen aus.

Ein Gespräch mit SonntagsBlick schien bis vorletzte Woche undenkbar. Dann erhielt die Redaktion den Hinweis, die Showlegende wolle für seinen Kanton in den Ständerat. Es wurde ein Interview vereinbart, «unzensiert», ohne Tabus.

Am Donnerstag fuhr er mit dem E-Bike ins Foyer des Ringier-Hauses an der Dufourstrasse in Zürich. Es folgte ein einstündiges, offenes Gespräch. Am Freitag hatte Rima den Text zur Autorisierung vor sich. Am Abend meldete sich seine Frau und Managerin Cristina: So könne man das Stück unmöglich freigeben, ihr Mann werde absolut unvorteilhaft und oberflächlich dargestellt.

Rima wollte Interview im Nachhinein abändern

So weit, so gewöhnlich im Medienbetrieb. SonntagsBlick wartete die autorisierte Fassung ab. Am Samstag lag sie vor. Doch fanden sich im abgeänderten Manuskript wohlformulierte Sätze im Polit-Jargon, die der Befragte so nie gesagt hatte. Das ist bei Interviews nicht unüblich, allerdings eher bekannt von Bundesräten oder Firmenchefs; PR-Arbeit eben. Überdies wollten Rima und seine Frau ganze Themen streichen, über die er freimütig geredet hatte – etwa heikle Thesen zur Pandemie.

Der wortgewandte Bühnenkünstler, der sich während der letzten Jahre mit allerlei Provokationen zu Corona, Klima- und Genderfragen profiliert hatte, mochte in seinem Interview keine allzu riskanten Gedanken mehr teilen.

Die SonntagsBlick-Redaktion respektiert das – hält es aber für wenig sinnvoll, ein Gespräch abzudrucken, aus dem die streitbarsten Passagen nachträglich entfernt wurden.

Verblüffend: Der liebenswerte Skeptiker, Systemkritiker und Gesellschaftsromantiker Marco Rima ist mit seiner Kandidatur wieder ein wenig näher an die politische Normalität gerückt.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?